OLG Stuttgart, Pressemitteilung vom 10.07.2017

Kurzbeschreibung:

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verhandelt am

Montag, 17. Juli 2017, 13:30 Uhr
im Saal 2.10 des Oberlandesgerichts
(Eingang Archivstr. 15A/B, 70182 Stuttgart)

unter dem Vorsitz von Hans-Joachim Rast über die Verwertbarkeit von Videoaufnahmen in einem Zivilprozess, die ein Unfallbeteiligter aus seinem Fahrzeug mit einer sog. „Dashcam“ – einer auf dem Armaturenbrett angebrachten Videokamera – gefertigt hat.

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich im Jahr 2016 in einer Ortsdurchfahrt ereignet hat. Er macht Reparaturkosten von rund 8.800 €, Sachverständigenkosten von rund 1.100 €, Mietwagenkosten für 13 Tage von rund 1.200 € und eine Unkostenpauschale geltend. Beklagt sind die Fahrerin, der Halter und die Haftpflichtversicherung des anderen Fahrzeugs, das an dem Unfall beteiligt war. Die beklagte Haftpflichtversicherung hat außergerichtlich einen Betrag von rund 5.300 € bezahlt. Eingeklagt ist der Restbetrag von rund 5.900 €.

Das Landgericht Rottweil hat die Klage in erster Instanz durch Urteil vom 30. Januar 2017 abgewiesen. Es hat die Verursachungsbeiträge des Klägers mit 75 % und der Beklagten mit 25 % bewertet und ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gekommen, dass die Forderung des Klägers durch die außergerichtliche Zahlung der beklagten Haftpflichtversicherung bereits mehr als erfüllt sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.

Zum Unfallverlauf hat das Landgericht festgestellt, dass in der Ortsdurchfahrt auf der Straßenseite des Klägers am Fahrbahnrand in lockerer Folge Fahrzeuge geparkt gewesen seien. Der Kläger sei an den parkenden Fahrzeugen nahezu vollständig auf der Gegenfahrbahn vorbei gefahren; die beklagte Fahrerin sei ihm entgegen gekommen. Knapp 23 m hinter dem ersten abgestellten Fahrzeug sei es zur Kollision der beiden beteiligten Fahrzeuge gekommen. Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere, mit welchen Geschwindigkeiten die jeweiligen Fahrzeuge in die Engstelle einfuhren und später kollidierten, ab wann das jeweils entgegenkommende Fahrzeug erkennbar war, ob der Kläger zwischen den geparkten Fahrzeugen hätte einscheren können und ob die beklagte Fahrerin das Rechtsfahrgebot eingehalten hat.

Dem Urteil des Landgerichts ist zu entnehmen, dass der gerichtliche Sachverständige insbesondere die Einfahr- und Kollisionsgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge nicht ohne Rückgriff auf die „Dashcam“-Aufnahmen feststellen konnte. Das Landgericht ist jedoch zu der Auffassung gelangt, dass anlasslose „Dashcam“-Aufzeichnungen wegen eines Verstoßes gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der anderen Verkehrsbeteiligten nicht als Beweismittel im Zivilprozess zuzulassen seien. Die „Dashcam“ auf dem Armaturenbrett des klägerischen Fahrzeugs zeichne im Dauerbetrieb auf. Die Speicherkarte werde „im Umlauf“ wieder neu beschrieben, so dass es zur Löschung älterer Aufnahmen komme. Diese könnten jedoch heruntergeladen werden und seien dann (z.B. in einem Cloud-Dienst) gespeichert.

Im Jahr 2016 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart über die Verwertbarkeit von „Dashcam“-Aufnahmen zur Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten entschieden (vgl. Pressemitteilung vom 18. Mai 2016).

 

Aktenzeichen

10 U 41/17 – Oberlandesgericht Stuttgart

1 O 104/16 – Landgericht Rottweil