Nachfolgend ein Beitrag vom 24.8.2017 von Bueb, jurisPR-MietR 17/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Auch nach Beendigung des Mietverhältnisses hat die Kaution grundsätzlich nur eine Sicherungs- und keine Befriedigungsfunktion; deshalb ist der (Wohnraum-)Vermieter nach Vertragsende nur wegen unstreitiger oder rechtskräftig festgestellter Ansprüche zur Inanspruchnahme der Kaution befugt.
2. Droht nach Beendigung des Mietverhältnisses die Inanspruchnahme der Kaution durch den Vermieter wegen streitiger Ansprüche, kann der Mieter im einstweiligen Verfügungsverfahren Unterlassung verlangen. Die drohende Inanspruchnahme der Kaution reicht unabhängig von ihrer Höhe als Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO aus, selbst wenn vermieterseits ein konkretes Insolvenzrisiko nicht besteht.

A. Problemstellung

Das LG Berlin hatte vorliegend zu entscheiden, ob ein Mieter das Recht hat, im einstweiligen Verfügungsverfahren Unterlassung zu verlangen, wenn der Vermieter sich nach Beendigung des Mietverhältnisses wegen streitiger Forderungen aus der Kaution befriedigen will.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das LG Berlin hatte sich mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung zu befassen. Verfügungskläger waren die Mieter, Verfügungsbeklagte waren die Vermieter. Die Verfügungskläger beantragten, dass die Verfügungsbeklagten es einstweilen unterlassen sollten, die gestellte Mietkaution in Anspruch zu nehmen.
Das LG Berlin hat festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.
Nach Auffassung des Landgerichts hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen. Halten die (Verfügungs-)Beklagten wie hier gegenüber der einseitigen Erledigungserklärung der (Verfügungs-)Kläger den Antrag auf Klageabweisung aufrecht, hat das Gericht über den Streitgegenstand zur Hauptsache zu entscheiden. Es hat die Erledigung der Hauptsache auszusprechen, wenn die Klage bis zur Erledigungserklärung zulässig und bis zu dem die Erledigung herbeiführenden Ereignis begründet war (BGH, Urt. v. 17.04.1984 – IX ZR 153/83). Dies war im gegenständlichen Verfahren der Fall. Bis zum Eintritt der Erledigung war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet.
Den Verfügungsklägern stand gegenüber den Verfügungsbeklagten ursprünglich ein Anspruch auf Unterlassung der Inanspruchnahme der von ihnen gestellten Mietsicherheit zu. Auch nach Beendigung des Mietverhältnisses könne der Vermieter die Mietsicherheit vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung nur dann rechtmäßig in Anspruch nehmen und verwerten, wenn er Inhaber gesicherter Ansprüche sei, die rechtskräftig festgestellt oder zwischen ihm und dem Mieter unstreitig seien (Emmerich in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 551 Rn. 31). Eine vom Mieter zu stellende Kaution habe bei einer entsprechenden und für die Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB vertraglichen Abrede für den Vermieter weitestgehend eine bloße Sicherungs- und keine Befriedigungsfunktion (BGH, Urt. v. 12.01.1981 – VIII ZR 332/79). Die gebotene Auslegung der konkreten – in der Regel und auch hier an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu messenden – Sicherungsabrede nehme die von der Berufung zitierte gegenteilige Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.08.2008 – 8 W 34/08) nicht vor. Ihr sei allein deshalb nicht zu folgen.
Die Parteien hatten in § 7 Nr. 4 des Mietvertrages unmissverständlich vereinbart, dass sich der Vermieter „nach Beendigung des Mietverhältnisses“ wegen „aller anerkannter oder rechtskräftiger Forderungen aus dem Mietverhältnis … aus der Sicherheit befriedigen …“ könne. Daraus folge im Umkehrschluss bereits gemäß §§ 133, 157 BGB individualvertraglich, erst recht aber im Rahmen der Klauselkontrolle gemäß § 305c Abs. 2 BGB ein Befriedigungsverbot der Verfügungsbeklagten für alle sonstigen Ansprüche.
Den Verfügungsklägern stünde gemäß den §§ 935, 940 ZPO auch ein Verfügungsgrund zur Geltendmachung ihres auf Abwehr der Inanspruchnahme der Kaution gerichteten Unterlassungsanspruchs zu, da andernfalls die Vereitelung eines Rechts (§ 935 ZPO) oder der Eintritt wesentlicher Nachteile (§ 940 ZPO) zu besorgen gewesen wäre. Zwar werde ein Verfügungsgrund im streitgegenständlichen Zusammenhang zum Teil nur dann bejaht, wenn im Falle der Kautionsverwertung entweder das Risiko der Insolvenz des Vermieters konkret zu besorgen sei oder dem Mieter sonstige ähnliche Nachteile drohten (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.08.2008 – 8 W 34/08). Das jedoch greife bei einer gesetzlich angeordneten oder vertraglich vereinbarten Pflicht zur insolvenzfesten Anlage der Sicherheit und damit in jedem Fall bei einem Wohnraummietverhältnis zu kurz (LG Berlin, Beschl. v. 05.09.2002 – 65 T 64/02). Denn die insolvenzfeste Anlage der vom Wohnraummieter geleisteten Sicherheit sei nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB in sämtlichen Wohnraummietverhältnissen unabhängig von den konkreten Vermögensverhältnissen des jeweiligen Vermieters und damit auch bei einem lediglich abstrakten Insolvenzrisiko zu gewährleisten. Die drohende Vereitelung dieses Schutzzwecks begründe einen wesentlichen Nachteil des Mieters und damit einen Verfügungsgrund auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegenüber dem Vermieter auch bei einem lediglich abstrakten Insolvenzrisiko, unabhängig davon, auf welche Höhe sich die vom Wohnraummieter geleistete Sicherheit tatsächlich belaufe.

C. Kontext der Entscheidung

Das LG Berlin folgt mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des BGH dahingehend, dass die Vertragsparteien mit der getroffenen Kautionsabrede im Lichte der §§ 133, 157 BGB einen einheitlichen Zweck verfolgen; dieser liegt während des Bestandes des Mietverhältnisses aus Sicht des Vermieters in der bloßen Sicherung streitiger und in der Befriedigung allein solcher Ansprüche, die rechtskräftig festgestellt oder zwischen den Parteien unstreitig sind (BGH, Urt. v. 07.05.2014 – VIII ZR 234/13). Eine Änderung dieses eingeschränkten Befriedigungs- und überwiegenden Sicherungscharakters ist ohne eine unmissverständliche – im vorliegenden Fall fehlende – vertragliche Abrede der Mietvertragsparteien für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu begründen. Sie liefe zudem bei einem Wohnraummietverhältnis der aus § 551 Abs. 3 BGB erwachsenden Pflicht des Vermieters zur treuhänderischen Sonderung der vom Mieter erbrachten Kaution zuwider. Mit dieser wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses auch in der Insolvenz des Vermieters ungeschmälert auf die Sicherheitsleistung zurückgreifen kann, soweit dem Vermieter keine gesicherten Ansprüche zustehen. Der vom Gesetzgeber angeordnete Schutz des Wohnraumieters würde aber leerlaufen, wenn der Mieter zwar während des Mietverhältnisses vor einer uneingeschränkten Inanspruchnahme der Mietsicherheit durch den Vermieter geschützt wäre, jedoch nach dessen Beendigung und danach erfolgter Verwertung der Kaution im Umfang streitiger und nicht rechtskräftig festgestellter Ansprüche das Risiko der Insolvenz des Vermieters vollständig zu tragen hätte.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es ist immer zu beachten, dass eine Mietkaution auch nach Beendigung des Mietverhältnisses grundsätzlich nur eine Sicherungsfunktion wegen unstreitiger oder rechtkräftig festgestellter Ansprüche hat und keine allgemeine Befriedigungsfunktion des Vermieters. Der Mieter kann im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den Vermieter dann Unterlassung verlangen, wenn sich dieser wegen streitiger Forderungen aus der Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses befriedigen will.