Nachfolgend ein Beitrag vom 13.4.2018 von Ernst, jurisPR-ITR 7/2018 Anm. 2
Orientierungssätze
1. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB ist der Unternehmer nach § 312d Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Verbraucher Informationen u.a. über die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss, zur Verfügung zu stellen. Abweichend vom Wortlaut kann der Unternehmer auch einen Lieferzeitraum angeben, wenn er sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen will.
2. Eine Gestaltung eines Internetangebots, die als Angabe zum Liefertermin einzig den Hinweis „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“ enthält, genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nicht.
A. Problemstellung
Vorliegend geht es um die Frage, welche Angaben beim Onlinekauf zur Lieferfrist zu machen sind.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende Verbraucherverband nimmt (gestützt auf UWG und UKlaG) vorliegend erfolgreich einen Online-Händler in Anspruch, der in seinem Online-Shop den angesprochenen Verbrauchern keinen Liefertermin nannte, die mögliche Belieferung ausschließlich wie folgt beschrieb: „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“
Das LG München I hat nach einer kurzen formalen Prüfung des Klageantrags die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Abmahnkosten auf Grundlage der §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 312d BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB geprüft und bejaht.
Nach Auffassung des Landgerichts verstößt das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB. Nach § 312d BGB sei der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EGBGB sei er demnach verpflichtet, dem Verbraucher Informationen u.a. über die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen müsse, zur Verfügung zu stellen.
Durch die geforderten Informationen solle der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine informierte und seinen Interessen gerechte Entscheidung im Hinblick auf den Vertragsschluss zu treffen. Die geforderten Angaben zu den Liefer- und Leistungsbedingungen müssten alle diesbezüglichen Informationen enthalten, die die Entscheidung eines durchschnittlichen und vernünftigen Verbrauchers über den Vertragsschluss beeinflussen könnten. Hierzu zähle insbesondere der (späteste) Liefertermin. Abweichend vom Wortlaut könne der Unternehmer zwar auch einen Lieferzeitraum angeben, wenn er sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen wolle. Die vom Beklagten verwendete Angebotsgestaltung, die als Angabe zum Liefertermin einzig den Hinweis „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“ enthalte, genüge diesen gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht. Der Verbraucher könne den (spätesten) Liefertermin gerade nicht bestimmen, sondern es bleibe völlig offen, ob der – bereits verbindlich bestellte – Artikel in Tagen, Wochen oder Monaten verfügbar sein und von der Beklagten ausgeliefert werden wird. Denn die Angabe „bald“ werde zwar vom maßgeblichen Verkehr im Sinne von „innerhalb kurzer Zeit“ verstanden; sie sei aber nicht gleichzusetzen mit einem bestimmten oder zumindest bestimmbaren (spätesten) Liefertermin.
Insbesondere sei der Unternehmer auch verpflichtet, in Fällen vorübergehend fehlender Verfügbarkeit seinen weiteren Informationspflichten nach dieser Norm nachzukommen und einen ggf. großzügig hinausgeschobenen (spätesten) Liefertermin anzugeben. Anderenfalls würde man das Risiko der Lieferverzögerung in Fällen (nur vorübergehend) fehlender Warenverfügbarkeit alleine dem (u.U. sogar vorleistungspflichtigen, jedenfalls aber bereits vertraglich gebundenen) Verbraucher aufbürden, ohne diesem die Möglichkeit der Geltendmachung etwaiger Verzugsfolgen zu belassen, was mit dem von der Verbraucherrechte-RL intendierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus unvereinbar sei.
Da es sich bei den Informationspflichten der § 312d BGB, Art. 246a EGBGB um Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher handele, deren Verletzung zudem die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen geeignet sei, war der Klage stattzugeben.
C. Kontext der Entscheidung
Der Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, in der Praxis sei es geradezu üblich, dass in Onlineshops Produkte bestellt werden könnten, die am Bestelltag nicht vorrätig und deren Liefertermin ungewiss sei. Selbst wenn Artikel ausverkauft seien und der Zeitpunkt des Eintreffens der neuen Lieferung beim Händler ungewiss sei, könne der Verbraucher regelmäßig einen solchen Artikel bestellen. Würde man der Ansicht des Klägers folgen, dürften Onlinehändler nicht vorrätige Waren mit ungewissem Lieferdatum überhaupt nicht anbieten. Auch Neuerscheinungen könnten nicht angeboten werden und bei besonders begehrten Produkten sei die Möglichkeit, ein Produkt ohne Angabe der Lieferzeit bestellen zu können, sogar ein Vorteil für die Verbraucher. Diese Sicht überzeugt das LG München I folgerichtig nicht.
Zugegeben: Für die Anbieter ist es nicht immer leicht, denn die Angabe von Lieferzeiten stellt Online-Händler zuweilen vor besondere Herausforderungen. Dies liegt auch daran, dass eine Reihe von Anbietern in der Tat über gar kein Lager verfügt, sondern auf jede Bestellung eines Endkunden mit einer Beauftragung ihres eigenen Lieferanten reagiert. Dies kann schon dann zu erheblichen Problemen führen, wenn der eigene Lieferant diese Waren nicht (mehr) an den Anbieter ausliefert, denn das Angebot von Ware, die man – z.B. mangels Dienstleister – nicht liefern kann, mag bereits für sich durchaus als wettbewerbswidrig zu bewerten sein.
Zu den Informationspflichten im Fernabsatz gehören gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB die Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Lieferung oder Erfüllung, zu denen auch und gerade die Angabe der Lieferzeit gehört. Wird auf keine Lieferzeit hingewiesen, geht der Verbraucher davon aus, dass die Ware unverzüglich versandt werden kann (BGH, Urt. v. 07.04.2005 – I ZR 314/02). Die Problematik, dass selbst ein bestückter Händler Schwierigkeiten haben kann, genau und zuverlässig alle Lieferzeiten im Vorhinein und auf Dauer – Internetshops sind schließlich nicht unbedingt immer als tagesaktuelle Angebote zu verstehen – anzugeben, muss hier nicht diskutiert werden (dazu vgl. etwa OLG Bremen, Beschl. v. 08.09.2009 – 2 W 55/09 – MMR 2010, 26 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.07.2011 – 6 W 55/11 – BB 2011, 2626: die Formulierung „in der Regel“ ist unzureichend; vgl. auch LG Hamburg, Beschl. v. 12.11.2008 – 312 O 733/08 – MMR 2009, 871; wirksam sollen hingegen Klauseln sein, die Lieferfristen unter circa-Angaben enthalten, eine Differenzierung, die zugegebenermaßen wenig überzeugt; vgl. Ott, VuR 2013, 140; Becker in: Bamberger/Roth, BGB, § 308 Nr. 1 Rn. 28; jeweils m.w.N.). Wenn ein Unternehmer Kenntnis hat, dass die Lieferung innerhalb der genannten Frist gefährdet sein könnte, muss er hierauf bei der Lieferfristangabe hinweisen (LG Lüneburg, Urt. v. 21.01.2016 – 7 O 88/15 – WRP 2016, 912).
Vorliegend wurde aber für Ware geworben, die definitiv derzeit nicht einmal versandfertig war. Auch dies wäre kein Problem, würde der potenzielle Kunde hierauf hinreichend deutlich und angemessen hingewiesen. Derartiges ist klar unzulässig und verstößt sogar gegen das Verbot von Lockangeboten in Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (OLG Hamm, Urt. v. 11.08.2015 – 4 U 69/15 – MMR 2016, 320). Nicht genügend ist dabei eine Klausel, „sobald wie möglich“ zu liefern (Becker in: Bamberger/Roth, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 27), es sei denn, es wird klar und deutlich gesagt, dass das Produkt derzeit nicht vorhanden und eine Belieferung tatsächlich nicht absehbar ist. Selbst dann darf der Anbieter nicht den Eindruck erwecken, eine Belieferung seines Lagers stünde kurz bevor, wenn er nicht die geringste Kenntnis vom wahren Lieferzeitpunkt hat. Aus diesem Grunde ist auch die „Lieferzeit auf Nachfrage“ als wettbewerbswidrige Irreführung zu qualifizieren, weil sie den Eindruck erweckt, der Anbieter könnte diese tatsächlich angeben (OLG Hamm, Urt. v. 17.03.2009 – 4 U 167/08 – MMR 2009, 555).
Es ist für einen Anbieter grundsätzlich kein Problem, klar zu sagen, dass er bestimmte Waren nicht vorrätig hat und eine Belieferung unklar ist. Dies mag er auch tun. Das Urteil passt sich insofern ein.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Versuch des „bait and switch“ – die Werbung mit einem nicht vorrätigen Produkt und der Möglichkeit, auf ein anderes zu wechseln – ist nicht selten im Internethandel. Dabei kommt es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob dieses gar teurer ist (ohnehin unlauteres Lockvogelangebot) oder nicht. Oftmals wird bei der Suchmaschinen-Suche nach einem konkreten Modell oder Markenprodukt eine Vielzahl von Webshops angegeben, die dieses gar nicht führen, sondern allein (vermeintlich) ähnliche Waren anbieten. Schon dieses Verhalten ist bedenklich. Wenn aber ein Shop ein bestimmtes Produkt in seinem Katalog führt, es aber tatsächlich (und sei es nur zeitweise) nicht liefern kann, muss er dies klar, deutlich und eindeutig sagen. Selbst wenn er es gerne verkaufen würde. Das gilt auch dann, wenn ein Produkt noch nicht auf dem Markt ist.
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