Nachfolgend ein Beitrag vom 8.2.2018 von Bueb, jurisPR-MietR 3/2018 Anm. 3

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein tätlicher Angriff auf den Hausmeister stellt einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB dar.
Ob eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegeben ist, ist das Ergebnis einer Gesamtabwägung aller in Betracht kommenden Umstände.

A. Problemstellung

Das LG Berlin musste über die Annahme einer Berufung des Beklagten gegen ein Urteil des AG Neukölln entscheiden.
Im Wesentlichen hatte sich das AG Neukölln mit der Frage zu befassen, ob ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Vermieter nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB vorlag und ob eine vorherige Abmahnung nötig war. Das LG Berlin stellte in seinem Beschluss fest, dass das Amtsgericht diese Fragen rechtsfehlerfrei beantwortet und die freie Beweiswürdigung umfangreich durchgeführt hatte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zwischen dem Beklagten und dem Hauswart gab es eine tätliche Auseinandersetzung, wobei vor allem der Beklagte den Hauswart tätlich angegriffen hatte, als dieser seine Pflichten erfüllte, nämlich u.a. das Entleeren eines Müllcontainers.
Das LG Berlin beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des AG Neukölln zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukomme.
Frei von Rechtsfehlern habe das Amtsgericht die Beklagten zur Räumung ihrer Wohnung verurteilt, denn das zwischen ihnen und der Klägerin bestehende Mietverhältnis sei durch fristlose Kündigung der Klägerin beendet worden, §§ 546 Abs. 1, 542, 543 Abs. 1 BGB. Nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liege ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Die Beantwortung der Frage, ob eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegeben sei, sei Ergebnis einer wertenden Betrachtung, in die alle im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen seien (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13).
Diese Voraussetzungen habe das Amtsgericht auf der Grundlage der erhobenen Beweise rechtsfehlerfrei als gegeben angesehen, und außerdem eine Abmahnung bei den gegebenen Umständen für entbehrlich gehalten, § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB.
Ohne Erfolg beanstandete der Beklagte in der Berufung, das Amtsgericht habe seine Überzeugung allein auf die Aussage des geschädigten Hauswartes gestützt. Er übersehe dabei, dass der einzige von ihm benannte Gegenzeuge die Aussage unter Bezugnahme auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verweigert habe. Der Beklagte habe damit den Gegenbeweis nicht geführt. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht unter diesen Voraussetzungen dem Zeugen der Klägerin geglaubt habe.
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, ergäben sich nicht. Das Amtsgericht habe seine Beweiswürdigung auf sachlich begründete Erwägungen gestützt, die sich im Rahmen der Maßstäbe des § 286 ZPO bewegen und überzeugend seien.
Das Amtsgericht habe die Gründe im Einzelnen angegeben, die dazu führten, dass es in dem nach § 286 ZPO vorausgesetzten Maß die Gewissheit gewinnen konnte, dass die Behauptung der Klägerin für wahr zu erachten sei.
Es könne in einem Dauerschuldverhältnis wie einem Mietvertrag, der in besonderem Maße auf gegenseitiger Rücksichtnahme beruhe, nicht hingenommen werden, wenn ein Hauswart, der von der Vermieterin auch im Interesse der Mieter eingesetzt werde, um die Erfüllung ihrer Pflichten aus § 535 Abs. 1 BGB sicherzustellen, mit tätlichen Angriffen der Mieter rechnen müsse, wenn er eben diesen Pflichten nachkomme.
Vor diesem Hintergrund sei das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass offenbleiben könne, welche Verletzungen der Hauswart tatsächlich erlitten habe, denn der von der Klägerin bewiesene tätliche Angriff rechtfertige den Ausspruch der fristlosen Kündigung, ohne dass es darauf im Einzelnen ankäme.
Der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beklagten binde das Gericht im Zivilverfahren nicht. Der Beklagte übersehe im Übrigen, dass im Strafprozess – anders als im Zivilrechtsstreit – der Grundsatz in dubio pro reo gelte, eine Verurteilung danach nur stattfinde, wenn das Gericht keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten habe.
Das LG Berlin beabsichtige lediglich, die Räumungsfrist zu verlängern. Nach § 721 Abs. 3 ZPO könne eine bereits gewährte Räumungsfrist auf Antrag verlängert werden. Im Rahmen der nach § 721 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung komme es im Falle der Entscheidung über eine Verlängerung Räumungsfrist darauf an, ob der Mieter die laufende Miete bzw. Nutzungsentschädigung entrichte, sich hinreichend um Ersatzwohnraum bemühe bzw. in absehbarer Zeit eine Wohnung finden werde, so dass andere weniger gewichtige Gläubigerinteressen zurückstehen könnten (Stöber in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 721 Rn. 9 m.w.N.).
Die Beklagten hätten übersehen, dass es ihnen – nicht dem Vermieter – obliege, die zuständigen Behörden – hier das Amt für Soziales des Bezirksamtes Neukölln – von dem Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und Hilfen in Anspruch zu nehmen. Um ihnen zu ermöglichen, dies nachzuholen, beabsichtige das Landgericht mit Blick auf die betroffenen Kinder der Beklagten die Räumungsfrist zu verlängern. Die Nutzungsentschädigung werde vom Jobcenter pünktlich und in der geschuldeten Höhe an die Klägerin überwiesen.

C. Kontext der Entscheidung

Das LG Berlin beabsichtigt mit Ihrem Beschluss zu Recht, die Berufung zurückzuweisen, da die Annahme, hier seien keine Rechtsfehler vorhanden gewesen und die Beweiswürdigung sei richtig durch das Erstgericht vorgenommen worden, überzeugt.
Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen – hier durchgeführten – Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten ist. Unter Beachtung der Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und der gesetzlichen Beweisregeln hat der Richter im Verlauf des Rechtsstreits gewonnene Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Dabei darf er zum Beispiel einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als bewiesen ansehen. Der Richter muss nach der Wahrheit streben, darf sie aber nicht zu der Voraussetzung seiner Entscheidung machen. Deshalb muss er sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urt. v. 17.02.1970 – III ZR 139/67; BGH, Urt. v. 28.01.2003 – VI ZR 139/02; BGH, Urt. v. 03.06.2008 – VI ZR 235/07).
Diese Grundsätze, welche ständige Rechtsprechung des BGH sind, hat das Erstgericht eingehalten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der tätliche Angriff auf den Vermieter nahestehende Personen wie Verwandte oder Angestellte (hier den Hausmeister) rechtfertigt in den meisten Fällen eine fristlose Kündigung des Mietvertrages, auch ohne vorherige Abmahnung. Das Mietverhältnis fortzusetzen, kann in einem solchen Fall für den Vermieter unzumutbar sein, da ein tätlicher Angriff schwer wiegt und das bestehende Vertrauensverhältnis zerrüttet.
Die Annahme des Landgerichts, dass ein Hausmeister auch für die Interessen der Mieter eingesetzt werde und es daher nicht hingenommen werden könne, dass er bei seiner Tätigkeit mit Angriffen der Mieter rechnen müsse, ist verständlich und nachvollziehbar.
Diese Ansicht vertreten die Instanzgerichte und das LG Berlin hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (LG Kleve, Urt. v. 09.08.2012 – 6 S 37/11; LG Karlsruhe, Urt. v. 30.07.2013 – 9 S 57/13).

Kündigung bei Angriff eines Mieters auf den Hauswart
Birgit OehlmannRechtsanwältin
Kündigung bei Angriff eines Mieters auf den Hauswart
Denise HübenthalRechtsanwältin