Nachfolgend ein Beitrag vom 1.9.2017 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 17/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Unterliegt ein Berufungsurteil der Revision, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder – im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO – aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der im Urteil oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung stattfinden kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.02.2004 – VI ZR 94/03 – BGHZ 158, 60, 62, und BGH, Urt. v. 21.09.2016 – VIII ZR 188/15 Rn. 5 – NJW 2016, 3787). Weiter muss das Berufungsurteil in diesem Fall erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist und welche Berufungsanträge die Parteien zumindest sinngemäß gestellt haben (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.03.2007 – I ZR 152/04 Rn. 5 – NJW 2007, 2334, und BGH, Urt. v. 21.09.2016 – VIII ZR 188/15; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.05.2017 – VI ZR 501/16 Rn. 7).
2. Für die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung ist allein entscheidend, ob es die darin gemachten Angaben dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (im Anschluss an Senatsurt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 97/14 – Rn. 12 f. – NJW 2015, 51; Senatsurt. v. 12.11.2014 – VIII ZR 112/14 Rn. 11 – NZM 2015, 129, und Senatsurt. v. 06.05.2015 – VIII ZR 193/14 Rn. 13 – NJW-RR 2015, 778; jeweils m.w.N.). Hieran sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, so dass die Einsichtnahme in dafür vorgesehene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich ist (im Anschluss an Senatsurt. v. 16.09.2009 – VIII ZR 346/08 Rn. 6 – NJW 2009, 3575; Senatsurt. v. 22.09.2010 – VIII ZR 285/09 Rn. 40 – NJW 2011, 143, und Senatsbeschl. v. 25.04.2017 Rn. 5 – VIII ZR 237/16).

A. Problemstellung

Es ist über 30 Jahre her, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Bundestag lauthals beklagte, er verstehe seine Stromrechnung nicht. Es mag sein, dass sich auch deshalb bei diesen Abrechnungen etwas geändert hat. Im AGB-Recht haben wir seit 2002 in § 307 BGB das Transparenzgebot. Im Betriebskostenrecht gibt es eine eher gegenläufige Tendenz. Die Abrechnungen dort werden immer unübersichtlicher. Mit einem schon extremen Fall musste sich der BGH nun beschäftigen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Es ging um zwei Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014. Diese Abrechnungen bestanden aus jeweils sieben Seiten. Auf der ersten Seite listeten die Abrechnungen jeweils 15 Kostenpositionen auf. Auf der Rückseite wurden die Kostenpositionen vier mit A bis D bezeichneten Rubriken zugeordnet, ohne dabei die Kostenpositionen selbst nochmals zu beschreiben. Angegeben wurde nur noch die lfd. Nummer von Seite 1. Auf den Folgeseiten wurden diese Rubriken dann nicht mehr mit A bis D, sondern plötzlich mit den Gliederungsziffern 1 bis 4 gekennzeichnet und den jeweiligen Abrechnungsschlüsseln zugeordnet. Teilweise änderte sich auch die Bezeichnung der Rubriken. Die Vermieter machten Nachzahlungen geltend.
Das LG Wiesbaden hatte die Klage abgewiesen, weil seiner Meinung nach die Abrechnungen formell nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Das Landgericht hat die Revision zugelassen.
Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer zurückverwiesen. Dies geschah allein aus prozessualen Gründen, weil das Urteil den Mindestanforderungen an eine Entscheidung, die dem Rechtsmittel der Revision unterliegt, nicht entsprach. Wegen der Mängel der Berufungsentscheidung hat es die Kosten des Revisionsverfahrens „niedergeschlagen“.
Da der Senat aber auch in der Sache anderer Auffassung war als das Berufungsgericht, hat er es sich nicht nehmen lassen, „für das weitere Verfahren auf Folgendes hinzuweisen“:
Die Abrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 genügten den formellen Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit einer Nebenkostenabrechnung. Das Landgericht habe die vom VIII. Zivilsenat zur formellen Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB entwickelten Grundsätze außer Acht gelassen und dadurch die an eine solche Abrechnung zu stellenden Anforderungen bei weitem überspannt.
Eine Betriebskostenabrechnung sei formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspräche, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalte. Daran seien keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Entscheidend sei allein, ob es die Angaben in der Betriebskostenabrechnung dem Mieter ermöglichten, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. In eine Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten seien regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen:
a) die Zusammenstellung der Gesamtkosten,
b) die Angabe und – soweit erforderlich – die Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel,
c) die Berechnung des Anteils des Mieters und
d) der Abzug der geleisteten Vorauszahlungen.
Diesen Mindestanforderungen würden die Betriebskostenabrechnungen der Vermieterin gerecht. Notwendig, aber auch ausreichend sei es, dass der Mieter die ihm in Rechnung gestellten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen könne, so dass die Einsichtnahme in dafür vorgesehene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich sei. Diese Voraussetzungen erfülle die Abrechnung. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte, um die auf der dritten Seite der Abrechnung auf ihn entfallenden Kostenanteile nachzuvollziehen, auf die beiden vorhergehenden Seiten zurückblättern und die auf drei Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführen müsse. Denn die Zusammenhänge würden sich bei verständigem Lesen ohne weiteres auch einem Laien erschließen. Der Senat erklärt dann, wie man die Abrechnung zu lesen habe: Auf der ersten Seite würden 15 genau bezeichnete Kostenpositionen mit den darauf jeweils für das gesamte Anwesen jährlich entfallenden Beträgen aufgelistet. Diese Kostenpositionen werden dann auf der Folgeseite unter Angabe der auf der ersten Seite verwendeten Bezifferung einer von vier genannten Umlagearten (A: Wohnfläche/Nutzfläche; B: Einzelverbrauch nach Kaltwasseruhren; C: Laden- bzw. Wohneinheiten; D: Einzelabrechnung TECHEM) zugeordnet. Auf der darauffolgenden Seite werden schließlich – nun mit Gliederungspunkten 1 bis 4 bezeichnet, zusätzlich aber auch inhaltlich beschrieben – die nach den vier Umlagearten jeweils anteilig auf den Mieter entfallenden Beträge aufgeführt und addiert. Dass bei der gewählten Abrechnungsweise die auf den Mieter entfallenden Anteile nur zusammengefasst nach Umlageschlüsseln und nicht für alle 15 Kostenpositionen getrennt ausgewiesen werden, sei unschädlich.
Die Nachvollziehbarkeit der Abrechnungen werde im Übrigen auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht erläutert werde, weshalb für die Position Treppenhausreinigung nicht der Verteilungsschlüssel „Wohn- oder Nutzungsfläche“, sondern der Verteilungsschüssel „Laden- bzw. Wohneinheiten“ gewählt worden sei. Für die formelle Ordnungsgemäßheit genüge es, dass für den Mieter erkennbar sei, welcher Umlageschlüssel angewendet worden sei. Die Richtigkeit der gewählten Bemessungsgrundlagen sei ausschließlich eine die inhaltliche Ordnungsgemäßheit der Abrechnungen betreffende Frage. Entsprechendes gelte, soweit bei der Abrechnung für das Jahr 2013 auf der zweiten Seite bei den Wasser- und Kanalkosten (Position B) zwei unterschiedliche Beträge aufgeführt worden seien, von denen auf der Folgeseite nur der höhere Betrag auf den Mieter umgelegt wurde.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung knüpft zunächst nahtlos an die jahrzehntelange Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zu den Mindestanforderungen an eine Betriebskostenabrechnung an. Bereits 1981 hatte der Senat die Mindestanforderungen ähnlich wie heute formuliert (BGH, Urt. v. 23.11.1981 – VIII ZR 298/80 – NJW 1982, 573). Insofern ist die Entscheidung konsequent. Das gilt auch für die großzügige Anwendung dieser Mindestanforderungen. Hier hat der Senat seine Auflockerungsrechtsprechung noch weiter gelockert. Selbst Abrechnungen, bei denen man noch eine höchstrichterliche Leseanleitung benötigt, sollen formell in Ordnung sein. Helmut Schmidt hätte das wohl auch gerügt, aber er war auch nicht im VIII. Zivilsenat tätig. Eingebrockt haben uns diese Mammutabrechnungen vor allem Computer und die entsprechenden wohnungswirtschaftlichen Abrechnungsprogramme, die an den Bedürfnissen der Computer und der Buchhaltung ausgerichtet sind, aber nicht an denen des Mietrechts. Die Frage, die wir Juristen irgendwann einmal ernsthaft diskutieren müssen, ist die, wer hier die Richtlinien vorgeben darf, die Betriebswirte und ITler oder wir. Zurzeit lassen wir uns eher durch die Manege treiben und müssen auch aufgrund der BGH-Rechtsprechung mehr oder weniger alles akzeptieren, was irgendwie und irgendwann nachvollzogen werden kann. Ein Kollege vom AG Dortmund (Urt. v. 06.02.2004 – 107 C 8704/03 – NZM 2004, 220) hat einmal provokant zu einer ähnlich schwer nachvollziehbaren (Heizkosten-)Abrechnung formuliert:
„Die Klägerin hat allerdings mit ihren Mietern kein Heizkostenquiz zu veranstalten, sondern ist – wie bereits ausgeführt – verpflichtet, eine aus sich heraus verständliche Abrechnung vorzulegen“
Recht hatte er! Das Urteil hatte übrigens zur Konsequenz, dass der Großvermieter seither verständlichere Abrechnungen erstellt und vorlegt. Man möchte sagen: „Geht doch!“

D. Auswirkungen für die Praxis

Solange die Rechtsprechung aber so großzügig ist, kann Mietervertretern eigentlich nur geraten werden, sich nicht darauf zu verlassen, dass die Abrechnung formell „gekippt“ werden kann. Entscheidend bleiben die sachlichen Einwände gegen einzelne Positionen. Insofern ist die Belegeinsicht wichtiger denn je. Man wird dem Mieter raten müssen, die Abrechnung – ggf. unter Vorbehalt – hinsichtlich der materiell unproblematischen Positionen auszugleichen, um das Kostenrisiko gering zu halten.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Schwerpunktmäßig beschäftigt sich die Entscheidung aber mit den Mindestanforderungen an ein Urteil, in dem die Revision zugelassen wurde. Unterliegt das Berufungsurteil der Revision, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der im Urteil oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung stattfinden kann. Das Berufungsurteil muss erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist und welche Berufungsanträge die Parteien zumindest sinngemäß gestellt haben. Fehlen im Berufungsurteil die entsprechenden Darstellungen, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel; das Revisionsgericht hat das Urteil in einem solchen Fall grundsätzlich aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.