Nachfolgend ein Beitrag vom 28.3.2017 von Arntzen, jurisPR-HaGesR 3/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Der Handelsmakler unterscheidet sich vom Handelsvertreter durch das Fehlen einer ständigen Betrauung durch den Unternehmer. Der wesentliche Unterschied liegt in der mit seiner Pflicht zum Tätigwerden verbundenen Bemühenspflicht des Handelsvertreters um die Vermittlung oder den Geschäftsabschluss. Bei der Abgrenzung sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen; es ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen und dabei sowohl die vertragliche Gestaltung als auch deren tatsächliche Handhabung zu berücksichtigen (Festhalten an Senatsurt. v. 22.12.2011 – I-16 U 133/10).
2. Die aus § 87a Abs. 3 HGB folgende Pflicht des Unternehmers gegenüber einem Versicherungsvertreter zur Nachbearbeitung von stornierungsgefährdeten Verträgen gilt gegenüber dem Versicherungsmakler nicht, auch nicht in analoger Anwendung der Vorschrift (Ablehnung von OLG Hamm, Urt. v. 21.01.1999 – 18 U 109/98).
3. Eine Auslegung des Vertrages, bei der im Rahmen der Interessen der Parteien gemäß § 242 BGB auch zu berücksichtigen ist, wie stark das Vertragsverhältnis in seiner Ausgestaltung an das eines Versicherungsvertreters angenähert ist, kann jedoch eine aus dem Vertrag folgende Pflicht zur Nachbearbeitung ergeben (Anschluss an BGH, Urt. v. 01.12.2010 – VIII ZR 310/09).
4. Die vertragliche Ausgestaltung der Vergütungsregelung des Versicherungsmaklers nach den für Versicherungsvertreter üblichen Regelungen spricht zusammen mit Vertragsklauseln, die die Art und Weise einer Nachbearbeitung von stornierungsgefährdeten Verträgen regeln, grundsätzlich für die Annahme einer vertraglich vereinbarten Nachbearbeitungspflicht des Unternehmers. Die tatsächliche Erteilung von Stornogefahrmitteilungen während der Vertragsdurchführung ist ein Indiz dafür, dass die Parteien von einer vertraglich vereinbarten Nachbearbeitungspflicht ausgegangen sind.

A. Problemstellung

Ein Trend in der Versicherungsbranche geht in den letzten Jahren dahin, den Vertrieb von Versicherungen nicht mehr über Versicherungsvertreter, sondern über Makler abzuwickeln. Ein Grund dafür ist die Markttransparenz: Anders als der Versicherungsvertreter vermittelt der Makler nicht nur die Produkte einer bestimmten Versicherung. Er kann daher für den Kunden aus einer Vielzahl von Angeboten auf dem Markt das passende Produkt auswählen.
In der Praxis nutzen Makler immer wieder die Möglichkeit, über einen Unternehmer, der sich als Maklerpool versteht, die von ihm vermittelten Verträge bei den Versicherungsunternehmen einzureichen. Diese Vorgehensweise beschert dem Makler höhere Provisionen als es ihm bei einer unmittelbaren Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen möglich wäre. Die Pflicht zur (Rück-)Zahlung solcher Provisionen ist indes zunehmend Gegenstand von Gerichtsverfahren. Das Gericht hat regelmäßig zu prüfen, ob der Makler in dieser Konstellation als Handelsvertreter oder Handelsmakler tätig geworden ist.
Bei einem Handelsmaklervertrag entsteht der Provisionsanspruch erst dann, wenn der Versicherungsvertrag zustande kommt und der Versicherungsnehmer Einlösungs- und Folgeprämien zahlt (§ 92 Abs. 4 HGB). Geschieht dies nicht, sind etwaige vom Unternehmer gezahlte Vorschüsse gemäß § 92 Abs. 2, § 87a Abs. 2 HGB zurückzuerstatten (Dörner in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 59 Rn. 25). Ist der Vertrag hingegen als Handelsvertretervertrag ausgestaltet, besteht eine Ausgleichspflicht gemäß § 89b HGB.
So hatte sich auch das OLG Düsseldorf schwerpunktmäßig mit der Abgrenzung zwischen einem Handelsvertretervertrag und einen Handelsmaklervertrag auseinanderzusetzen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das einen Maklerpool betreibt. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen selbstständigen Versicherungsmakler. Die Parteien hatten eine schriftliche Vertriebsvereinbarung (im Folgenden die „Vereinbarung“ genannt) geschlossen. Die Klägerin hatte dem Beklagten im Rahmen dieser Vereinbarung Provisionen gezahlt. Im Folgenden stritten die Parteien über die Rückzahlung dieser Provisionen.
Aufgrund der Vereinbarung war der Beklagte gegen Vergütung tätig, wobei er im eigenen Namen die Produkte und Dienstleistungen der Produktpartner vermittelt hatte, ohne jedoch gegenüber der Klägerin hierzu verpflichtet zu sein. Die Vereinbarung sieht u.a. folgende Regelung vor:
„Der Beklagte ist frei darin, die von ihm vermittelten Verträge in beliebigem Umfang direkt bei den Versicherungen oder über andere Maklerpools einzureichen, insbesondere, wenn ihm die von der Klägerin für das vermittelte Geschäft vorgesehene Provision zu gering erscheint.“
Mehrere von dem Beklagten vermittelten Verträge, für die der Beklagte Provisionszahlungen erhalten hatte, wurden „storniert“, wobei die Klägerin die vom Beklagten im gleichen Abrechnungszeitraum verdienten Provisionen gegengerechnet hatte.
II. Das OLG Düsseldorf hat – wie schon das LG Düsseldorf – den Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB; Ziff. 8.1 der Vereinbarung zur Rückzahlung der Provisionszahlungen verurteilt.
Die Vereinbarung sei als Rahmenvertrag für die Handelsmaklertätigkeit des Beklagten zu qualifizieren. Um diese Entscheidung zu treffen, prüfte das OLG Düsseldorf schwerpunktmäßig, ob der Beklagte als Handelsmakler oder als Handelsvertreter tätig war. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und Literatur ordnet es die Tätigkeit des Beklagten schließlich als Handelsmaklertätigkeit ein.
1. Abgrenzung
Ausgangspunkt der Prüfung war der Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB. Handelsvertreter ist danach, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Beziehe sich die Tätigkeit des Handelsvertreters auf die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen, sei er nach § 92 Abs. 1 HGB Versicherungsvertreter. Gemäß § 92 Abs. 2 HGB ist in der Regel das Handelsvertreterrecht der §§ 84 ff. HGB mit den der Versicherungsbranche Rechnung tragenden Besonderheiten des § 92 Abs. 2 und 3 HGB anzuwenden (Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, § 92 Rn. 1; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 92 Rn. 1; von Hoyningen-Huene in: MünchKomm HGB, 4. Aufl. 2016, § 92 Rn. 1).
Für die Beschreibung des Handelsmaklers greift das OLG Düsseldorf den Wortlaut des § 93 Abs. 1 HGB auf. Handelsmakler ist danach, wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen aufgrund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über Versicherungen übernimmt. Der Handelsmakler unterscheide sich vom Handelsvertreter somit nur durch das Fehlen einer ständigen Betrauung durch einen Unternehmer. Betrauung bedeute Beauftragung im Sinne eines Dienstvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter, aus dem sich für den Vertreter eine Pflicht zum Tätigwerden ergebe (BGH, Urt. v. 22.06.1972 – VII ZR 36/71 – BGHZ 59, 87; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 84 Rn. 41). „Ständig“ meine eine auf Dauer angelegte Bindung, die mehr sei als eine bloß langfristige Geschäftsbeziehung (BGH, Urt. v. 01.04.1992 – IV ZR 154/91 – NJW 1992, 2818, 2819).
2. Einzelfallbetrachtung
Darüber hinaus nimmt das OLG Düsseldorf die Umstände des Einzelfalls genau unter die Lupe. Die Einzelfallbetrachtung ergebe ebenfalls, dass der Beklagte nicht als Handelsvertreter für die Klägerin, sondern als Makler tätig gewesen sei. Maßgeblich sei nicht nur die von den Parteien vorgenommene Einordnung des Vertrages, die gewählte Parteibezeichnung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung. Es sei vielmehr auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen und dabei sowohl die vertragliche Gestaltung als auch deren tatsächliche Handhabung zu berücksichtigen.
Das OLG Düsseldorf knüpft zunächst an der Konstruktion der Vereinbarung an. Wesentlich für die Entscheidung sei, dass die als „Vertriebsvereinbarung“ überschriebene Vereinbarung der Parteien u.a. aus folgenden Gründen nicht als Handelsvertretervertrag, sondern als Maklervertrag ausgestaltet sei: Die Vereinbarung beinhalte nicht den typischen – nach § 86 Abs. 4 HGB nicht verhandelbaren – Pflichtenkatalog eines Handelsvertreters. Dem Handelsvertreter obliege als Verpflichteter eines Dienstleistungsvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter gemäß § 611 BGB und § 675 BGB die Leistung von Diensten in Form einer Geschäftsbesorgung. In diesem Sinne müsse er tätig werden und habe sich dabei nach § 86 Abs. 1 HS. 1 HGB um die Vermittlung des Geschäfts bzw. dessen Abschluss zu bemühen. Eine solche Bemühenspflicht werde dem Beklagten durch die Vereinbarung gerade nicht auferlegt.
Der Beklagte werde in der Vereinbarung zudem weitgehend als „Vermittler“, teilweise aber auch als „Versicherungsmakler“ bezeichnet. Das ihm zugesagte Entgelt werde zwar mit dem im Handelsvertreterrecht verwandten Begriff der „Provision“ (vgl. § 87 ff. HGB) beschrieben, was der herkömmliche Begriff für die Vergütung eines Versicherungsmaklers sei. Der Begriff an sich sei für die Abgrenzung allerdings nicht entscheidend, sondern könne allenfalls einen Hinweis bieten, wie die Vertragsparteien die Vertragsbeziehung verstanden wissen wollten, argumentiert das OLG Düsseldorf.
Die Auslegung der Vereinbarung ergebe außerdem, dass der Beklagte auch nicht der gemäß § 86 Abs. 1 HS. 2 HGB erforderlichen umfassenden Interessenwahrungspflicht unterlegen habe. Der Handelsvertreter habe danach bei seiner Tätigkeit das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. Die Interessenswahrnehmungspflicht sei für den Handelsvertretervertrag wesensbestimmend und zwingend (vgl. BGH, Beschl. v. 25.09.1990 – KVR 2/89 – BGHZ 112, 218 = NJW 1991, 490, 491; BGH, Beschl. v. 15.04.1986 – KVR 3/85 – BGHZ 97, 317, 326). Eine derart umfassende Interessenswahrnehmungspflicht habe die Vereinbarung dem Beklagten indes nicht aufgegeben. Das Oberlandesgericht führt weiter aus, dass dem Handelsvertreter gemäß § 86 Abs. 2 HGB Nachrichts- und Informationspflichten gegenüber dem Unternehmer obliegen würden. Diesbezügliche Regelungen enthalte die Vereinbarung ebenfalls nicht.

C. Kontext der Entscheidung

Mit dem vorliegenden Urteil schließt sich das OLG Düsseldorf seinem Urteil vom 22.12.2011 (16 U 133/10) an. Die Entscheidung besteht – wie auch diejenige aus dem Jahr 2011 – schwerpunktmäßig aus einer schulmäßigen Prüfung der Abgrenzung zwischen einem Handelsvertreter und einem Handelsmakler unter Heranziehung der gängigen Literatur und Rechtsprechung.
Interessant an dem vorliegenden Urteil sind die Argumente des OLG Düsseldorf und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen für die Praxis in Bezug auf die fehlende Tätigkeits- und Bemühenspflicht des Handelsmaklers gemäß den §§ 84 und 86 HGB.
I. Die fehlende Tätigkeits- und Bemühenspflicht des Handelsmaklers
Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal zwischen dem Handelsmakler und dem Handelsvertreter ist die Vertragsbeziehung zum Auftraggeber (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB „ständig damit betraut“). Der Handelsmakler hingegen ist frei von dieser Hauptleistungspflicht (von Hoyningen-Huene in: MünchKomm HGB, § 93 Rn. 55; Reiff in: Langheid/Wandt, MünchKomm VVG, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 59). Der Handelsvertreter wird außerdem dauerhaft für einen Unternehmer tätig in der mit seiner Pflicht zum Tätigwerden verbundenen Bemühenspflicht des Handelsvertreters um die Vermittlung oder den Geschäftsabschluss, § 86 Abs. 1 HS. 1 HGB (vgl. bereits BGH, Urt. v. 26.01.1984 – I ZR 188/81 – VersR 1984, 534; Roth in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, Rn. 1). Die auf den Maklerbegriff anwendbaren versicherungsrechtlichen Begriffsbestimmungen des § 59 Abs. 2 und 3 VVG beinhalten hingegen nicht das Kriterium der Beständigkeit (vgl. Dörner in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 59 Rn. 2).
II. Bewertung
Die Freiheit von der Hauptleistungspflicht des Maklers ist ein wichtiger Aspekt auf dem Versicherungsparkett. Sie fördert die Flexibilität des Handelsmaklers, die Produkte unterschiedlicher Versicherungen zu vergleichen. Mit diesem Wissen kann (und sollte) er als neutraler Mittler zwischen der Versicherung und dem Versicherungsnehmer auftreten. Wäre der Handelsmakler hingegen verpflichtet tätig zu werden, wäre die Neutralität gefährdet, u.a. weil der Handelsmakler bei ausbleibenden Abschlüssen Regressansprüche befürchten müsste. Die vorgeschriebene Unabhängigkeit des Maklers von der Versicherungswirtschaft erleichtert diesem auch, seiner Funktion gerecht zu werden und für die im Wettbewerb benötigte Markttransparenz zu sorgen (vgl. von Hoyningen-Huene in: MünchKomm HGB, § 93 Rn. 55; Dörner in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 153).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das OLG Düsseldorf zeigt bei der Abgrenzung zwischen Handelsmakler und Handelsvertreter einen – insbesondere für die Versicherungsbranche – wichtigen wirtschaftlichen Aspekt auf. Dieser betrifft die Marktübersicht, den Wettbewerb und die Funktion des Maklers: Während der Handelsvertreter verpflichtet ist, sich um die Vermittlung oder den Geschäftsabschluss zu bemühen, darf der Handelsmakler schon aufgrund des Vertrags nicht dazu verpflichtet sein, sich darum zu bemühen, Verträge für den Unternehmer zu vermitteln oder abzuschließen. Er ist vielmehr unabhängig und frei in seiner Entscheidung.
Ein Unternehmer, der einen Vertriebsvertrag mit einem Handelsmakler schließt, geht ein Risiko ein. Er ist der wirtschaftlichen Gefahr ausgesetzt, dass der Handelsmakler möglicherweise nicht für ihn tätig wird, sondern Verträge für einen Dritten vermittelt. Der Wettbewerb trifft den Unternehmer dadurch schon eine Geschäftsbeziehung früher als üblich – und zwar bei der Vermittlung und nicht erst beim Kunden.
Wie die vorliegende Entscheidung einmal mehr zeigt, sollte die Vertriebsvereinbarung dennoch nicht als Handelsvertretervertrag ausgestaltet werden. In der hier beschriebenen Konstellation ist davon auszugehen, dass eine umfassende Auslegung das Bestehen eines Handelsmaklervertrags ergibt und bereits (zu Unrecht) geleistete Provisionen zurückgezahlt werden müssen.