Nachfolgend ein Beitrag von Chab, AnwBl 2009, 139-141
Regressprozess: Anwaltshaftung in der arbeitsrechtlichen Praxis – ein Erfahrungsbericht
Bertin Chab, München
Der Autor ist Rechtsanwalt und bei der Allianz Versicherung München tätig. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.
Das Arbeitsrecht nimmt in der anwaltlichen Praxis breiten Raum ein. Es wird sowohl in kleinen und mittelgroßen als auch in internationalen Großsozietäten angeboten. Für viele – auch nicht spezialisierte – Anwälte gehört das Arbeitsrecht zum normalen Tätigkeitsgebiet. In der Statistik der Fachanwälte tauchen die Arbeitsrechtler zusammen mit den Familienrechtlern seit Jahren am häufigsten auf. Da ist es nicht verwunderlich, dass ein nicht unwesentlicher Teil der gemeldeten Regressfälle ein arbeitsrechtliches Mandat zum Gegenstand hat. Im Beitrag werden einige typische Haftungsquellen angesprochen, aber auch Besonderheiten in der Bearbeitung dieser Anwaltsregresse.

I. Haftungsquelle Fristversäumnisse

1. Prozessuale Fristen

a) Rechtsmittelfristen

Wie in den anderen zivilrechtlichen Gebieten spielen auch im Arbeitsrecht die Rechtsmittelfristen als Haftungsquelle eine herausragende Rolle. Daran ändert nicht, dass alle mit einem befristeten Rechtsmittel angreifbaren Entscheidungen gem. § 9 Abs. 5 ArbGG mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen sind. Für Wiedereinsetzungsanträge gilt das Verfahren der ZPO mit den gleichen Voraussetzungen. Wer nicht ständig mit Arbeitsgerichtsverfahren zu tun hat, stolpert leicht über die verkürzte Einspruchsfrist nach einem Versäumnisurteil, die gem. § 59 ArbGG lediglich eine Woche beträgt.

b) Ruhen des Verfahrens

Eine recht eigenartige Frist, die in der Praxis zwar keine große Rolle spielt, aber gerade deshalb schon zu unangenehmen Überraschungen geführt hat, ist in § 54 Abs. 5 ArbGG versteckt. Wenn die Parteien in der mündlichen Verhandlung gar nicht erst erschienen sind oder nicht verhandeln, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Danach kann jede Partei einen Terminsantrag stellen, allerdings nur innerhalb der nächsten sechs Monate. Nach Ablauf dieser Frist ist § 269 Abs. 3 bis 5 ZPO entsprechend anzuwenden, und das bedeutet, dass die Klage in diesem Moment als zurückgenommen gilt. Sollte die Klagefrist des § 4 KSchG gewahrt werden, ist diese mit Ablauf der sechs Monate unwiederbringlich verloren. Daher ist es ggf. wichtig, die Frist sofort nach Rückkehr vom Termin, allerspätestens nach Eingang des Protokolls, in den Fristenkalender einzutragen.

c) Klagefrist nach Kündigung

Überragende Bedeutung in der Haftpflichtpraxis hat der bereits erwähnte § 4 KSchG, die Drei-Wochen-Frist, innerhalb derer ein Arbeitnehmer gerichtlich geltend machen kann, dass die gegen ihn ausgesprochene Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Diese Frist gilt auch für Änderungskündigungen und grundsätzlich auch dann, wenn im so genannten Kleinbetrieb gekündigt wurde (§ 23 KSchG sollte im Zweifel einer genauen Prüfung unterzogen werden).

Oft scheitert die Fristwahrung daran, dass sich erst im Verlauf des Prozesses herausstellt, dass die falsche Partei verklagt wurde. In verschachtelten Firmenkonstruktionen und Konzernen können bisweilen die Arbeitnehmer selbst nicht mehr richtig erkennen, welches Unternehmen denn nun zum Zeitpunkt der Kündigung als Arbeitgeber anzusehen war. Auch deshalb ist es unbedingt notwendig, dass man sich das Kündigungsschreiben, den Arbeitsvertrag und ggf. sämtliche Änderungen vorlegen lässt. So ist es beispielsweise auch denkbar, dass Personalangelegenheiten innerhalb eines Konzerns auf eine andere konzerneigene Gesellschaft übertragen werden. Die Kündigung wird dann von dieser Gesellschaft ausgesprochen, die aber nicht als Arbeitgeberin anzusehen ist. Der Anwalt darf sich nicht ohne weiteres auf Angaben des Mandanten hierzu verlassen, denn wer Arbeitgeber ist, ergibt manchmal erst eine eingehende juristische Prüfung der Vertragsgrundlagen. Ein Rettungsanker kann die Berichtigung des Rubrums sein, die aber nicht immer gelingt. Wenn die tatsächlich verklagte (juristische) Person ebenfalls existiert, kann die Klageschrift nicht mehr ohne weiteres so ausgelegt werden, dass der wirkliche Arbeitgeber gemeint war. Bleiben auch nach sorgfältiger Prüfung noch Zweifel, ist daran zu denken, mehrere Kündigungsschutzklagen zu erheben.

Vorsicht ist auch bei Insolvenz des Arbeitgebers geboten, weil dann der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu verklagen ist. Auch hier kann eine fehlerhafte Rubrizierung rasch zum Ablauf der Klagefrist und zur Wirksamkeit der Kündigung führen.

Wird die Drei-Wochen-Frist wegen eines Versehens von Kanzleiangestellten oder deshalb versäumt, weil der Mandant selbst aus sonstigen Gründen gehindert war, rechtzeitig Klage zu erheben, ist ein Antrag auf nachträgliche Zulassung gem. § 5 KSchG zu stellen. Anwaltsverschulden wird dem Mandanten nach der BAG-Rechtsprechung zugerechnet (BAG v. 11.12.2008 – 2 AZR 472/08). Die Voraussetzungen sind also ähnlich denjenigen im Wiedereinsetzungsverfahren der ZPO, so dass auch ein entsprechender Antrag ähnlich zu formulieren wäre.

Glücklicherweise wird inzwischen für die Kündigung von Dienstverträgen die Schriftform vorgeschrieben, § 623 BGB. Damit gehören erhebliche Unsicherheiten darüber, ob überhaupt eine Kündigung vorliegt, der Vergangenheit an. Dennoch sollte man auch während des Kündigungsschutzprozesses nachgeschobene weitere Kündigungen im Blick haben. Unter Umständen empfiehlt es sich, den Feststellungsantrag so zu formulieren, dass das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, nicht nur die Unwirksamkeit einer bestimmten Kündigung, beantragt wird. Das ist jedenfalls dann der richtige und sicherere Weg, wenn man konkret vortragen kann, dass weitere Kündigungen zu besorgen sind, wie es manchmal im Zusammenhang mit verhaltensbedingten Kündigungen der Fall ist.

2. Außergerichtliche Fristen im Zusammenhang mit Kündigungen

Im Zusammenhang mit Kündigungen hat sowohl der Anwalt des Arbeitnehmers als auch der des Arbeitgebers einige weitere – z. T. fristgebundene – Umstände zu berücksichtigen.

Das Kündigungsverbot gegenüber werdenden oder jungen Müttern gilt nur, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft Kenntnis hat oder ihm dies spätestens zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (§ 9 Abs.1 MuSchG). In der Regel spricht die Arbeitnehmerin nicht sofort nach Zugang der Kündigung beim Anwalt vor. Hat sie den Arbeitgeber noch nicht über eine bestehende Schwangerschaft informiert, kann es auf wenige Tage ankommen.

Ähnlich ist die Situation bei einem Schwerbehinderten, dem gekündigt wird. Weiß der Arbeitgeber noch nichts von der Schwerbehinderteneigenschaft, ist er darauf nach der neuen Rechtsprechung des BAG binnen einer Frist von 3 Wochen hinzuweisen (BAG, NZA 2006, 1035).

Umgekehrt muss der Arbeitgeber-Anwalt, der bereits vor der beabsichtigten Kündigung eingeschaltet wird, darauf hinweisen, dass bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen die Zustimmungen nach § 9 MuSchG bzw. § 85 SGB IX oder auch § 15 KSchG in Verbindung mit § 103 Abs. 1 BetrVG einzuholen sind. Besteht ein Betriebsrat, ist außerdem immer auch an die Anhörung nach § 102 BetrVG zu denken.

Will der Arbeitgeber außerordentlich kündigen, muss er auf die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB hingewiesen werden. Wird der Anwalt erst im Prozess über die außerordentliche Kündigung eingeschaltet, sollte er schon von sich aus prüfen, ob sein Mandant diese Frist eingehalten hat.

Für befristete Arbeitsverträge gilt das TzBfG, das – Regressfälle in diesem Zusammenhang zeugen davon – auch von beratenden Anwälten nicht immer beachtet wird. Werden befristete Arbeitsverhältnisse rückwirkend verlängert, liegt automatisch ein unbefristeter Arbeitsvertrag mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Arbeitgeber vor. Soll ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen oder verlängert werden, ist das also stets vor Vertragsbeginn schriftlich (§ 14 Abs. 4 TzBfG) festzuhalten (z. B. BAG, NZA 2005, 923).

3. Weitere wichtige Fristen

Eine neue Ausschlussfrist, die bereits zu Regressfällen geführt hat, sieht der neue § 63 b ArbGG vor: werden Ansprüche nach dem AGG geltend gemacht, so müssen diese zunächst 2 Monate nach Kenntniserlangung von der Benachteiligung oder nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung schriftlich erhoben werden (§ 15 Abs. 4 AGG, z. B. LAG Düsseldorf – 7 Sa 1119/07) und spätestens 3 Monate nach dieser Geltendmachung eingeklagt werden (§ 63 b ArbGG).

Solche zweistufigen Fristen gelten häufig auch in Tarifverträgen, manchmal sind sie auch im Arbeitsvertrag selbst festgelegt. Deshalb ist es auch in diesem Zusammenhang eminent wichtig, dass sich der Bevollmächtigte Arbeitsverträge vorlegen lässt und nach Tarifverträgen fragt. Selbst wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert oder im Vertrag nicht ausdrücklich auf einen Tarifvertrag hingewiesen wird, kann ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gelten. Die Fristen sind in der Regel kurz, häufig bleiben zwei Monate ab Vertragsbeendigung zur außergerichtlichen und weitere zwei Monate zur gerichtlichen Geltendmachung von Lohn, Urlaubsgeld und sonstigen Gratifikationen.

II. Warnpflichten neben dem eigentlichen Mandatsgegenstand

Die zuletzt genannten Fristen bleiben „gerne“ unbeachtet, während der Kündigungsschutzprozess läuft. Bisweilen einigen sich die Parteien vergleichsweise auf eine betriebsbedingte Kündigung zu einem schon länger zurückliegenden Zeitpunkt. Anschließend fällt dem Arbeitnehmer ein, dass noch (Verzugs-)Lohnansprüche existieren. Können diese dann wegen Fristablaufs nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden, liegt der Vorwurf einer Pflichtverletzung gegenüber dem Anwalt nahe. Der verteidigt sich oft damit, dass er zum Zeitpunkt des Fristablaufs weder das Mandat hatte, rückständigen Lohn einzuklagen, noch überhaupt davon wusste, dass noch derlei Ansprüche offen stehen. In der Regel sind das schwache Argumente. Es mag zwar sein, dass tatsächlich kein Auftrag bestand, in diese Richtung tätig zu werden. Die Rechtsprechung hat allerdings in einigen Fallkonstellationen Warnpflichten neben dem Mandat entwickelt. Läuft der Mandant Gefahr, dass er bestimmte wirtschaftliche Gefahren nicht erkennt, die eng mit dem Mandatsgegenstand verknüpft sind, hat der Anwalt den Mandaten hiervon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Natürlich ist es zunächst einmal Sache des Mandanten, von sich aus solche Umstände anzusprechen und den Auftrag zur Geltendmachung zu erteilen. Hat aber der Anwalt Anhaltspunkte dafür, dass dem Mandanten noch Ansprüche zustehen könnten, die demnächst verfristen, muss er seinerseits nachfragen und ggf. über die Fristen belehren.

Es gibt noch einen weiteren Zusammenhang, in dem solche Warnpflichten neben dem Mandat im Arbeitsrecht eine große Rolle spielen, nämlich der Hinweis auf die Möglichkeit, Insolvenzgeld geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber die Löhne nicht mehr zahlen kann. Erfährt der Anwalt des Arbeitnehmers im Verlaufe des Mandats davon, dass der Arbeitgeber insolvent ist, sollte er seinen Mandanten routinemäßig auf die Möglichkeiten und Fristen hinweisen. Nach § 324 Abs. 3 SGB III hat der Arbeitnehmer lediglich 2 Monate Zeit, den Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Insolvenzereignisses. Durch Fristversäumnisse von anwaltlich vertretenen Arbeitnehmern kommt es häufig dazu, dass Insolvenzgeld letztlich über die Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte zur Auszahlung kommt, weil der Anwalt nicht auf die Ausschlussfrist hingewiesen hat. In § 324 Abs. 3 SGB III ist zwar auch eine Art Wiedereinsetzungsverfahren vorgesehen, die Behörden sind hier allerdings erfahrungsgemäß streng. Das Verschulden seines Anwalts wird dem Arbeitnehmer zugerechnet.

III. Regelungsbedürftige Sachverhalte bei Vertragsauflösung

Dienstverträge mit leitenden Angestellten im Vertrieb oder mit Geschäftsführern enthalten oft nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen, die vorsorglich in die Verträge mit aufgenommen sind. Der Arbeitgeber muss eine Entschädigung zahlen, die mindestens halb so hoch ist wie die zuletzt gezahlten Bezüge (§ 74 Abs. 2 HGB). Der Arbeitgeber hat aber die Möglichkeit, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Dieser Verzicht muss unbedingt vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber wird in diesem Fall nur noch zur Karenzentschädigung auf ein Jahr nach Abgabe der Erklärung verpflichtet, § 75 a HGB. Das wird im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder einvernehmlichen Vertragsauflösung leicht vergessen. Anwälte sollten explizit danach fragen, ob der Arbeitgeber an einer Wettbewerbsbeschränkung Interesse hat oder nicht. Häufig ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Angestellte nach der Vertragsauflösung noch Wettbewerb betreibt. Wird die Nachfrage unterlassen und hätte eine Karenzentschädigung weitgehend vermieden werden können, ist ein entsprechender Schadenersatzanspruch wahrscheinlich.

Wer Arbeitgeber im Zusammenhang mit Vertragsauflösungen vertritt, sollte stets auch § 147 a SGB III, die Erstattungspflicht von Arbeitslosengeld an die Bundesagentur, im Blick behalten.

Regressträchtig sind auch Steuerfragen, die gerade im Zusammenhang mit einer Vertragsbeendigung eine Rolle spielen können. So sollte man bei Abfindungsverhandlungen die Versteuerung entsprechender Beträge mit kalkulieren. Der Freibetrag für Abfindungen nach § 3 Nr. 9 EStG ist seit dem 1.1.2006 weggefallen. Das ist noch nicht allgemein bekannt, so dass der Mandant an dieser Stelle möglicherweise falsch kalkuliert. Eine Steuerbegünstigung kann evtl. über § 24 Nr. 1 a, § 34 I, II EStG erreicht werden. Fühlt sich der beratende Anwalt in diesen Fragen nicht sicher, sollte er rechtzeitig einen Steuerberater zu Rate ziehen bzw. selbiges dem Mandanten empfehlen.

IV. Beweislast im Regressprozess

Nach allgemeinen Beweisgrundsätzen gilt, dass der Anwalt im Regressprozess diejenigen Umstände darlegen und beweisen muss, für die im ursprünglichen Verhältnis der Gegner des Mandanten beweispflichtig gewesen wäre. Geht es also um die Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG, kann für den ehemaligen Mandanten zunächst einmal die Behauptung genügen, der Arbeitgeber habe die Sozialauswahl nicht richtig getroffen. Wenn im Vorprozess, dem Kündigungsschutzprozess, der Arbeitgeber dazu hätte vortragen und Beweis antreten müssen, so obliegt dies jetzt im Haftpflichtprozess dem Anwalt. Dieser kennt natürlich die innerbetrieblichen Vorgänge und Umstände nicht, der Vorprozess war wegen der Fristversäumung entschieden, bevor es überhaupt auf derlei Fragen ankam. In solchen Fällen ist der in Anspruch genommene Anwalt darauf angewiesen, dass er vom Arbeitgeber, evtl. mit dessen Zustimmung über den ehemaligen Prozessbevollmächtigten, genügend Informationen erhält.

Um die Beweislast ging es auch in einer BGH-Entscheidung vom 18.11.1999 (NJW 1999, 730). Im Kündigungsschutzprozess hatte es der Anwalt des Arbeitgebers – Fachanwalt für Arbeitsrecht – unterlassen, den Kleinbetriebseinwand zu erheben, weil er in vorwerfbarer Weise den Sachverhalt hierzu nicht korrekt ermittelte. So wurde im Vorprozess weder geklärt, ob als Betrieb eine GmbH und eine Einzelgesellschaft zusammen maßgeblich gewesen wären, noch ob eine Aushilfskraft mitzuzählen war oder nicht. Für die Umstände, die zu einem Kleinbetrieb geführt hätten, wäre der Arbeitnehmer beweispflichtig gewesen, im Regressprozess also der beklagte Anwalt. Nun kam hier als Besonderheit hinzu, dass der Arbeitnehmer noch Lohnansprüche gegen seinen Arbeitgeber hatte, den Titel wegen zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz und Löschung der Firmen aber nicht erfolgreich vollstrecken konnte. Also pfändete er behauptete Schadenersatzansprüche der schon gar nicht mehr existierenden Arbeitgeberin gegen seinen Anwalt und führte schließlich den Regressprozess als Drittschuldnerklage. Der BGH stellte fest, dass der Kläger dieser Drittschuldnerklage, also der Arbeitnehmer, im Kündigungsschutzprozess eigentlich selbst die Beweislast für die Umstände zu tragen gehabt hätte, die zur Anwendung des KSchG geführt hätten. Dennoch war er jetzt im Regressprozess nicht beweispflichtig. Durch die Pfändung schlüpfte er gleichsam für den Regressprozess in die Rolle des Arbeitgebers, also ehemaligen Mandanten des regresspflichtigen Anwalts, während dieser die prozessuale Rolle des Arbeitnehmers zu übernehmen hatte. Dabei bleibt es konsequenterweise auch dann, wenn Kläger wegen der Pfändung der Regressansprüche zufälligerweise der Arbeitnehmer selbst ist.

V. Schaden

Vor allem dann, wenn es darum geht, ob der Mandant als Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess allein wegen eines Anwaltsfehlers verloren hat, ist der Schaden nur unter Schwierigkeiten zu ermitteln. Abstrakt gesprochen läge er darin, dass der Anspruchsteller seinen Arbeitsplatz verloren hat. Bisweilen wird schlicht die Summe eingeklagt, die nach der Faustformel der Rechtsprechung bzw. jetzt gem. § 10 KSchG als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen wäre. Das mag auch durchaus ein Betrag sein, auf den man sich in außergerichtlichen Verhandlungen einigen könnte. Ein Klageantrag in entsprechender Höhe ist aber nur dann korrekt, wenn in der Begründung die Voraussetzungen des § 9 KSchG dargelegt werden und gleichzeitig vorgetragen wird, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag auch gestellt hätte. Andernfalls kann ein Anspruch auf Abfindung nicht konstruiert werden.

Wie aber soll der Verlust des Arbeitsplatzes bewertet werden? Wer den entgangenen Bruttolohn bis zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages einklagt, liegt ebenso falsch. Gegenzurechnen sind in aller Regel das Arbeitslosengeld, außerdem die ersparten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die Arbeitslosenversicherung. Es käme auch nicht darauf an, welche Steueranteile dem Kläger vom Gehalt abgezogen werden, sondern wie hoch die Steuerdifferenz ohne und mit Schadenersatzzahlung tatsächlich ausfällt. Hinzu kommt oftmals noch der Verlust durch niedrigere Rentenbeitragszahlungen.

Hat der Kläger bei Erhebung der Regressklage noch keinen Arbeitsplatz oder macht er geltend, überhaupt nicht mehr vermittelbar zu sein, genügt er seiner Schadengeringhaltungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB nur, wenn er nachweist, sich nachhaltig und ernsthaft um einen Arbeitsplatz zu bemühen.

Dennoch können diese Fälle zu Regressansprüchen in ungeahnten Höhen führen. Das vertrackte ist, dass dies für den Anwalt schlecht vorhersehbar ist – der Gegenstandswert ist vergleichsweise gering. Wenn die Sache aufkommt, ist es für eine Erhöhung der Versicherungssumme zu spät. Hier können nur Voraussicht, Sensibilität fürs Thema und natürlich möglichst gute Kenntnisse und sorgfältiges Arbeiten helfen.