BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14 –, juris

Leitsatz

1. Für die Frage, ob ein von § 213 Alt. 1 BGB erfasster Fall elektiver Konkurrenz mehrerer Ansprüche vorliegt, ist allein maßgeblich, dass das Gesetz dem Gläubiger generell mehrere, einander ausschließende Ansprüche zur Auswahl stellt. Daher werden von der dort angeordneten Erstreckung der Wirkung verjährungshemmender oder den Neubeginn der Verjährung auslösender Maßnahmen sämtliche in § 437 BGB aufgeführten kaufrechtlichen Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte erfasst, die auf demselben Mangel beruhen (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009, XI ZR 181/08, NJW 2010, 1284 Rn. 49).
2. Die in § 213 Alt. 1 BGB angeordnete Wirkungserstreckung gilt auch dann, wenn die wahlweise bestehenden Ansprüche in ihrem Umfang über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinausgehen (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 10. Januar 1972, VII ZR 132/70, BGHZ 58, 30, 39; und BGH, Urteil vom 18. März 1976, VII ZR 35/75, BGHZ 66, 142, 147).

Anmerkung:

Der zugrundeliegende Sachverhalt wird in dem Tatbestand des Urteils wie folgt geschildert: Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 6. Januar 2007 kaufte die Klägerin als Privatperson von der Beklagten den Wallach „Calvido“ zu einem Preis von 40.000 € und gegen Übereignung des mit einem Wert von 8.000 € angesetzten Pferdes „Little Foot“. Nach § 2 des Kaufvertrags ist hinsichtlich der gesundheitlichen Beschaffenheit des Wallachs der Gesundheitszustand vereinbart worden, der sich aus der Untersuchung durch den Tierarzt Dr. K.     ergibt. Dieser hatte das Pferd am 2. Januar 2007 einer „Ankaufs-/Verkaufsuntersuchung“ unterzogen und keine Auffälligkeiten bei den verschiedenen Gangarten festgestellt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Juni 2007 ließ die Klägerin unter Hinweis darauf, dass das Pferd  an einer Hufrollenerkrankung leide und chronisch lahm sei, den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. An diesem Begehren hielt sie jedoch nicht fest, sondern verlangte mit Anwaltsschreiben vom 15. Januar 2008 die Minderung des Kaufpreises in Höhe von 15.000 €. Mit ihrer am 15. September 2008 beim Landgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten auf Zahlung eines Minderungsbetrags von 15.000 € nebst Zinsen und auf Erstattung außergerichtlichen Anwaltskosten begehrt. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass es sich bei der Rücktrittserklärung um ein Gestaltungsrecht handele, weswegen im Falle seiner berechtigter Ausübung der Übergang auf eine Minderung ausgeschlossen sei, hat sie die Klage mit am 19. Februar 2013 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz geändert. Sie hat die Beklagte nun – gestützt auf den am 21. Juni 2007 erklärten Rücktritt – auf Rückzahlung von 48.000 € nebst Zinsen (gezahlter Kaufpreis zuzüglich Wert des Pferdes „Little Foot“) Zug um Zug gegen Herausgabe des Pferdes „Calvido“, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für künftig entstehende notwendige Aufwendungen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme des auf das Pferd „Little Foot“ entfallenden Betrags von 8.000 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die zuletzt geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Revision hatte Erfolg, da die rechtliche Beurteilung des Oberlandesgerichts rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht standgehalten hat. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin zuletzt geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Herausgabe des gekauften Pferdes (§ 437 Nr. 2, §§ 346 ff. BGB), und auf Ersatz künftig getätigter notwendiger Verwendungen (§ 437 Nr. 2, § 347 BGB) rechtsfehlerhaft als verjährt angesehen und dementsprechend die Klage (einschließlich des auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichteten weiteren Antrags) zu Unrecht als unbegründet abgewiesen.