Nachfolgend ein Beitrag vom 15.3.2019 von Hrube, jurisPR-ITR 5/2019 Anm. 2
Leitsätze
1. Eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung, die einen Suchmaschinenbetreiber als mittelbaren Störer zur Unterlassung einer Äußerung verpflichtet, liegt dann nicht vor, wenn der Verletzte als „Erpresser“ bezeichnet wird, aber zugleich ein Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung vorliegt. Andres ist dies aber bei einer Bezeichnung als „Kinderschänder“, die unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Formalbeleidigung darstellt.
2. Die Geltendmachung von Löschungsansprüchen gegen einen Suchmaschinenbetreiber fällt in den Anwendungsbericht der Datenschutz-Grundverordnung. Ob die in der Ergebnisliste dokumentierte Datenverarbeitung erforderlich ist, ist anhand einer umfassenden Abwägung im Einzelfall zu bestimmen.
A. Problemstellung
Das in Art. 17 DSGVO verankerte Recht auf Löschung ist auch für die Entfernung personenbezogener Daten aus der Trefferliste einer Suchmaschine einschlägig. Das OLG Dresden hatte sich in diesem Zusammenhang mit einer Abwägung der Interessen des Betroffenen und den Interessen der Allgemeinheit auseinanderzusetzen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsteller betrieb eine Blogseite, in der er u.a. Kommentare zu bestimmten Unternehmen und Kapitalanlagemöglichkeiten abgab. In den Google-Suchtreffern tauchte sein Name, zusammen mit aus seiner Sicht ehrverletzenden Äußerungen in Bezug auf ihn auf. Der Antragsteller begehrte daher von Google die Entfernung dieser Links aus der Suchliste.
Das OLG Dresden hat jedoch einen Anspruch auf Unterlassung gegen Google als mittelbaren Störer wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG verneint.
Nach den vom BGH für die Haftung des Betreibers einer Internetsuchmaschine aufgestellten Grundsätzen treffen diesen nach Auffassung des OLG Dresden erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt (BGH, Urt. v. 24.07.2018 – VI ZR 330/17; BGH, Urt. v. 27.02.2018 – VI ZR 489/16). Im vorliegenden Fall sei der Rechtsverstoß für Google jedoch nicht auf den ersten Blick erkennbar. Insbesondere müsse Google nicht ohne weiteres von einer Schmähkritik ausgehen, denn nicht jeder Vorwurf strafrechtlichen Verhaltens erfülle diesen Tatbestand. Als Suchmaschinenbetreiber könne Google zudem nicht beurteilen und prüfen, ob den Äußerungen ein wahrer Kern zugrunde liege oder nicht.
Weiterhin verneinte das OLG Dresden auch einen Anspruch des Antragstellers aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Zwar bejahte das Oberlandesgericht die grundsätzliche Anwendbarkeit der DSGVO. Im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen den Interessen des Betroffenen und den Interessen der Allgemeinheit spreche gegen eine Entfernung aus den Suchlisten von Google jedoch insbesondere die Bedeutung von Suchmaschinen bei der öffentlichen Meinungsbildung. Eine Löschung könne daher nur auf absolute Ausnahmefälle beschränkt werden, bei denen die Rechtsverletzung offensichtlich sei. Dies sei jedoch, wie bereits im vorherigen Anspruch dargelegt, hier nicht der Fall.
C. Kontext der Entscheidung
Das OLG Dresden merkte an, dass auch die Geltendmachung von Löschungsansprüchen gegen einen Suchmaschinenbetreiber in den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) fällt, da auch das (untechnische) „Entfernen“ von Links von einer Suchliste gegen den Suchmaschinenbetreiber vom Begriff des „Löschens“ erfasst sei (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 06.09.2018 – 16 U 193/17). Ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO sei indes nicht gegeben, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Verarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich sei (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO). Der Grundrechtsschutz von personenbezogenen Daten betroffener Personen im Sinne der DSGVO sei stets in einen angemessenen Ausgleich mit den Grundrechten und Interessen des Verantwortlichen und Dritten zu bringen, weshalb es Google auch nicht generell untersagt werden dürfe, ältere negative Presseberichte über einen Betroffenen in der Trefferliste anzuzeigen, selbst wenn diese Gesundheitsdaten enthalten (OLG Frankfurt, Urt. v. 06.09.2018 – 16 U 193/17). Das Recht des Antragstellers auf Schutz seiner Persönlichkeit müsse somit gegen das Recht auf Meinungsfreiheit, insbesondere auf das Grundrecht auf Informationszugangsfreiheit (Art. 10 MRK), abgewogen werden. Unter Berücksichtigung der Arbeitsweise und der besonderen Bedeutung der Suchmaschine für die Nutzbarmachung des Internets erfordere das Überwiegen eines schutzwürdigen Interesses des Antragstellers daher zustimmenderweise, dass dem Suchmaschinenbetreiber eine offensichtliche und bereits auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung aufgezeigt werde.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Recht auf Löschung wurde durch die Entscheidung des EuGH gestärkt (EuGH, Urt. v. 13.05.2014 – C-131/12). Für Betroffene, die von ihrem Recht auf Löschung gegenüber Google Gebrauch machen wollen, hat Google ein „Antragsformular zur Entfernung personenbezogener Daten“ zur Verfügung gestellt. Verfehlt ist jedoch die Annahme, dass das Interesse des Betroffenen auf Löschung im Verhältnis zu den Interessen der Allgemeinheit automatisch überwiegt. Zuletzt hat die Entscheidung des OLG Dresden gezeigt, dass dem nicht so ist. Nicht jeder Betroffene kann einfach alle Informationen über sich aus der Google-Suchliste löschen lassen. Es ist vielmehr stets am Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse des Betroffenen wirklich schwerer wiegt. Im Rahmen dieser Abwägung findet u.a. Berücksichtigung, wie lange ein Beitrag bereits im Internet veröffentlicht ist, dessen Wahrheitsgehalt oder ob der Betroffene – wie im vorliegenden Fall – selbst durch seinen eigenen Blog in die Öffentlichkeit getreten ist.
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