Nachfolgend ein Beitrag vom 7.4.2016 von Gies, jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 1

Orientierungssatz

In Bezug auf die Mietwohnung obliegt dem Mieter eine Schutz- und Fürsorgepflicht, die auch in der Pflicht zu einem positiven Tun in Form von Reinigungsarbeiten bestehen kann.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Tenor eines klagezusprechenden Urteils muss grundsätzlich so bestimmt gefasst sein, dass daraus eine Zwangsvollstreckung möglich ist, ohne den Streit der Parteien aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern.

A. Problemstellung

Das AG Frankfurt hatte sich mit der Frage zu befassen, ob den Wohnungsmieter Verpflichtungen zur Reinigung von Wandfliesen und Waschbecken treffen, nachdem der Mieter jahrelang auf Reinigungen dieser Bereiche verzichtet hatte mit der Folge, dass für die Zukunft bei weiterem Absehen von Reinigungsmaßnahmen ein Substanzschaden an Fliesen und Waschbecken entstehen wird.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte Mieter einer Wohnung. Der Beklagte hat jahrelang auf Reinigungsmaßnahmen im Bad verzichtet mit der Folge, dass sich auf den Wandfliesen und dem Waschbecken eine Schmutzschicht gebildet hat, die ein derartiges Ausmaß erreicht hat, dass bei noch längerem Zuwarten mit Reinigungsarbeiten eine Substanzschädigung an der Oberfläche des Waschbeckens und der Fliesen entstehen wird.
Die Klägerin hat den Beklagten aufgefordert, notwendige Reinigungsarbeiten auszuführen, was dieser zurückgewiesen hat. Er hat behauptet, der Zustand des Waschbeckens sei auf Säureeinwirkung durch einen Handwerker zurückzuführen, und hat die Auffassung vertreten, nach 15 Jahren müssten Fliesen und Waschbecken ohnehin ausgetauscht werden.
Das AG Frankfurt hat der Klage auf Durchführung von Reinigungsarbeiten stattgegeben: Es hat den Beklagte verurteilt, das im Bad der Wohnung … befindliche Waschbecken und die dort befindlichen Wandfliesen mittels Durchführung von Reinigungsarbeiten in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen.
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Reinigung des im Bad befindlichen Waschbeckens und der Wandfliesen zu. Der Mieter müsse mit der Mietsache schonend umgehen und sie pfleglich behandeln; auch sei alles zu unterlassen, was zu einem Schaden der Mietsache führen könnte. Die Obhutspflicht verlange auch positives Tun des Mieters zur Schadensvermeidung und -abwendung.
Die Behauptung des Beklagten, der Zustand des Waschbeckens sei auf Säureeinwirkung durch einen Handwerker zurückzuführen, sei seitens der Klägerin bestritten worden. Der Beklagte habe keinen Beweis angeboten, so dass seine Rechtsverteidigung ohne Erfolg geblieben sei. Die Ansicht des Beklagten, Waschbecken und Wandfliesen müssten nach 15 Jahren ausgetauscht werden, sei aufgrund eigener Sachkunde des Gerichts zurückzuweisen.
Der Streitwert für das Verfahren ist auf 300 Euro festgesetzt worden.

C. Kontext der Entscheidung

Das vorliegende Urteil des AG Frankfurt ist nicht in allen Punkten problemfrei.
Das Amtsgericht hat eine Anspruchsgrundlage nicht ausdrücklich genannt und sich allein auf die Obhutspflicht des Mieters berufen. Zu denken gewesen wäre an § 541 BGB, demzufolge der Vermieter auf Unterlassung klagen kann, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fortsetzt. Angesichts des unstreitigen Zustandes des Bades steht zwar fest, dass ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache vorliegt. Aber die Rechtsfolge des § 541 BGB passt nicht zu dem klägerischen Begehren. Denn die Klägerin strebt hier ein positives Handeln des Mieters an, nicht aber eine Unterlassung etwa weiterer Störungen des Mietverhältnisses.
Vor der Schuldrechtsreform des Jahres 2001 hätte in der unterlassenen Reinigung des Bades eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem Mietverhältnis durch den Mieter gesehen werden können, was unter dem Gesichtspunkt einer sog. positiven Vertragsverletzung zu einer Schadensersatzverpflichtung des Mieters hätte führen können. Über den Weg einer Naturalrestitution wäre der Mieter verpflichtet gewesen, den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde. Somit hätte sich zulasten des Mieters eine Verpflichtung zur Vornahme geeigneter Reinigungsarbeiten ergeben. Dass der Beklagte ohne Verschulden die Vernachlässigung des Mietobjekts herbeigeführt hat, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Nach der Schuldrechtsmodernisierung besteht ein anderer Weg, die Reinigungsverpflichtung des Mieters zu begründen.
Im Gegensatz zu den Instandhaltungs- und Gewährleistungspflichten des Vermieters sind die Pflichten des Mieters im Umgang mit der Mietsache gesetzlich nicht geregelt. Negativ ist in § 538 BGB ausgeführt, dass der Mieter Verschlechterungen der Mietsache, die durch vertragsgemäßen Gebrauch entstehen, nicht zu vertreten hat. Etwas anderes gilt, wenn der Mieter die Verschlechterungen aber zu vertreten hat. Zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters gehört die Einhaltung der Obhutspflicht, aus der heraus die Verpflichtung abgeleitet werden kann, Schäden von der Mietsache seitens des Mieters abzuwenden. Eine Schutzpflicht ergibt sich namentlich aus § 241 Abs. 2 BGB. Sie umfasst nicht nur das Unterlassen einer sorgfaltswidrigen Beschädigung des Mietobjekts oder seiner Teile, sondern in zumutbaren Grenzen auch ein positives Tun zur Schadensabwendung im Einflussbereich des Mieters, z.B. Schließen der Fenster bei Regen, Beaufsichtigung einer laufenden Waschmaschine, Reinigung der Mieträume oder einfache Frostschutzmaßnahmen in Form mäßiger Beheizung leerstehender Räume (Kraemer in: FS Blank, 2006, S. 282 ). Über § 241 Abs. 2 BGB gilt der Rechtsgrundsatz, das Verhalten so einzurichten, dass Rechtsgüter des Vertragspartners nicht verletzt werden (Grüneberg in: Palandt, BGB, § 241 Rn. 7).
Im vorliegenden Fall steht daher der Klägerin als Vermieterin ein Anspruch zu, vom Beklagten mit Erfolg Reinigungsarbeiten hinsichtlich des Waschbeckens und der Wandfliesen verlangen zu können. Die Klägerin braucht nicht den Zeitpunkt abzuwarten, bis ein Schaden tatsächlich eingetreten ist. Aus der Verletzung der Schutzpflicht durch den Beklagten ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Vornahme der Reinigungsarbeiten.
Problematisch ist indessen die Tenorierung des Urteils. Die Verurteilung des Beklagten geht dahin, die Wandfliesen und das Waschbecken in einen „ordnungsgemäßen Zustand“ zu versetzen. Was allerdings unter dem Begriff „ordnungsgemäßer Zustand“ zu verstehen ist, erschließt sich nicht. Die Klage ist auf Beseitigung eines Mangels gerichtet, den der Mieter herbeigeführt hat. Zur Bestimmtheit des Klageantrages wie auch des Urteilstenors ist eine genaue Bezeichnung des angestrebten Erfolges notwendig, um regelmäßig dem Schuldner die Auswahl der geeigneten Mittel zur Erreichung dieses Erfolges zu überlassen. Demgemäß muss der auf Vornahme einer Handlung gerichtete Urteilstenor Art und Umfang des angestrebten Erfolges konkret bezeichnen. Auf diese Weise wird eine solide Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen; insbesondere soll eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil nicht eine Fortsetzung des Streites der Parteien im Vollstreckungsverfahren zur Folge haben (so z.B. BGH, Urt. v. 14.12.1998 – II ZR 330/97 – NJW 1999, 954 ). Insoweit bestehen im vorliegenden Fall gegen den Urteilstenor aus dem Gesichtspunkt einer ausreichenden Bestimmtheit der Tenorierung grundlegende Bedenken. Besser wäre gewesen, die Urteilsformel dahingehend zu fassen, alle auf den Wandfliesen und dem Waschbecken sichtbaren Beschmutzungen und Ablagerungen, bestehend aus Staub, Dreck und Verschmierungen einschränkungslos zu beseitigen. Sollte die Klägerin schriftsätzlich nicht einen entsprechenden Antrag formuliert haben, hätte sich ein gerichtlicher Hinweis auf der Basis des § 139 ZPO angeboten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Auswirkungen auf die Praxis werden durch das vorliegende Urteil überschaubar bleiben. Deutlich wird, dass auch in scheinbar einfach gelagerten Fällen Fußangeln verborgen sind. Hier war die Anspruchsgrundlage mindesten problematisch, während der Urteilstenor missglückt ist. Was unter „ordnungsgemäßem Zustand“ zu verstehen ist, wird möglicherweise im Vollstreckungsverfahren geklärt werden, wenn denn überhaupt. Da der Streitwert auf lediglich 300 Euro festgesetzt worden ist, was möglicherweise der Höhe der Aufwendungen für eine Reinigung des Waschbeckens und der Fliesen entsprechen mag, mithin eine Berufungsmöglichkeit ausgeschlossen ist, dürfte das Vollstreckungsverfahren interessant werden.