Nachfolgend ein Beitrag vom 1.9.2017 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 17/2017 Anm. 1

Leitsätze

1. Die Mietsache wird dem Vermieter dann i.S.d. § 546a Abs. 1 BGB nach Beendigung des Mietverhältnisses vorenthalten, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht (Anschluss an BGH, Urt. v. 05.10.2005 – VIII ZR 57/05 Rn. 6 – NZM 2006, 52; BGH, Urt. v. 16.11.2005 – VIII ZR 218/04 Rn. 12 – NZM 2006, 12, und BGH, Urt. v. 29.01.2015 – IX ZR 279/13 Rn. 81 – BGHZ 204, 83: jeweils m.w.N.; st. Rspr.).
2. An einem Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es etwa, wenn er – trotz Kündigung des Mieters – von einem Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht (Anschluss an BGH, Urt. v. 02.11.2005 – XII ZR 233/03 Rn. 25 – NJW 2006, 140; BGH, Urt. v. 16.11.2005 – VIII ZR 218/04, und BGH, Urt. v. 13.03.2013 – XII ZR 34/12 Rn. 23 – NJW 2013, 3232: jeweils m.w.N.).
3. Fehlt es an einem Rückerlangungswillen des Vermieters, steht diesem ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB grundsätzlich auch dann nicht zu, wenn der Mieter zur Rückgabe der Mietsache außerstande ist und die subjektive Unmöglichkeit durch ihn selbst verursacht wurde (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile v. 22.03.1960 – VIII ZR 177/59 – NJW 1960, 909 unter II b, und v. 15.02.1984 – VIII ZR 213/82 – BGHZ 90, 145, 148 f. [jeweils zu § 557 BGB a.F.]).
4. Zum Anspruch des Vermieters gegen den Mieter, der die Mietsache über die vereinbarte Laufzeit hinaus nutzt, auf Herausgabe des tatsächlich gezogenen Nutzungswerts wegen ungerechtfertigter Bereicherung (Anschluss an BGH, Urt. v. 21.12.1988 – VIII ZR 277/87 – NJW 1989, 2133, unter III 3; BGH, Urt. v. 15.12.1999 – XII ZR 154/97 – NZM 2000, 183, unter 4, und BGH, Urt. v. 29.01.2015 – IX ZR 279/13 Rn. 84).
5. Ein bereicherungsrechtlicher Nutzungsersatzanspruch des Vermieters wird weder durch § 546a BGB ausgeschlossen noch durch die §§ 987 ff. BGB verdrängt (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile v. 10.11.1965 – VIII ZR 12/64 – BGHZ 44, 241, 242 ff. [zu § 557 BGB a.F.]; v. 28.06.1967 – VIII ZR 59/65 – NJW 1968, 197, unter 3 [zu § 597 BGB a.F.]; v. 21.02.1973 – VIII ZR 44/71 Rn. 58 f. [zu § 557 BGB a.F.] und v. 21.12.1988 – VIII ZR 277/87, unter III 3 a [zu § 597 BGB a.F.]).

A. Problemstellung

Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist. Neben der unterlassenen Rückgabe der Mietsache und der Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses ist das Tatbestandsmerkmal der „Vorenthaltung“ die wichtigste Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung.
Sowohl mit diesem Tatbestandsmerkmal wie auch mit der Frage, wann der Mieter bei fehlender Rückgabe der Mietsache bereichert ist, beschäftigt sich die vorliegende Entscheidung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im konkreten Fall mietete der beklagte Mieter eine Dreizimmerwohnung. Einige Jahre später zog der Mieter aus der Wohnung aus und überließ diese nebst sämtlichen Schlüsseln seiner damaligen Ehefrau, mit der er die Wohnung bis dahin gemeinsam bewohnt hatte und von der er sich in der Folgezeit scheiden ließ. Etwa vier Jahre zahlte der Beklagte jedoch weiterhin die monatliche Miete von 999,03 Euro an die Klägerin. Im Mai 2014 kündigte er den Mietvertrag ordentlich. Die Klägerin teilte ihm daraufhin schriftlich mit, seine „alleinige Kündigung“ sei unwirksam. In der Folgezeit forderten die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter den Beklagten mehrfach schriftlich auf, die Miete für die Monate Juli, August und September 2014 zu zahlen. Der Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 15.09.2014, er sehe nicht ein, warum er alleine die Gesamtmiete tragen solle, habe aber „Fairness halber“ die anteilige Miete für Juli bis September 2014 einschließlich Mahnkosten überwiesen. Darüber hinaus zahlte der Beklagte in den Monaten Oktober, November und Dezember 2014 jeweils 500 Euro an die Klägerin. Danach stellte er jegliche Zahlung ein. Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung der restlichen Miete für das Jahr 2014 und die künftige Mietzahlung ab dem 01.01.2015.
Das Amtsgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Es hat den Mietvertrag als durch die Kündigung des Beklagten beendet angesehen und der Klägerin einen Anspruch auf Restmietzahlung und Entschädigung nach § 546a BGB zuerkannt. Das Landgericht hatte die Berufung zurückgewiesen.
Die zugelassene Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Verfahrens.
Der BGH war der Auffassung, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsentschädigung für die Zeit ab dem 01.09.2014 bejaht.
I. Ansprüche gemäß § 546a BGB
Zwar habe der Mieter die Wohnung nach der Beendigung des Mietverhältnisses durch seine Kündigung nicht zurückgegeben. Dieses Unterlassen der Rückgabe hätte jedoch nicht dem Willen der Vermieterin widersprochen. Der Vermieterin habe es an dem erforderlichen Rücknahmewillen gefehlt.
Die Mietsache werde nämlich nur dann i.S.d. § 546a Abs. 1 BGB vorenthalten, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und dieses Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. Zur Erfüllung des Tatbestandes der Vorenthaltung reicht dabei der grundsätzliche Rückerlangungswille des Vermieters aus. Daran fehle es jedoch, wenn der Wille des Vermieters nicht auf die Rückgabe der Mietsache gerichtet ist, etwa weil er vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Denn solange der Vermieter den Mietvertrag nicht als beendet ansieht, will er keine Räumung verlangen und damit die Mietsache nicht zurücknehmen. Dabei sei es ohne Bedeutung, aus welchem Grund der Vermieter den Mietvertrag nicht als beendet ansehe. Das gelte auch für den Fall, dass der Vermieter eine Mieterkündigung für unwirksam erachtet. Denn hierbei handelt es sich lediglich um das Motiv für den darauf fußenden Willensentschluss des Vermieters, den Mietvertrag als fortbestehend zu betrachten. Entscheidend sei allein, dass und nicht warum der Vermieter vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgehe.
Diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Vermieterin für einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB der erforderliche Rücknahmewille fehlte. Die Vermieterin ging trotz der ordentlichen Kündigung des Beklagten von einem Fortbestand des Mietverhältnisses aus. Das ergebe sich deutlich auch daraus, dass die Vermieterin den Mieter auch noch mit der Klage auf Zahlung von Miete in Anspruch genommen habe.
Eine Vorenthaltung der Mietsache sei auch nicht deswegen zu bejahen, weil der Mieter gar nicht in der Lage gewesen sei, die Wohnung an die Vermieterin zurückzugeben, da er seiner früheren Ehefrau die Wohnungsschlüssel überlassen hatte. Zwar könne bei Vorliegen eines Rücknahmewillens des Vermieters und der Nichtrückgabe der Wohnung durch den Mieter eine Vorenthaltung der Mietsache auch dann angenommen werden, wenn der Mieter zur Rückgabe außerstande ist und die subjektive Unmöglichkeit durch ihn selbst verursacht wurde, jedoch müssen auch in einem solchen Fall die genannten Tatbestandsvoraussetzungen alle kumulativ vorliegen. Die Mietsache werde dem Vermieter nämlich nur vorenthalten, wenn das Unterlassen der Herausgabe (auch) gegen dessen Willen erfolgt. Solange der Vermieter die Rückgabe nicht wünscht, sondern den Mieter am Vertrag festhalten will, fehlt es an einem wesentlichen Merkmal des Begriffs der Vorenthaltung.
II. Ansprüche gemäß § 812 BGB
Auch Ansprüche auf Nutzungsentschädigung wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Mieters gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB bestünden nicht. Ein solcher Anspruch werde zwar durch § 546a BGB nicht ausgeschlossen, die Voraussetzungen seien aber vorliegend nicht gegeben.
Nutze ein Mieter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so sei er ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Vermieters um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und grundsätzlich nach den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB zu dessen Herausgabe verpflichtet. Eine solche Verpflichtung könne grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Mieter die Sache nicht selbst nutzt, sondern sie einem Dritten, insbesondere etwa aufgrund eines Untermietvertrages, überlassen habe und hierdurch eine ungerechtfertigte Bereicherung des Mieters eingetreten sei. Voraussetzung sei aber immer, dass der ehemalige Mieter die Wohnung in dem vorbezeichneten Sinne auch tatsächlich genutzt hat und auf diese Weise um den gezogenen Nutzungswert bereichert sei. Der bloße unmittelbare oder mittelbare Besitz an der Wohnung reiche für einen solchen Bereicherungsanspruch aber nicht aus. Der Zweck des Bereicherungsrechts sei lediglich darauf gerichtet, eine tatsächlich erlangte rechtsgrundlose Bereicherung abzuschöpfen und sie demjenigen zuzuführen, dem sie nach der Rechtsordnung gebührt. Danach könne von einer Bereicherung in der Regel nur gesprochen werden, wenn und soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung erfahren hat. Deshalb gelte als allgemein anerkannter Grundsatz, dass die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den wirklichen Betrag der Bereicherung hinaus führen darf.
Hier sei bisher nicht ersichtlich, dass der Beklagte irgendetwas erlangt habe. Der ehemalige Mieter nutzt die Wohnung seit Jahren nicht. Nutzerin ist seither vielmehr mit Wissen der Vermieterin die geschiedene Ehefrau des Mieters. Der Mieter habe mangels Schlüssels auch keinen Zugang zur Wohnung. Nur wenn der Mieter durch die Überlassung an seine geschiedene Frau Einkünfte erzielen oder eigene Aufwendungen – etwa in Gestalt von sonst zu zahlenden Unterhaltsleistungen – ersparen würde, käme ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Betracht. Um hierzu Feststellungen zu treffen, wurde die Sache zurückverwiesen.

C. Kontext der Entscheidung

Der Senat hat seine Rechtsprechung zur Nutzungsentschädigung ebenso konsequent auf den Fall angewandt wie die zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer über das Vertragsende fortgesetzten Nutzung. Es entsprach schon lange der Senatsrechtsprechung, dass es an einer Vorenthaltung fehlt, wenn der Wille des Vermieters nicht auf Rückgabe der Mietsache gerichtet ist, etwa weil er vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgeht (BGH, Urt. v. 05.10.2005 – VIII ZR 57/05 – MietPrax-AK § 546a BGB Nr. 2, m. Anm. Börstinghaus). In welchem Zustand sich die Mietsache bei der vorgesehenen Rückgabe befindet, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, so dass allein darin, dass der Mieter dem Vermieter die Räume in verwahrlostem oder einem sonst nicht vertragsgemäßen Zustand überlässt, noch keine Vorenthaltung gesehen werden kann (BGH, Urt. v. 13.07.2010 – VIII ZR 326/09 – MietPrax-AK § 546a BGB Nr. 5, m. Anm. Börstinghaus).
Nutzungsentschädigung ist nur für die tatsächliche Zeit der Vorenthaltung zu zahlen, sie ist deshalb taggenau zu berechnen (BGH, Urt. v. 05.10.2005 – VIII ZR 57/05). Für die Zeit danach kann allenfalls ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Rückgabe zur Unzeit bestehen. Das setzt aber voraus, dass der Vermieter nachweist, dass er die Wohnung bei fristgerechter Rückgabe auch tatsächlich hätte vermieten können.
Als Nutzungsentschädigung ist mindestens die bisherige Miete und höchstens die aktuelle Marktmiete zu zahlen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 17/16 – MietPrax-AK § 546a BGB Nr. 8, m. Anm. Börstinghaus; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 4/2017 Anm. 1; Beyer, jurisPR-MietR 5/2017 Anm. 1; Röck, NZM 2017, 188). Die Geltendmachung der aktuellen höheren üblichen Miete kann auch rückwirkend und nachträglich geltend gemacht werden. Die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB gilt hier nicht. Strittig ist, ob die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete gilt (Artz, NZM 2017, 281; Fleindl, NZM 2017, 282).

D. Auswirkungen für die Praxis

Es ist also für den Vermieter risikoreich, die Rücknahme einer Wohnung zu verweigern. Wenn er der Auffassung ist, dass das Mietverhältnis nicht beendet ist, sollte die Mietsache trotzdem zurückgenommen und der Mietzinsanspruch geltend gemacht werden. Wenn das Gericht dann zu der Auffassung kommt, das Mietverhältnis besteht fort, muss der Mieter weiter Miete zahlen. Wenn das Gericht die Kündigung für wirksam erachtet, hat der Vermieter zumindest den Besitz an der Wohnung, die er ggf. in der Zwischenzeit anderweitig vermieten kann. Er bekommt dann zwar keine Miete mehr vom ehemaligen Mieter, aber vom neuen Mieter.