Nachfolgend ein Beitrag vom 8.9.2017 von Braun, jurisPR-ITR 18/2017 Anm. 5

Orientierungssatz zur Anmerkung

Das Land Berlin hat keinen Unterlassungsanspruch gegen den Inhaber der Domain berlin.com, wenn ein Disclaimer darauf hinweist, dass die Website nicht von der Gebietskörperschaft betrieben wird.

A. Problemstellung

Gebietskörperschaften können ihre Namensrechte unter den gleichen Voraussetzungen durchsetzen, wie sie für andere Namensträger gelten. Allerdings sind die Kriterien, unter welchen Umständen hier eine unberechtigte Namensanmaßung anzunehmen ist, bislang noch nicht umfassend höchstrichterlich geklärt. Der BGH (Urt. v. 21.09.2006 – I ZR 201/03 „solingen.info“), hatte in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2006 wesentliche Fragen offenlassen können; auch hat sich seitdem das Verhalten der Internetnutzer wesentlich geändert.
Vor allem darauf rekurriert das LG Berlin und bringt damit neue Aspekte für die Beurteilung von Domainstreitigkeiten ins Spiel. Streitgegenständlich war die gewerbliche Nutzung der Domain www.berlin.com durch eine internationale Mediengruppe, die das Land Berlin, das seine offizielle Internetseite unter der Domain www.berlin.de betreibt, beklagte. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine ungerechtfertigte Namensanmaßung bzw. eine Zuordnungsverwirrung in solchen Fällen jedenfalls dann ausscheiden müsse, wenn, wie vorliegend, die Seitenbesucher durch einen Disclaimer darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich bei dem Internetauftritt www.berlin.com nicht um die offizielle Internetseite des Bundeslandes handelt und auch ihre Gestaltung keinen solchen Anschein erweckt.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; es kann Berufung beim Kammergericht eingelegt werden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das Bundesland Berlin versucht seit dem Jahr 2011, einer internationalen Mediengruppe die geschäftliche Nutzung der Domain www.berlin.com zu untersagen. Nach mehreren für das Land teils erfolgreichen Verfahren (KG, Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12; LG Berlin, Urt. v. 19.03.2011 – 14 O 117/11) verwendete die Beklagte auf der streitgegenständlichen Seite fortan einen Disclaimer (deutsch und englisch) folgenden Inhalts:
„berlin.com wird von Berlin Experten betrieben und ist keine Webseite des Landes Berlin.“
Der Text steht beim Besuch der Website am oberen Rand des Browserfensters. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht u.a. die Beklagte erneut zu verurteilen, es zu unterlassen, die Internetdomain zu benutzen.
Das LG Berlin hat die Klage abgewiesen.
Eine ungerechtfertigte Namensanmaßung sei nicht erkennbar. Eine solche setze einen Namensgebrauch der Beklagten i.S.d. § 12 BGB voraus. Das sei der Fall, wenn durch seine Benutzung eine erkennbare Beziehung zu dem Namensträger hergestellt wird. Vorliegend würde die Internetpräsenz der Beklagten aber lediglich eine zulässige Namensnennung implizieren. Denn aufgrund des Disclaimers werde jedem Benutzer, der die Seite öffne, deutlich, dass die Webseite nicht von dem Land Berlin betrieben werde.
Auch bei isolierter Betrachtung der Domain, so das Gericht, dürfte nur eine Namensnennung vorliegen. Denn es könne, anders als vielleicht noch zur Jahrtausendwende, aus der Second Level Domain (SLD, hier: „berlin“) nicht mehr regelmäßig auf den Betreiber der Webseite geschlossen werden. Die tatsächlichen Gepflogenheiten im Internetverkehr hätten sich grundlegend geändert. Es gäbe inzwischen eine ungeheure Vielzahl an Webseiten, die Informationen zu beinahe allen Lebensbereichen bereithielten, wegen der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung des Internets zunehmend kommerziell betrieben würden und in Konkurrenz zueinander stünden. In dem stattfindenden Wettbewerb versuchten die Betreiber mit massiven Werbemaßnahmen, wozu auch die Fassung der Domain gehöre, Besucher zu gewinnen. Im Zuge dieses Wandels dürfte der auf der Website vorgehaltene Inhalt maßgeblicher sein als die Domain und die Domain, insbesondere die SLD, eher auf den zu erwartenden Inhalt als auf den Betreiber hinweisen.
Es bestünde auch keine Zuordnungsverwirrung. Eine solche wäre anzunehmen, wenn der Nichtberechtigte, der einen fremden Namen verwendet, als Namensträger identifiziert würde, wobei es nicht erforderlich sei, dass es zu Verwechslungen mit dem Namensträger komme. Die Gefahr einer solchen Zuordnungsverwirrung sei nicht in der Verwendung der Top Level Domain (TLD) „.com“ begründet; auch dadurch würde die Beklagte (wie bei Verwendung der SLD, vgl. o.) nicht als Namensträger identifiziert. Ansatzpunkt dieser Bewertung sei die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach allgemeine, nicht länderspezifische TLDs einer Zuordnung zu bestimmten Namensträgern entgegenwirken können, wenn diese nicht den typischen Nutzern derartiger TLDs zuzurechnen sind (BGH, Urt. v. 21.09.2006 – I ZR 201/03 – Rn. 18; solingen.info). Dabei sei die TLD „.com“ allgemein und nicht branchen- oder länderbezogen. Auch gehöre der Kläger als Hoheitsträger nicht zu den typischen Nutzern der TLD „.com“. Bei der TLD „.com“ sei eine klare Zuordnung zu einem Namensträger schon von vornherein ausgeschlossen. Sie würde inzwischen von so unterschiedlichen Betreibern verwendet, dass sie keinen Rückschluss mehr daraufhin zulasse, wer die betreffende Website betreibt. Zudem habe die Zuordnung eines Namens durch eine Domain aufgrund des geänderten Nutzerverhaltens an Bedeutung verloren. Wenn ein Nutzer Informationen über die Stadt Berlin suche, werde die zutreffende Seite über Suchmaschinen ermittelt, die in ihren Trefferlisten bei der zumeist an vorderster Stelle erscheinenden Seite www.berlin.de den Hinweis gäben, dass es sich um das offizielle Hauptstadtportal handele. Demgegenüber erscheine die Seite „berlin.com“ entweder gar nicht auf den ersten Seiten der Trefferliste oder aber es werde darauf hingewiesen, dass die Webseite in Privatbesitz und nicht mit dem Land Berlin verbunden sei.
Ferner würden durch den Internetauftritt der Beklagten keine schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt. Selbst wenn man von einer unberechtigten Namensanmaßung ausgehen wollte, sei dadurch das Interesse des Namensträgers nicht in besonderem Maße beeinträchtigt. Der Kläger habe als deutsche Gebietskörperschaft kein gegenüber jedermann rechtlich geschütztes Interesse an der alleinigen Nutzung des aus seinem Namen als SLD und der internationalen TLD „.com“ gebildeten Domainnamens, weil es eine Vielzahl von Trägern des Namens „Berlin“ gäbe und kein Grund dafür ersichtlich sei, dem Kläger diesen gegenüber weltweit einen Vorrang einzuräumen. Ferner bestünde aufgrund des Disclaimers nicht die Gefahr, dass ein durchschnittlich verständiger Besucher der Seite den Webauftritt der Beklagten für den des Klägers halte.

C. Kontext der Entscheidung

Das LG Berlin hat eine ungerechtfertigte Namensanmaßung vor allem im Hinblick auf den eindeutigen Disclaimer auf der Seite www.berlin.com verneint. Dies war so zu erwarten. Dass durch einen entsprechenden Hinweis eine Rechtsverletzung ausgeschlossen werden könnte, hatte bereits das KG (Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12) angedeutet.
Bemerkenswert sind die Ausführungen des Gerichts bei Prüfung einer möglichen Zuordnungsverwirrung zur TLD „.com“. Welche Relevanz bewusst gewählte TLDs für die Individualisierbarkeit eines Domainnamens haben, ist noch nicht abschließend geklärt. Von einer Namensanmaßung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung a priori nur bei Verwendung der TLDs „.de“ bzw. „.info“ auszugehen. Der Verkehr erwartet hier Informationsangebote der betreffenden Gebietskörperschaft (BGH, Urt. v. 21.09.2006 – I ZR 201/03 „solingen.info“). Dabei hat der BGH aber auch darauf hingewiesen, dass einer Zuordnungsverwirrung bei Wahl einer TLD, unter denen öffentlich-rechtliche Namensträger typischerweise nicht auftreten, entgegengewirkt werden könnte, wie etwa bei den TLDs, „.biz“ und „.pro“. Ob dazu auch die TLD „.com“ zählt, ist strittig. Während das OLG Karlsruhe (Urt. v. 09.06.1999 – 6 U 62/99 „badwildbad.com“) dies verneinte, hat dagegen nun das LG Berlin dies mit der hier besprochenen Entscheidung bejaht und seine Entscheidung gerade im Hinblick auf das geänderte Nutzerverhalten im Internet nachvollziehbar begründet (zustimmend auch Stenzel, GRUR-Prax 2017, 381).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung kann für weitere Klarheit bei Domainstreitigkeiten mit Beteiligung von Gebietskörperschaften schaffen. Die dabei mit Blick auf das geänderte Nutzungsverhalten neu gewonnenen Beurteilungsmaßstäbe können überzeugen. Freilich bleibt noch abzuwarten, inwieweit die Rechtsprechung die Einschätzungen teilen wird.