Nachfolgend ein Beitrag vom 26.1.2017 von Fritz, jurisPR-MietR 2/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Da § 556a BGB nur für Mietverhältnisse über Wohnraum gilt, kann der Vermieter der in einem Gewerberaummietvertrag vereinbarten Verteilungsschlüssel für die Umlage von Betriebskosten nur mit Zustimmung des Mieters ändern. Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung kommen die Bestimmungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht.
2. Die irrige Vorstellung des Vermieters, der vereinbarte Verteilungsschlüssel für die Umlage von Betriebskosten führe zur Deckung der ihm entstehenden Betriebskosten, rechtfertigt nicht die Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 2 BGB, weil eine fehlerhafte Kostenkalkulation in die Risikosphäre des Vermieters fällt. Anders liegen die Dinge nur, wenn der Mieter an der Kostenkalkulation beteiligt war oder sonst mit der Kalkulationsgrundlage zu tun hatte.

A. Problemstellung

Kann der Vermieter einen Kalkulationsirrtum bei der Vertragsgestaltung oder in der Betriebskostenabrechnung korrigieren? Wenn ja, wie?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Mieter nimmt den Vermieter auf Rückzahlung angeblich überzahlter Betriebskosten in Anspruch. Die Mietfläche war im Mietvertrag mit 4.585,72 m² (NGF = Netto Grundfläche) angegeben, die Gesamtfläche des Hauses in Anlage 2 mit 15.393,15 m². Die vom Beklagten für die Jahre 2011 und 2012 erstellten Betriebskostenabrechnungen endeten mit Nachforderungen von rund 41.022,25 Euro bzw. 40.053,23 Euro. Der Mieter monierte gegenüber dem Vermieter den oben erwähnten Flächenumlageschlüssel, der der Abrechnung zugrunde lag. Gleichwohl beglich der Mieter den in einer vom Vermieter korrigierten Abrechnung ausgewiesenen Nachforderungsbetrag i.H.v. insgesamt 73.626,22 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Parteien streiten über die Frage, welche Bezugsgröße als „Gesamtfläche des Gebäudes (NGF)“ zugrunde zu legen ist.
Der Vermieter ist der Auffassung, dass die Fläche der zum Objekt gehörenden Tiefgarage nicht zur Nettogesamtfläche des Objekts gehöre, so dass die Abrechnung auf der Basis einer Fläche von 12.046,86 m² durchzuführen sei und nicht aufgrund der in Anl. 2 angegebenen 15.393,15 m², die Einbeziehung der Fläche der Tiefgarage würde zu einer erheblichen Verzerrung bei der Verteilung der Betriebskosten und im Ergebnis zu einer nicht gerechtfertigten Subventionierung des Klägers führen. Der Vermieter meint, dass er einen Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels aus den Bestimmungen über eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB habe, wenn eine verbindliche Vereinbarung über die größere Fläche im Mietvertrag getroffen worden sei.
Das OLG Düsseldorf hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des LG Duisburg teilweise abgeändert und den Vermieter unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 60.734,61 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Der Vermieter habe keinen Anspruch darauf, den vereinbarten Verteilungsschlüssel für die Umlegung der Betriebskosten ohne Zustimmung des Mieters zu ändern. § 556a BGB, der dem Vermieter das Recht gebe, den Umlageschlüssel vom Flächenmaßstab auf das Prinzip der Verursachung einseitig zu ändern, sei nur auf Wohnraum anwendbar, da sich für Gewerberaum in § 278 BGB keine Verweisung auf diese Vorschrift finde. Ein Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels könne sich daher nur nach allgemeinen Grundsätzen entscheiden, wie Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das Oberlandesgericht hat sehr ausführlich geprüft, ob ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt und letztendlich diese Frage mit der Begründung verneint, es läge kein gemeinschaftlicher Irrtum der Parteien über eine gerechte Geschäftsgrundlage bei Vertragsabschluss vor. Außerdem sei dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Risikoverteilung zwischen den Parteien, das Festhalten am unveränderten Vertrag zuzumuten. Es sei nicht anzunehmen, dass der Vermieter eine abweichende Vorstellung vom mietvertraglich getroffenen Regelungsgehalt hatte. Für die angeblich subjektive Vorstellung des Vermieters, dass die Tiefgarage nicht mit in den Umlageschlüsseln hineingerechnet werde, finde sich keine Grundlage. Es sei anzunehmen, dass der Vermieter bei Vertragsabschluss eine unzutreffende Vorstellung von der mietvertraglichen Deckung der Ihr entstehenden Betriebskosten hatte. Regelmäßig beruhe die Vereinbarung zur Umlage der Betriebskosten auf der Vorstellung der Parteien, dass der festgelegte Verteilungsschlüssel zu einer gerechten Aufteilung der Kosten führe. Hierbei handele es sich um einen Umstand, der allein der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen sei. Die zuverlässige Ermittlung der tatsächlichen Mietfläche sei Aufgabe des Vermieters. Er habe deshalb das Risiko einer unzutreffenden Flächenangabe im Mietvertrag zu tragen (BGH, Urt. v. 07.07.2004 – VIII ZR 192/03 – NJW 2004, 3115). Eine zu niedrige Kostenkalkulation falle in das Risiko des falsch Kalkulierenden, hier des Vermieters. Eine abweichende Risikoverteilung rechtfertige sich nur, wenn die Gegenpartei an der Kostenkalkulation beteiligt gewesen sei, was hier nicht der Fall war. Die Verteilung der umlegbaren Betriebskosten müsse zwar dem Gebot der Umlagegerechtigkeit entsprechen, eine absolute Verteilungsgerechtigkeit werde vom Gesetz aber nicht gefordert, da auch Gesichtspunkte der Praktikabilität zu berücksichtigen seien, so dass gewisse Ungenauigkeiten im Interesse der Vereinfachung von Betriebskostenabrechnungen hinzunehmen seien (BGH, Urt. v. 06.10.2010 – VIII ZR 183/09 – NJW 2010, 3645).
Das OLG Düsseldorf hat weiterhin geprüft, ob ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung aus § 242 BGB hergeleitet werden könne, lehnt dies aber ab, da das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr aus § 242 BGB abzuleiten, sondern in § 313 BGB kodifiziert und daher lex spezialis sei.

C. Kontext der Entscheidung

Dem OLG Düsseldorf ist zuzustimmen, dass ein Anspruch auf Änderung der vertraglichen Vereinbarung im vorliegenden Fall nicht aus § 313 BGB hergeleitet werden kann (h.M.) und dass auch § 242 BGB hier nicht als Auffangbestimmung taugt.
Das Oberlandesgericht hat jedoch nicht geprüft, ob hier § 241 Abs. 2 BGB in Betracht kommt, wonach ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet.
Der 10. Senat des BGH hat entschieden, dass die Erteilung des Zuschlags auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflussten Angebot einen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Bieters darstellen kann (BGH, Urt. v. 11.11.2014 – X ZR 32/14 – NJW 2015, 1513). Der 8. Zivilsenat des BGH hat bei einem hohen Wohnungsleerstand, den der Vermieter absichtlich verursacht hat, weil er das Haus abreißen wollte, dem Mieter das Recht nach § 241 Abs. 2 BGB gegeben, vom Vermieter eine Vertragsänderung zu verlangen, den nach Verbrauch zu berechnenden Teil der Warmwasserkosten auf das gesetzliche Mindestmaß von 50% der Gesamtkosten abzusenken, wenn die Parteien eine höhere Quote vereinbart haben, obwohl es grundsätzlich bei dem nach § 9 Abs. 4 HeizkostenVO, § 8 Abs. 1 HeizkostenVO verbleibt (BGH, Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 9/14 – NJW-RR 2015, 457 = WuM 2015, 94). Schließlich ist eine Entscheidung des KG Berlin zu erwähnen, wonach sich die Pflicht zur Durchführung von Obhutsmaßnahmen und eine Aufklärung und Hinweispflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben kann (KG Berlin, Urt. v. 02.03.2016 – 26 U 18/15).
Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Rechtsprechung die Latte sehr hoch gelegt hat, wenn eine Partei versuchen will, eine vertraglich wirksam abgeschlossene Vereinbarung mit Hilfe des § 241 Abs. 2 BGB abzuändern, wenn die vertragliche oder gesetzliche Regelung zu untragbaren Ergebnissen für den betroffenen Mieter führt.
Im Ergebnis wird es also vermutlich bei dem vom OLG Düsseldorf in der hier besprochenen Entscheidung gefundenen Ergebnis bleiben, auch wenn man den § 241 Abs. 2 BGB in die Prüfung mit einbezieht, da die vom Vermieter gerügte Flächendifferenz für den Mieter nicht offensichtlich war und da der Vermieter die fehlerhafte Kalkulation selbst angestellt und daher auch das Risiko dieses Kalkulationsirrtums zu tragen hat. Außerdem scheint das Ergebnis für den Vermieter nicht völlig untragbar zu sein.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Problem, dass durch einen möglichen Kalkulationsirrtum für den Vermieter bei der Vertragsgestaltung und bei der Betriebskostenabrechnung entstehen kann, sollte stets im Auge behalten werden, da es keine AGB-feste Klausel gibt, die dem Vermieter in einem solchen Fall ein Änderungsrecht gibt. Auch eine Irrtumsanfechtung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da ein Kalkulationsirrtum als Motivirrtum gilt. Andererseits ist es für die Vertragspartei nicht angezeigt, die Flinte sofort ins Korn zu werfen, wenn sich krasse und grenzwertige Fehler zeigen, auch wenn keine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen ist, da zumindest in Betracht zu ziehen ist, dass es den § 241 Abs. 2 BGB gibt, was in der Praxis häufig vergessen wird.