Nachfolgend ein Beitrag vom 12.9.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 18/2017 Anm. 7

Leitsatz

Für die örtliche Zuständigkeit nach § 343 Abs. 2 FamFG ist es unerheblich, wie lange der letzte gewöhnliche Aufenthalt im Inland zurückliegt.

A. Problemstellung

Gibt es eine zeitliche Grenze für die Annahme des letzten gewöhnlichen Aufenthalts im Inland?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das Kammergericht ist gemäß § 5 FamFG zur Bestimmung der Zuständigkeit im Hinblick auf eine weitere (einfache) Verwahrung eines Testaments berufen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass das AG Bielefeld gemäß § 343 Abs. 2 FamFG örtlich zuständig ist, weil der Erblasser dort seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (bis 1967) hatte. Dabei sei es unerheblich, dass der Aufenthalt bereits 50 Jahre zurückliege. Der Wortlaut des § 343 Abs. 2 FamFG und vergleichbare Vorschriften enthielten keine zeitliche Grenze. Ein Verweis auf die Auffangzuständigkeit des AG Schöneberg (§ 343 Abs. 3 Satz 1 FamFG), wenn der letzte gewöhnliche Aufenthalt im Inland länger zurückliege, sei nach Sinn und Zweck der Regelung, die eine effektive Zuständigkeitsordnung anhand des Kriteriums des Aufenthalts ermögliche, abzulehnen. Darüber hinaus verfüge das Gericht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort regelmäßig auch nach Jahrzehnten über eine größere Sachnähe als das AG Schöneberg.

C. Kontext der Entscheidung

Für die Entscheidung des Kammergerichts spricht der Wortlaut des § 343 Abs. 2 FamFG, der keine zeitliche Grenze enthält. Gleiches gilt für § 27 Abs. 2 ZPO (Besonderer Gerichtsstand der Erbschaft), der auf den letzten inländischen Wohnsitz abstellt. Auch das gleich lautende IntErbRVG – § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 34 Abs. 3 Satz 2 (für das Europäische Nachlasszeugnis) – enthält keine zeitlichen Grenzen. Die Begründung des IntErbRVG zu § 343 Abs. 2 FamFG n.F. (BT-Drs. 18/4201, S. 59), enthält keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung.
Bisher spricht sich Zimmermann (in: Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 343 Rn. 75) mit Hinweis auf Art. 10 der EUErbVO (subsidiäre Zuständigkeit) für eine zeitliche Schranke aus. Art 10 Abs. 1 Buchst. b EUErbVO sieht vor, dass der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegen darf. Anlass für diese Vorschrift ist die Annahme, dass den Erblasser nach längerer Zeit nicht mehr so viel mit dem früheren Aufenthaltsort verbindet. Die Vorschrift gilt aber nur subsidiär für einen Erblasser, der nicht in einem Mitgliedstaat der EuErbVO gestorben ist. Hier ist das Gericht des Mitgliedstaats zuständig, in dem sich Nachlass befindet, wenn der Erblasser nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des Kammergerichts zu § 343 Abs. 2 FamFG n.F. wird sich im Hinblick auf das Fehlen einer zeitlichen Schranke vermutlich durchsetzen, weil das Gesetz eine solche nicht vorsieht. Zukünftig wird daher genauer beleuchtet werden müssen, ob tatsächlich ein gewöhnlicher Aufenthalt vorlag. Nämlich, ob der Erblasser seinen sozialen, familiären und kulturellen Lebensmittelpunkt im Bezirk hatte oder der Aufenthalt nur vorübergehender Art war. Ein längerer rein beruflicher Aufenthalt in einem Staat begründet z.B. allein keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Streitig werden voraussichtlich auch die Fälle werden, in denen über mehrere Generationen hinweg Erbscheine beantragt werden und nur der erste Erblasser in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hier stellt sich dann die Frage, wer für die weiteren Erbscheine zuständig sein wird.

Keine zeitliche Grenze für letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland für örtliche Zuständigkeit
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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