Nachfolgend ein Beitrag vom 11.10.2016 von Reinert, jurisPR-FamR 21/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Ein Testamentsvollstrecker ist außerhalb des Anwendungsbereiches des § 2338 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich befugt, Erträge zu thesaurieren. Allerdings sind Nutzungen dann herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des oder der Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden (Erbschaftssteuer) erforderlich ist. Wenn die Einkünfte des Nachlasses dazu ausreichen, hat der Testamentsvollstrecker dem oder den Erben die zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten notwendigen Mittel zu gewähren.
2. Zu den Grenzen der Gleichbehandlung der Erben durch einen Testamentsvollstrecker.

A. Problemstellung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt befasst sich mit der Frage, in welchem Umfang einzelne Erben, hier minderjährige Erben, von einer Testamentsvollstreckerin die Herausgabe von Nutzungen, konkret anteilige Mieterträge aus Immobilienbesitz des Nachlasses, verlangen können.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die beiden minderjährigen Erben begehrten Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Testamentsvollstreckerin betreffend den Nachlass des Erblassers. Die Antragsteller waren die Kinder des Erblassers aus dessen Ehe mit der Kindesmutter. Weitere Erben waren ein volljähriger Sohn des Erblassers und die Kindesmutter der Antragsteller. Die minderjährigen Kinder des Erblassers sind zu je 2/10, der volljährige Sohn zu 3/10 und die Kindesmutter ebenfalls zu 3/10 als Erben eingesetzt worden. Der Erblasser hat Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Testamentsvollstreckerin kehrte an die Kindesmutter und den volljährigen Sohn monatliche Mieterträge aus Immobilienbesitz des Erblassers aus. Die zunächst erfolgte Auszahlung der Mieterträge an die minderjährigen Antragsteller, zu Händen der Kindesmutter, stellte die Testamentsvollstreckerin schließlich ein, weil die Kindesmutter die Beträge für eigene Zwecke verwendete. Die Testamentsvollstreckerin hat die für die minderjährigen Antragsteller entfallenden Beträge auf einem Tagesgeldkonto angelegt. Die Antragsteller begehrten nunmehr für eine beabsichtigte Klage auf Herausgabe der anteiligen Mieterträge an sie, zu Händen der Kindesmutter, Prozesskostenhilfe.
Das LG Gießen hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt. Das OLG Frankfurt hat die sofortige Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss zurückgewiesen, weil die angekündigte Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Ein Anspruch bestehe offensichtlich nicht. Zwar könnten alle oder einzelne Erben von einer Testamentsvollstreckerin verlangen, dass diese ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung erfülle. Danach sei im Grundsatz auch eine Klage auf Vornahme einer bestimmten ordnungsgemäßen Verwaltungshandlung möglich. Eine derartige Pflichtverletzung sei aber nicht darin zu sehen, dass die Testamentsvollstreckerin die auf die minderjährigen Antragsteller fallenden anteiligen Mieterträge auf einem Tagesgeldkonto anlege.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Das OLG Frankfurt legt dar, dass zwar grundsätzlich alle oder einzelne Erben von einer Testamentsvollstreckerin verlangen können, dass diese gemäß § 2216 BGB ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erfüllt. Dies gilt dem Grunde nach unabhängig davon, zu welchem Zweck und auf welche Dauer ihr die Verwaltung des Nachlasses übertragen ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 09.10.1957 – IV ZR 217/57 – BGHZ 25, 275, 280; Reimann in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2216 Rn. 1, 10).
Für das OLG Frankfurt stellte sich im Rahmen der Beschwerdeentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren die Frage, ob die Testamentsvollstreckerin ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses dadurch verletzt hat, indem sie die (weitere) Auszahlung der Mieterträge aus dem Immobilienbesitz des Erblassers an die minderjährigen Antragsteller zu Händen der Kindesmutter beendet und die entsprechenden Beträge auf Tagesgeldkonten angelegt hat. Das Oberlandesgericht hat diese Frage verneint, weil die Testamentsvollstreckerin durch Vorlage von Kontoauszügen belegt habe, die entsprechenden Beträge auf Tagesgeldkonten eingezahlt zu haben. Gemäß § 2209 BGB hat die Testamentsvollstreckerin als Dauertestamentsvollstreckerin den Nachlass in Besitz zu nehmen und diesen auf Dauer ordnungsgemäß zu verwalten. Die Verwaltungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin gemäß § 2205 BGB erstreckt sich auch auf Nutzungen und Erträge aus dem Nachlass (BGH, Urt. v. 04.11.1987 – IVa ZR 118/86 Rn. 16 – FamRZ 1988, 279). Im Rahmen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung entscheidet die Testamentsvollstreckerin nach eigenem Ermessen, insbesondere ob sie das Geld mündelsicher anlegt oder nicht (vgl. Zimmermann in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2013, § 2216 Rn. 8; Heilmann in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 2216 Rn. 3, 8).
Nach § 2005 BGB hat die Testamentsvollstreckerin den Nachlass zu verwalten. Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen, die zur Erhaltung, Sicherung und Nutzung des zu verwaltenden Vermögens erforderlich sind (vgl. J. Mayer in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 2005 Rn. 2). Das Recht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses umfasst das Recht, die Erträge aus dem Nachlass zu thesaurieren, d.h. nicht an die Erben auszukehren, sondern dem Nachlassvermögen zuzuführen (vgl. Reimann in: Staudinger, BGB, § 2216 Rn. 11).
Zutreffend führt das Oberlandesgericht aus, dass hinsichtlich der Frage, wie mit Nutzungen und Erträgnissen zu verfahren ist, es maßgeblich darauf ankomme, welche Anordnungen der Erblasser für die Verwaltung im Rahmen seiner letztwilligen Verfügung getroffen habe (Besprechungsentscheidung Rn. 28 f.; vgl. auch Zimmermann in: MünchKomm BGB, § 2216 Rn. 3). Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung des Nachlasses durch letztwillige Verfügung getroffen hat, sind von der Testamentsvollstreckerin gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB zu befolgen, soweit diese nicht von dem Nachlassgericht gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 2 BGB außer Kraft gesetzt worden sind (vgl. Reimann in: Staudinger, BGB, § 2216 Rn. 3; Zimmermann in: MünchKomm BGB, § 2216 Rn. 15). Das OLG Frankfurt legt dar, dass in Ermangelung konkreter Regelungen im Testament die Verwaltungspflicht der Testamentsvollstreckerin durch die allgemeinen Regeln der Wirtschaftlichkeit bestimmt wird (vgl. ferner BGH, Urt. v. 07.11.1966 – III ZR 48/66 Rn. 2 – WM 1967, 25, 27; Zimmermann in: MünchKomm BGB, § 2216 Rn. 2; Heilmann in: jurisPK-BGB, § 2216 Rn. 5). Die minderjährigen Erben und Antragsteller können die Herausgabe der Nutzungen und Erträgnisse aus den Mieterträgen des vorhandenen Immobilienbesitzes nur verlangen, wenn dies der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entspricht. Das der Testamentsvollstreckerin zustehende Recht darüber zu entscheiden, wie mit den Nutzungen zu verfahren ist, erfährt eine Einschränkung dahingehend, dass den minderjährigen Erben allerdings grundsätzlich ein Anspruch auf Auskehr der Nutzungen zusteht, soweit dies zum Bestreiten des angemessenen Unterhalts erforderlich ist (vgl. J. Mayer in: Bamberger/Roth, BGB, § 2216 Rn. 15; Zimmermann in: MünchKomm BGB, § 2216 Rn. 7).
Das OLG Frankfurt hat zu Recht darauf abgestellt, dass die minderjährigen Antragsteller nicht dargelegt haben, dass sie Erträge aus den Mieteinnahmen des im Nachlass befindlichen Immobilienbesitzes zur Bestreitung ihres Unterhalts benötigen. Zutreffend wird weiter ausgeführt, dass die minderjährigen Erben und Antragsteller nicht deshalb ein Anspruch auf Auszahlung der Mieterträge aus dem Immobilienbesitz des Nachlasses unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes zusteht, weil dem volljährigen Erben und der Kindesmutter weiterhin die Nutzungen aus dem Immobilienbesitz zuteil werden, den minderjährigen Erben jedoch nicht. Zwar wird man annehmen müssen, dass eine Testamentsvollstreckerin grundsätzlich sämtliche Erben in Bezug auf Maßnahmen der Verwaltung gleichbehandeln muss (vgl. so wohl BGH, Urt. v. 09.10.1957 – IV ZR 217/57 – BGHZ 25, 275, 283; OLG Köln, Urt. v. 08.07.2015 – 11 U 135/14 Rn. 60), allerdings nur insoweit, als nicht bereits in der testamentarischen Anordnung des Erblassers eine Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Rechte der Erben vorgenommen worden ist (Rn. 31). Vorliegend ergab sich aus dem Testament der Wille des Erblassers, dass der Immobilienbesitz bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der minderjährigen Antragstellerin und Tochter des Erblassers erhalten bleiben sollte (Rn. 38) und er eine Auseinandersetzung des Nachlasses bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres seines jüngsten Kindes und Volljährigkeit beider minderjährigen Kinder ausgeschlossen hat.
Hinzu kommt, dass die volljährigen Erben hinsichtlich der Erbteile günstiger gestellt waren (volljähriger Sohn und Kindesmutter je 3/10, die beiden minderjährigen Kinder je 2/10) und der Erblasser selbst eine Differenzierung zwischen den Rechten der Erben vorgenommen hat, so dass wesentlich Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln ist. Der Erblasser hat selbst zwischen den Ansprüchen der volljährigen und minderjährigen Erben unterschieden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verfestigt die bisherige Rechtsprechung des BGH, die der Testamentsvollstreckerin einen weiten Handlungsspielraum in Bezug auf die Verwaltung des Nachlasses nebst Nutzungen einräumt, soweit dies dem testamentarischen Willen des Erblassers nicht entgegensteht und zwingende Gründe für die Auskehr von Nutzungen, etwa zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts nicht entgegenstehen. Die Entscheidung verdient Zustimmung.