Nachfolgend ein Beitrag vom 7.4.2016 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 4

Leitsätze

1. § 940a Abs. 2 ZPO ist auf Gewerberaummietverhältnisse nicht analog anzuwenden, wohl aber sind seine Wertungen im Rahmen des § 940 ZPO zu berücksichtigen.
2. Der Vermieter von Gewerberäumen kann einen Dritten regelmäßig im Wege der einstweiligen Verfügung auf Räumung in Anspruch nehmen, wenn – mit Ausnahme der Voraussetzung, dass es sich um ein Wohnraummietverhältnis handeln muss – der Tatbestand des § 940a Abs. 2 ZPO erfüllt ist.

A. Problemstellung

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus und darf regelmäßig nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen. Gerade letztere Voraussetzung ist bei einer Räumungsverfügung besonders problematisch, weil mit der Räumung des Mieters die Hauptsache regelmäßig im untechnischen Sinne erledigt ist. Der Vermieter wird die Räumlichkeiten so schnell wie möglich einem Dritten übergeben, so dass eine Rückgabe an den Mieter regelmäßig ausgeschlossen ist.
Deshalb hat der Gesetzgeber in § 940a ZPO die Hürden für eine Räumungsverfügung in der Wohnraummiete sehr hoch angesetzt. Seit der Mietrechtsänderung von 2013 gibt es aber zwei weitere Ausnahmen in der Wohnraummiete. Seither wird darüber diskutiert, welche Auswirkungen dies auf Gewerberaummietverhältnisse hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das LG Krefeld musste sich mit dieser Frage im Rahmen einer Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO beschäftigen. Im zu entscheidenden Fall hatte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung auf Räumung in Anspruch genommen.
Der Verfügungskläger hatte Räumlichkeiten an eine GmbH zum Betrieb eines Saunaclubs verpachtet. Die GmbH ist, nachdem das Pachtverhältnis beendet war, zur Räumung verurteilt worden. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil wurde auf Erinnerung der Verfügungsbeklagten einstweilig eingestellt, nachdem diese wie fünf andere Bewohnerinnen in Parallelverfahren unter Vorlage eines als Wohnraummietvertrag bezeichneten Mietvertrages geltend gemacht hatte, ab Januar 2015 ein Zimmer in dem Pachtobjekt angemietet zu haben. Daraufhin verlangte der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten die Räumung dieses Zimmers mit der streitigen Behauptung, er habe von dem Mietverhältnis erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsverfahren gegen die GmbH erfahren. Die Parteien stritten über die Frage, ob die Verfügungsbeklagte in den Räumlichkeiten wohnte oder als Prostituierte arbeitete. Das Amtsgericht hatte auf Räumung erkannt.
Das LG Krefeld hat der Beklagten die Kosten gemäß § 91a ZPO auferlegt. Dem Verfügungskläger habe gegen die Beklagte gemäß § 546 Abs. 2 BGB ein Verfügungsanspruch auf Räumung zugestanden. Auch ein Verfügungsgrund sei gegeben gewesen.
Dabei hat das Landgericht offengelassen, ob ein Wohnraummietvertrag bestanden hatte oder ein Gewerberaummietvertrag. Bei einem Wohnraummietvertrag würde sich der Verfügungsgrund unmittelbar aus § 940a Abs. 2 ZPO ergeben.
Qualifiziere man das Vertragsverhältnis als Gewerberaummietverhältnis, sei § 940a Abs. 2 ZPO zwar weder direkt noch analog anwendbar, jedoch sei die Wertung der Vorschrift bei Anwendung der Generalklausel des § 940 ZPO zu berücksichtigen. Die frühere restriktive Rechtsprechung zur Anwendung des § 940 ZPO könne angesichts der Neuregelung in § 940a Abs. 2 ZPO nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Wenn schon bei einem Wohnraummietverhältnis eine Räumungsverfügung unter den Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO zulässig sei, dann müsse dies erst recht bei einem Gewerbeobjekt möglich sein, das zwar auch einer grundrechtlich geschützten Tätigkeit (der Berufsausübung) diene, das aber nicht den höchstpersönlichen Bereich der Lebensführung treffe und das nicht Rückzugsraum für den Mieter und seine Angehörigen sei.
Durch § 940a Abs. 2 ZPO habe der Gesetzgeber hinreichend deutlich gemacht, dass der Besitz eines Dritten für den Vermieter derart nachteilig und eine auf Räumung gerichtete Prozessführung des Vermieters in der Hauptsache derartig erfolgversprechend sei, dass eine endgültige Befriedigung im Wege der Leistungsverfügung ausnahmsweise auch im einstweiligen Rechtsschutz erlaubt sei. Deshalb könne auch bei Gewerberaummietverhältnissen die Erfüllung der Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO als typisierte Bedingung für die Annahme eines Verfügungsgrundes gesehen werden; es liege dann ein wesentlicher Nachteil i.S.v. § 940 ZPO vor. Zwar seien bei § 940 ZPO anders als bei Fällen des § 940a ZPO Fälle denkbar, bei denen der Verfügungsgrund ausnahmsweise nicht vorliege, ein solcher Fall sei hier aber nicht ersichtlich.

C. Kontext der Entscheidung

§ 940a ZPO ist schon, wie die amtliche Überschrift sagt, nicht auf Gewerberaummietverhältnisse direkt anwendbar. Er enthält eigentlich auch Ausnahmen zu § 940 ZPO und soll die Räumung von Wohnraum im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erheblich erschweren. Da der Gesetzgeber in Kenntnis der gleichgelagerten Probleme bei der Gewerberaummiete (BGH, Urt. v. 14.08.2008 – I ZB 39/08 – WuM 2008, 678 = MietPrax-AK § 885 ZPO Nr. 12 m. Anm. Börstinghaus; Mack-Oberth, jurisPR-MietR 12/2009 Anm. 5) nur für die Wohnraummiete eine Regelung geschaffen hat, scheidet auch eine Analogie aus. Zu Recht hat das LG Krefeld aber im Wege eines „erst-recht-Schlusses“ die Wertung der neuen Vorschrift bei der Auslegung des § 940 ZPO herangezogen (LG Hamburg, Urt. v. 27.06.2013 – 334 O 104/13 – NJW 2013, 3666; LG Hamburg, Urt. v. 10.12.2014 – 334 O 251/14 – ZMR 2015, 380; Fleindl, ZMR 2014, 938; Hinz, ZMR 2012, 153 und Hinz, NZM 2012, 777; Neuhaus, ZMR 2013, 686; Fleindl, ZMR 2013, 677; Schmid, Grundeigentum 2014, 224; Klüver, ZMR 2015, 10).
Soweit das LG Krefeld aus tatsächlichen Gründen offengelassen hat, ob es sich bei dem Mietvertrag der GmbH mit den Damen um einen Wohnraum- oder Gewerberaummietvertrag gehandelt hat, fehlen Ausführungen dazu, auf welchen Mietvertrag für die Anwendung des § 940a ZPO abzustellen ist. Das LG Köln (Beschl. v. 12.06.2013 – 1 T 147/13 – NJW 2013, 3589 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 22/2013 Anm. 5) hatte noch entschieden, dass es allein auf das Hauptmietverhältnis ankomme und das war ein Gewerberaummietvertrag. Dafür spricht viel. Am Ergebnis der Entscheidung ändert das aber nichts, da dann der Verfügungsgrund sich aus § 940 ZPO mit der Wertung des § 940a Abs. 2 ZPO ergeben hätte, so wie im zweiten Begründungsstrang dargelegt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt erfreulich deutlich die Auswirkungen der Gesetzesänderung von 2013 auch für Gewerberaummietverhältnisse. Hier ist der Missbrauch sicher genauso groß wie in den sog. Mietnomadenfällen in der Wohnraummiete, nur sind die Schäden noch um ein Vielfaches größer.