Künftig wird es neben den 21(!) bereits bestehenden Fachanwaltsbezeichnungen auch möglich sein, den Titel als Fachanwalt für Vergaberecht zu erwerben. MAn kann über Sinn und Unsinn dieses Trends zur weiteren (vermeintlichen) Spezialisierung sicher trefflich streiten, dies insbesondere dann, wenn sich mehr und mehr Überschneidungen der einzelnen Fachanwaltsbereiche ergeben, hier signifikant u.a. mit den Bereichen des Bau- und Architektenrechts, des gewerblichen Rechtsschutzes, des Handels- und Gesellschaftsrechts und des soeben erst neu eingeführten Fachanwalts für internationales Wirtschaftsrecht.

Dieser Umstand ist jedoch bereits jetzt auch bezüglich anderer Fachanwaltschaften zu verzeichnen. Einen Fachanwalt für Steuerrecht kann und wird es beispielsweise nicht geben können ohne ausgewiesene Kenntnisse in den Bereichen des Erbrechts, des Insolvenzrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts, des Arbeitsrechts, des Familienrechts usw.

In der Tat erachte ich den Fachanwalt für Vergaberecht vorliegend aber als durchaus sinnvoll und notwendig. Art.2 Richtlinie 2004/18/EG lautet:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand liegt nach Schätzungen bei mindestens 300 Milliarden Euro im Jahr (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie). Daraus wird die überragende Bedeutung des neuen Fachanwaltstitels evident. Potentielle Auftragnehmer und auch die öffentliche Hand müssen sich ausgewiesener Spezialisten auf diesem Gebiet bedienen können, welches in der Vergangenheit von wenigen Großkanzleien beherrscht wurde. Ich sehe zumindest die Option, dass sich dieser closed shop mit Einführung des neuen Fachanwalts für Vergaberecht schrittweise auch für kleinere sog. Anwaltsboutiquen öffnet und damit in diesem Marktsegment perspektivisch mehr Wettbewerb herrscht. Andererseits werden die Zugangshürden im Hinblick auf die erforderliche Anzahl von Fällen aus der Praxis diesen Prozess nicht gerade beschleunigen helfen, so wie dies in anderen Fachanwaltschaften seit Jahren beklagt wird und deswegen sogar darüber nachgedacht wurde, sog. „Junior-Fachanwaltschaften“ mit einer geringeren Anzahl praktischer Tätigkeitsnachweise einzuführen. Unsinn lässt sich eben immer noch weiter steigern.