Nachfolgend ein Beitrag vom 15.12.2017 von Spitz, jurisPR-ITR 25/2017 Anm. 5

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Bei einer Verschränkung von Tatsachenbehauptung und Werturteil ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Tatsachenanteil der Kundgabe dergestalt in den Hintergrund tritt, dass die Äußerung insgesamt als Wiedergabe einer Meinung zu gelten hat.
2. Ein schenkungsweise erhaltenes Foto berechtigt nicht zu dessen Verbreitung.

A. Problemstellung

Zwischen den Mitgliedern verschiedener Gewerkschaften herrscht mitunter ein rauer Ton. Im vorliegenden Fall versuchte ein Gewerkschaftsmitglied eine Arbeitskollegin wegen deren angeblich subversiven Verhaltens mittels einer nebst Foto versandten E-Mail aus dem Arbeitnehmerverband zu bekommen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin zu 1) (künftig: die Klägerin) und der Kläger zu 2) (künftig: der Kläger) sind miteinander verheiratet. Die Klägerin und der Beklagte sind Arbeitskollegen und Mitglieder der IG Metall. Der Kläger war bis März 2017 langjähriger Bundesvorsitzender der X-Y Partei. Nach § 11 der Satzung der IG Metall können Mitglieder aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden, wenn sie einer gegnerischen Organisation angehören. Durch Beschluss des Beirats der IG Metall aus dem Jahre 1982 wurde die X-Y Partei zur gewerkschaftsfeindlichen und gegnerischen Organisation erklärt. Der Kläger wurde auf Basis des oben genannten Beschlusses aus der IG Metall ausgeschlossen. Der Beklagte versandte im Herbst 2012 an den Ortsbevollmächtigten der IG Metall Witten H, den Politischen Sekretär der IG Metall Witten B und den ehemaligen Projektsekretär der IG Metall Witten P eine E-Mail mit dem Betreff „Unterwanderung der IGM in Witten!!!“. In der E-Mail wurde die Eheschließung der klagenden Parteien als „offene[r] Schlag ins Gesicht eines jeden Kollegen unserer Gewerkschaft“ bezeichnet. Weiter hieß es, dass die Klägerin aufgrund ihrer Stellung in der Gewerkschaft ungefiltert die „feindliche Ideologie“ weitergeben könne. Und schließlich: „WIR die MITGLIEDER der IGM sollten für Integrität, Vertrauen und Zusammenhalt stehen und uns gegen subversive Elemente wehren, bevor sie alles in den Schmutz ziehen, wofür ‚WIR’ gemeinsam gekämpft haben.“ Die E-Mail endet mit der Forderung, „diese Person (gemeint war die Klägerin) schnellstmöglich aus ‚UNSEREN’ Reihen zu entfernen!!!“ Der E-Mail waren zwei Fotografien beigefügt. Eines zeigte den Kläger und war einer Internetseite der X-Y Partei entnommen. Das zweite Foto bildete die klagenden Parteien auf der Hochzeitsfeier ab. Nach dieser Feier wurde das Foto im Rahmen einer Danksagung an die Gäste der Hochzeitsfeier versandt. Auch der Beklagte gehörte zu diesen Gästen. Der Antrag der Kläger auf Untersagung der ehrverletzenden Äußerungen blieb erfolglos. Dem Verlangen der Kläger gegenüber dem Beklagten, das Hochzeitsfoto nicht zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder auf andere Weise öffentlich zugänglich zu machen, wurde entsprochen.
Das LArbG Hamm hat – unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts – den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, das Hochzeitsfoto der Kläger zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder auf andere Weise öffentlich zugänglich zu machen. Im Übrigen hatte die Berufung der Kläger keinen Erfolg.
Hinsichtlich der Äußerungen („feindliche Ideologie“, „subversive Elemente“, „alles in den Schmutz ziehen, was wir erarbeitet haben“) in der E-Mail stellt das LArbG Hamm zunächst fest, dass der Beklagte mit seinen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Parteien eingreift. Allerdings ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Schwelle der Rechtswidrigkeit durch die vom Beklagten verbreitete E-Mail, die sich im Grenzbereich der Schmähkritik bewegt, noch nicht überschritten. Der Beklagte bewege sich mit dem Inhalt seiner E-Mail noch im Schutzbereich des in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts auf Meinungsfreiheit, auch wenn sie sich aus der Sicht des Landesarbeitsgerichts nahe am Grenzbereich der nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckten Schmähkritik befand. Dabei sei zu berücksichtigten, dass es sich bei den vom Beklagten getätigten Äußerungen insgesamt um eine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungskundgabe und nicht etwa um Tatsachenbehauptungen handele, für deren Zulässigkeit es grundsätzlich auf die Wahrheit der Behauptung ankäme (BGH, Urt. v. 19.01.2016 – VI ZR 302/15). Nur dann, wenn es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache gehe, sondern zuvörderst die Kränkung Andersdenkender in den Vordergrund trete, also eine bloße Schmähung gewollt sei, trete die Meinungsäußerungsfreiheit hinter das Persönlichkeitsrecht zurück. Dabei komme dem Bereich der Schmähkritik im Interesse der Meinungsfreiheit nur ein enger Anwendungsbereich zu. Bei einer Verschränkung von Tatsachenbehauptung und Werturteil sei von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Tatsachenanteil der Kundgabe dergestalt in den Hintergrund trete, dass die Äußerung insgesamt als Wiedergabe einer Meinung zu gelten habe. Die Grenze zur Schmähkritik werde erst dann überschritten, wenn die Kritik aus Gründen persönlicher Herabsetzung und Diffamierung erfolge. Sie werde nicht überschritten, wenn die Meinungsäußerung einen hinreichenden Bezug zu einem sachlichen Anliegen habe, um das es dem Äußernden gehe. Ein solcher Bezug liege vorliegend (noch) vor.
Den Klägern stehe demgegenüber gegen den Beklagten ein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, das Hochzeitsfoto der Kläger zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder auf andere Weise öffentlich zugänglich zu machen. Dieser Anspruch ergebe sich aus den §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. den §§ 22, 23 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Sowohl nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 08.04.2014 – VI ZR 197/13) als auch des BAG (BAG, Urt. v. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13) beurteile sich die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KunstUrhG. Bildnisse einer Person dürften danach grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KunstUrhG). Eine solche Einwilligung liege hier nicht vor. Insbesondere könne sich der Beklagte nicht darauf stützen, er habe das Foto der Kläger von diesen persönlich im Rahmen einer Danksagung angesichts der Hochzeitsfeier der klagenden Parteien erhalten. Dies führt alleine zu einem Eigentumsübergang der zugewandten Fotografie, rechtfertige aber nicht die technische Vervielfältigung durch eine Verbreitung der Fotoaufnahme per E-Mail.
Der vorbeugende Unterlassungsschutz, den die Kläger geltend machen, scheitere nicht daran, dass im Hinblick auf die Verwendung des Fotos keine Wiederholungsgefahr bestehe. Bei einer erfolgten Rechtsverletzung werde die Wiederholungsgefahr vermutet (BGH, Urt. v. 19.03.2013 – VI ZR 93/12). Der Beklagte, der eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe, habe nicht substantiiert vortragen können, warum diese Vermutung widerlegt sei.

C. Kontext der Entscheidung

Sowohl hinsichtlich der streitbefangenen Äußerungen als auch bezüglich des verbreiteten Fotos stützt sich das LArbG Hamm auf höchstrichterliche Rechtsprechung. Hinsichtlich der Meinungsäußerungsfreiheit hat sich das Landesarbeitsgericht ausführlich mit der Problematik auseinandergesetzt. Die Bejahung des Bestehens eines Sachbezuges hinsichtlich der streitbefangenen Äußerungen („feindliche Ideologie“, „subversive Elemente“, „alles in den Schmutz ziehen, was wir erarbeitet haben“), die zu einer Rechtmäßigkeit der Äußerungen führt, erscheint (noch) vertretbar. Das Landesarbeitsgericht selbst betont auch wiederholt, dass die Äußerungen des Beklagten grenzwertig waren und noch soeben von der Meinungsäußerungsfreiheit abgedeckt sind.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Abgrenzung Schmähkritik vs. Meinungsfreiheit ist stets einzelfallbezogen und lebt von der Kasuistik. Insoweit stellt die Entscheidung eine Bereicherung dar.

Meinungsfreiheit in Abgrenzung zur unzulässigen Schmähkritik
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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