Nachfolgend ein Beitrag vom 15.8.2017 von Strohal, jurisPR-FamR 16/2017 Anm. 7

Leitsatz

Der Streit über einen Pflichtteilsanspruch kann durch letztwillige Verfügung nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden.

A. Problemstellung

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, inwieweit die Testierfähigkeit des Erblassers durch das Fehlen der materiellen Verfügungsbefugnis beschränkt ist (vgl. auch die Parallelentscheidung des BGH v. 16.03.2017 – I ZB 49/16).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Erblasser hatte durch notarielles Testament die ehegemeinschaftliche Tochter zur Alleinerbin bestimmt und seine Ehefrau mit einem Vermächtnis bedacht. Die Witwe machte daraufhin gegen die Tochter ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Weil der Erblasser testamentarisch bestimmt hatte, dass über alle Streitigkeiten über und aus dem Testament ausschließlich ein Schiedsgericht zu entscheiden habe, und das von der Witwe angerufene staatliche Zivilgericht im zweiten Rechtszug die von der Erbin erhobene Schiedseinrede für durchgreifend erachtete, erhob die Witwe mit dem Ziel der Zuerkennung ihres Pflichtteilsanspruchs Schiedsklage bei dem Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare.
Das Schiedsgericht hat der Witwe (Antragstellerin) deren geltend gemachten Pflichtteilsanspruch auf der Grundlage deren unstreitigen Vorbringens zuerkannt, nachdem sich die Alleinerbin (Antragsgegnerin) aus Kostengründen an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt hatte. Mit ihrem Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, scheiterte die Antragstellerin bei gleichzeitiger Aufhebung des Schiedsspruchs (OLG München, Beschl. v. 25.04.2016 – 34 Sch 13/15). Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, es fehle die Schiedsfähigkeit, weil der gesetzliche Pflichtteilsanspruch nicht durch einseitige Verfügung von Todes wegen dem Schiedsverfahren unterstellt werden könne. Das Schiedsgericht habe aber auch gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen, weil es den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat der BGH als unbegründet zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BGH kann sich die Alleinerbin nicht mit Erfolg auf den Aufhebungsgrund des Fehlens der Schiedsfähigkeit berufen. Zwar fehle die Schiedsfähigkeit, weil dem Erblasser jede Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten durch letztwillige Verfügung verwehrt war, dieser vielmehr mangels Verfügungsmacht nicht berechtigt war, den Pflichtteilsanspruch durch testamentarische Schiedsanordnung ausschließlich einem Schiedsgericht zu unterwerfen. § 1066 BGB begründe keine Verfügungsmacht des Erblassers, Streitigkeiten über den Nachlass einem Schiedsgericht zuzuweisen, sondern setze eine solche Anordnungskompetenz voraus. Eine in einem Testament enthaltene Schiedsklausel entziehe aber dem Betroffenen einseitig den durch staatliche Gerichte gewährleisteten Rechtsschutz und zwinge ihm ein Schiedsgericht auf, wodurch der Erblasser seine Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten bei der Verfolgung und Durchsetzung dessen Anspruchs überschreite. Insoweit sei die Testierfähigkeit des Erblassers durch die gesetzliche Anordnung der grundsätzlichen Unentziehbarkeit des Pflichtteils beschränkt.
Auf das Fehlen der Schiedsfähigkeit könne sich die Antragsgegnerin aber nicht berufen. Nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens könne die Alleinerbin, die vor den ordentlichen Gerichten gegen die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs die Schiedseinrede und im Schiedsverfahren keine Einwände gegen die Durchführung des Schiedsverfahrens erhoben habe, sich nicht im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung auf die Schiedsunfähigkeit des Pflichtteilsanspruchs berufen.

C. Kontext der Entscheidung

§ 1066 ZPO regelt die Möglichkeit außervertraglicher Schiedsklauseln, beispielsweise wie vorliegend durch letztwillige Verfügung. Sie bedingt als Voraussetzung für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften des Schiedsverfahren (§§ 1025 ff. ZPO) die Anordnung des schiedsgerichtlichen Rechtswegs in gesetzlich statthafter Weise.
Die gesetzliche Statthaftigkeit setzt neben der Erfüllung der testamentarischen Formerfordernisse (§§ 2231 ff. BGB) voraus, dass die Anordnung in der Verfügungsmacht des Erblassers liegt. Die Testierfähigkeit des Erblassers ist hier aber durch die gesetzliche grundsätzliche Unentziehbarkeit des Pflichtteils beschränkt.
Dem gleichen Gedankengang folgt der Beschluss des BGH vom 17.05.2017 (IV ZB 25/16), in dem der BGH die materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers für den Fall der Entlassung des Testamentsvollstreckers verneint hat.

D. Auswirkungen für die Praxis

Nicht nur die Beachtung der Form einer letztwilligen Verfügung und das Vorliegen der allgemeinen Testierfähigkeit des Erblassers bedürfen der Prüfung bei Testamentseröffnung. In vorgenannten Fällen der Rechtswegverweisung durch Schiedsklausel ist notwendig zu prüfen, wieweit die materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers reicht.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Der BGH bestätigt die Feststellung der Vorinstanz, dass das Schiedsgericht entgegen § 1048 Abs. 3 ZPO den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt und damit gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO) verstoßen hat. Das Schiedsgericht hätte, nachdem die Antragsgegnerin die Verhandlung vor dem Schiedsgericht versäumt hat, nach den vorliegenden Erkenntnissen unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffs, nicht allein in der Art eines Versäumnisurteils nach dem unstreitigen Vorbringen der Antragstellerin zu entscheiden gehabt.
Wird die Schiedsunfähigkeit bezüglich des Verfahrensgegenstands eines Schiedsspruchs festgestellt, ist der Aufhebungsgrund zu berücksichtigen und führt zur Aufhebung des ergangenen Schiedsspruchs von Amts wegen (§ 1059 Abs. 2 ZPO).