Nachfolgend ein Beitrag vom 7.11.2017 von Herberger, jurisPR-FamR 22/2017 Anm. 6

Orientierungssatz

Ist in einem Erbvertrag mit einer neuen Partnerin bestimmt, dass jeweils der Sohn aus geschiedener Ehe des späteren Erblassers und der Sohn der neuen Partnerin als Alleinerben des jeweiligen Vermögens erbvertraglich bindend und einseitig nicht widerruflich eingesetzt werden, und schenkt der über ein Vermögen von 10 Mio. Euro verfügende spätere Erblasser/Bräutigam seiner neuen Partnerin zur Hochzeit eine Motoryacht im Wert von 575.000 Euro, kann der Vertragserbe von der Beschenkten nicht die Herausgabe des Geschenks verlangen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht erfolgt ist. Der sehr vermögende spätere Erblasser hat mit der Schenkung ein lebzeitiges Eigeninteresse verfolgt; die Zuwendung der Motoryacht stellte eine Anstandsschenkung dar.

A. Problemstellung

Nach § 2286 BGB wird das Recht des Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, durch einen Erbvertrag nicht beschränkt. Damit geht die Gefahr einher, dass die mit einem Erbvertrag verbundene erbrechtliche Bindungswirkung ausgehöhlt wird. Deshalb ordnet § 2287 BGB an, dass der Vertragserbe, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat, nach Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern kann. Im vorliegenden Falle stellte sich die Frage, ob die Schenkung einer Motoryacht samt Beiboot im Wert von 575.000 Euro durch den späteren Erblasser an seine Ehefrau anlässlich der Hochzeit eine den Vertragserben beeinträchtigende Schenkung darstellt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Erblasser und die spätere Beklagte hatten einen notariellen Erbvertrag geschlossen, in dem sie ihre jeweiligen Abkömmlinge aus erster Ehe zu alleinigen Erben einsetzten. Sie erklärten die getroffene Verfügung für „erbvertraglich bindend und einseitig nicht widerruflich“ und nahmen diese Erklärungen „gegenseitig als vertraglich an“. Noch zu Lebzeiten hatte der spätere Erblasser der Beklagten eine Ferienvilla in Marbella im Wert von mindestens 300.000 Euro verkauft, wobei er ihr den Kaufpreis zuvor schenkte. Zudem hatte er ihr durch Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall Konten und ein Depot zugewandt, deren Wert sich zum Zeitpunkt des Erbfalles auf etwa 215.000 Euro belief. Außerdem hatte der spätere Erblasser der Beklagten einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, mit dem sie ein Darlehen zur Finanzierung einer in ihrem Eigentum stehenden Eigentumswohnung ablösen konnte. Anlässlich der Hochzeit hatte dann der spätere Erblasser der Beklagten die Motoryacht samt Beiboot im Wert von 575.000 Euro geschenkt, die nun im Streit steht. Wenige Tage später übertrug der spätere Erblasser seinem Sohn, dem jetzigen Kläger, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge GmbH-Anteile (Wert: 7.781.890,85 Euro) unter Nießbrauchsvorbehalt (Wert: 3.722.000 Euro).
Der Kläger beantragt nunmehr in zweiter Instanz, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die näher bezeichnete Motoryacht und das näher bezeichnete Beiboot zu übereignen.
Das OLG Düsseldorf hat einen solchen Anspruch verneint.
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Motoryacht und des Beibootes aus § 2287 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB zu. Aus § 2287 BGB ergebe sich, dass der Vertragserbe, wenn der Erblasser in der Absicht, ihn zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht habe, nach Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks gemäß Bereicherungsrecht fordern könne. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Erblasser den Kläger mit erbvertraglicher Bindungswirkung i.S.d. § 2278 Abs. 1 BGB eingesetzt habe. Zwar ergebe sich allein aus der Tatsache, dass eine Verfügung in einem Erbvertrag enthalten sei, noch nicht die Vertragsmäßigkeit. Hier hätten die Vertragsparteien des Erbvertrages aber ausdrücklich geregelt, dass die Erbeinsetzungen „erbvertraglich bindend und einseitig nicht widerruflich“ seien. Es liege des Weiteren eine Schenkung i.S.d. § 2287 Abs. 1 BGB vor. Der Erblasser habe der Beklagten die Motoryacht samt Beiboot einige Tage nach der Hochzeit geschenkt und ihr das Eigentum daran übertragen.
Dem Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB stehe aber die fehlende Beeinträchtigungsabsicht entgegen. Wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung habe, komme eine Beeinträchtigungsabsicht nicht in Betracht. Dies sei der Fall, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindungen als billigenswert und gerechtfertigt erscheine. Zur Beurteilung dessen müsse im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine Gesamtabwägung stattfinden, bei der die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben auf der einen Seite und die Beweggründe des Erblassers auf der anderen Seite einzubeziehen seien. Entscheidend sei, ob die Beweggründe des Erblassers für die Schenkung ihrer Art nach so seien, dass der Vertragserbe sie anerkennen und die für ihn damit verbundene Benachteiligung akzeptieren müsse. Dies werde dann angenommen, wenn der Erblasser seine Versorgung und ggf. seine Pflege im Alter sicherstellen wolle oder wenn der Erblasser in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handele, sich also beispielsweise mit einem Geschenk bei einer Person bedanken wolle, die ihm in besonderer Weise geholfen hatte oder es sich um eine Pflicht- oder Anstandsschenkung handele (vgl. dazu § 534 BGB). Eine solche auf den Anstand zu nehmende Rücksicht werde für gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke als gegeben erachtet (Geburtstage, Weihnachten, Hochzeiten, …). Entscheidend seien die Ansichten und Gepflogenheiten in sozial gleichgestellten Kreisen. Es sei darauf abzustellen, ob mit einer Einbuße an Achtung in diesem Personenkreis zu rechnen sei, wenn man sich nicht in Form eines Geschenkes erkenntlich zeige.
Das OLG Düsseldorf wendet die referierten Grundsätze an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Schenkung der Motoryacht samt Beiboot an die Ehegattin anlässlich der Hochzeit als Anstandsschenkung anzusehen sei. Dies begründet das Oberlandesgericht mit einer Abwägung der berechtigten Erberwartungen des Klägers als Vertragserbe auf der einen Seite und der Beweggründe des Erblassers für die Schenkung auf der anderen Seite. Es sei zwar zuzugestehen, dass ein Wesensmerkmal von Anstandsschenkungen deren geringer Wert sei. In diesem Zusammenhang seien aber keine objektiven Maßstäbe ausschlaggebend. Vielmehr müsse das Geschenk in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Erblassers und seinem verbleibenden Vermögen stehen.
Die eigene Hochzeit sei ein Ereignis, bei dem wertvolle Geschenke an den Ehegatten als üblich und angemessen angesehen werden könnten. Der Wert der Motoryacht samt des Beibootes (weniger als 5% des Vermögens des Erblassers) stünde nicht außer Verhältnis zu dem Vermögen des Erblassers, dem zum Zeitpunkt der Schenkung Geschäftsanteile im Wert von mindestens fast acht Millionen Euro und zusätzlich Grund- und Barvermögen im Wert von mehr als zwei Millionen Euro gehörten. An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, dass der Erblasser wenige Tage nach der Schenkung seine Geschäftsanteile an den Kläger übertragen habe, weil die Übertragung zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte und dem Kläger als Vertragserben zugutegekommen sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Erblasser der Beklagten schon zuvor wertvolle Geschenke gemacht habe. Dies zeige, dass wertvolle Schenkungen des Erblassers an die Beklagte nicht ungewöhnlich waren.
Umgekehrt betrachtet sei ein lebzeitiges Eigeninteresse für eine Schenkung nicht gegeben, wenn der Erblasser ohne Änderung der bei Abschluss des Erbvertrages gegebenen Umstände allein aufgrund eines Sinneswandels eine Korrektur der Verfügung von Todes wegen vornehmen wolle, indem er nunmehr einer anderen Person wesentliche Vermögenswerte zuwende. Dann bestünde die Beeinträchtigungsabsicht. Dies könne hier aber nicht angenommen werden. Zum einen gehe es um ein Geschenk anlässlich der eigenen Hochzeit, das der Erbvertragspartnerin zugewendet werden solle. Zum anderen könne von dem Erblasser nicht erwartet werden, dass er in einem Erbvertrag mit seiner künftigen Ehefrau wenige Tage vor der Hochzeit Regelungen in Bezug auf ein Hochzeitsgeschenk treffe. Dies sei zumindest dann der Fall, wenn der Wert des Hochzeitsgeschenkes „nur einen geringen Bruchteil“ des Vermögens des Erblassers ausmache.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf steht insofern mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang, als sie strikt zwischen dem Vorliegen einer Schenkung einerseits und der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers andererseits unterscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2016 – IV ZR 513/15 Rn. 8). Gleiches gilt für die Beeinträchtigungsabsicht, die nicht (mehr) das einzige Motiv für die Schenkung sein muss. Eine solche Absicht wird bereits dann als gegeben betrachtet, wenn der Erblasser kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hat (BGH, Urt. v. 28.09.1983 – IVa ZR 168/82 Rn. 6).

D. Auswirkungen für die Praxis

Eine entscheidende Weichenstellung für die Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB ist die Frage, ob einer begünstigten Person die Stellung eines Vertragserben zugebilligt werden kann. Deshalb ist auf die Ausarbeitung dieses Punktes besondere Sorgfalt zu verwenden. Das OLG Düsseldorf lässt hier dafür – anders als das LG Duisburg (Urt. v. 05.11.2015 – 4 O 173/14) als Vorinstanz – eine Erbeinsetzung verbunden mit der Formulierung, diese sei „erbvertraglich bindend und einseitig nicht widerruflich“, ausreichen.
Die Entscheidung zeigt weiterhin, dass eine Anstandsschenkung auch gegeben sein kann, wenn der geschenkte Gegenstand einen hohen Wert hat, sich dieser Wert aber im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Erblassers als nicht ungewöhnlich hoch darstellt.
Was hier in Bezug auf einen Erbvertrag dargestellt wurde, gilt gleichfalls in Bezug auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten (BGH, Urt. v. 23.09.1981 – IVa ZR 185/80 Rn. 9).

Schenkung einer Motoryacht als Beeinträchtigung des Vertragserben (§ 2287 BGB)
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
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Schenkung einer Motoryacht als Beeinträchtigung des Vertragserben (§ 2287 BGB)
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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  • Fachanwalt für Erbrecht
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