Nachfolgend ein Beitrag vom 5.9.2018 von Jahnke, jurisPR-VerkR 18/2018 Anm. 1

Leitsatz

Der Innenausgleich zwischen dem Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeuges und dem Haftpflichtversicherer des mit diesem verbundenen Anhängers nach Regulierung eines durch das Gespann verursachten Schadens durch einen der beiden Versicherer kann nicht durch eine Subsidiaritätsvereinbarung des anderen Haftpflichtversicherers mit seinem Versicherungsnehmer ausgeschlossen werden.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Eine in den Bedingungen der Haftpflichtversicherung eines versicherungspflichtigen Anhängers vereinbarte Subsidiaritätsklausel führt nicht zu einer umfassenden Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers des Zugfahrzeugs im Innenverhältnis zum Haftpflichtversicherer des Anhängers und steht einem Ausgleichsanspruch aus § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht entgegen.

A. Problemstellung

Der BGH hatte sich mit dem Problem zweier sich begegnender Subsidiaritätsklauseln in Versicherungsverträgen zu befassen. Der BGH hat die Entscheidungen der Vorinstanzen, die der Klage stattgaben, mit der zugelassenen Revision bestätigt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Ein Gespann (Zugmaschine mit Auflieger) verursachte am 26.09.2014 einen Unfall. Die daraus entstehenden Schäden eines Dritten regulierte die Klägerin (als Haftpflichtversicherer der Zugmaschine), die mit der Klage nunmehr hälftigen Ersatz ihrer unfallkausalen Aufwendungen von der Beklagten (Haftpflichtversicherer des mit der Zugmaschine verbundenen Aufliegers) verlangte.
Die Beklagte sah sich nicht zur Zahlung verpflichtet, da sie nach A.1.1.5 ihrer AKB nur subsidiär hafte. Die Vertragsbestimmung lautet: „Soweit für einen unter diesen Punkt fallenden Kfz-Haftpflicht-Schaden bereits durch einen anderen Versicherer Versicherungsschutz geboten wird bzw. Versicherungsleistungen erbracht wurden, ist die hier gebotene Deckung nachrangig und nur subsidiär.“
II. Sog. eingeschränkte oder einfache Subsidiaritätsklauseln, nach denen die Haftung des Subsidiärversicherers erst dann entfallen soll, wenn und soweit eine andere Versicherung nicht nur besteht, sondern im konkreten Fall auch Deckung gewährt, sind grundsätzlich zulässig (BGH, Urt. v. 21.04.2004 – IV ZR 113/03 – VersR 2004, 994; BGH, Urt. v. 23.11.1988 – IVa ZR 143/87 – VersR 1989, 250).
Eine derartige Klausel vereitelt im Regelfall aber nicht ein bestehendes Recht des Primärversicherers zum Innenausgleich. Die durch die Subsidiaritätsklausel vereinbarte Nachrangigkeit verhindert bereits, dass es überhaupt zu einer echten Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 Abs. 1 VVG kommt (BGH, Urt. v. 18.11.2009 – IV ZR 58/06 – VersR 2010, 247; BGH, Urt. v. 13.09.2006 – IV ZR 273/05 – VersR 2006, 1536). Der Ausgleichsanspruch des Primärversicherers wird also nicht durch die Subsidiaritätsklausel ausgeschlossen, sondern es fehlt – wenn auch nur infolge des Inhalts des Vertrages zwischen dem Subsidiärversicherer und seinem Versicherungsnehmer – eine gesetzliche Voraussetzung, von der § 78 Abs. 2 VVG den Ausgleichsanspruch als Rechtsfolge abhängig macht.
III. Die von der Beklagten verwendete Subsidiaritätsklausel steht der Annahme einer Mehrfachversicherung nicht entgegen. Dass die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeugs einerseits und eines (nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. c PflVG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 FZV versicherungsfreien) Anhängers andererseits für das aus beiden Fahrzeugen gebildete Gespann eine Mehrfachversicherung i.S.d. § 78 Abs. 1 VVG begründen, ergibt sich unabhängig von den Vereinbarungen der Parteien des Versicherungsvertrages zwingend aus gesetzlichen Vorgaben. Kraft gesetzlicher Anordnung (§ 1 PflVG, §§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 3 Abs. 1 Satz 1 KfzPflVV) ist der Führer des Gespannes in Personalunion zugleich Fahrer der Zugmaschine und Führer des Anhängers und von daher in beiden Versicherungsverhältnissen zwingend mitversicherte Person. Kommt es zur schadenstiftenden Handlung und verwirklicht sich ein im Gespann begründetes Haftungsrisiko, ändert die Subsidiaritätsklausel hieran nichts; sie kann (wie die von der Beklagten verwendeten AKB selbst in A.1.1.5 Abs. 5 AKB zum Ausdruck bringen) die Kongruenz zwischen Haftung und Deckung nicht beseitigen.
IV. § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG ist, wie sich aus § 87 VVG ergibt, abdingbar (BGH, Urt. v. 19.02.2014 – IV ZR 389/12 – VersR 2014, 450 – Therstappen, jurisPR-VersR 4/2014 Anm. 2). Die von der Beklagten verwendete Subsidiaritätsklausel hat den Ausgleichsanspruch nach § 78 Abs. 2 VVG aber nicht wirksam abbedungen, weil eine solche Vereinbarung die Mitwirkung beider Parteien als Versicherer vorausgesetzt hätte. An einer solchen Abbedingung haben zwingend alle vom Innenausgleich betroffenen Versicherer mitzuwirken. Durch eine einseitige Abrede lediglich mit seinem Versicherungsnehmer kann ein einzelner in die Mehrfachversicherung einbezogener Versicherer aber seine Ausgleichspflicht gegenüber einem an dieser Vereinbarung nicht beteiligten anderen Versicherer nicht auszuschließen.
Die Vereinbarung zwischen Beklagten und ihrem Versicherungsnehmer stellt im Verhältnis zur Klägerin einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter dar, da sie im Falle ihrer Wirksamkeit ohne deren Zutun zum Ausschluss ihres Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis führen würde (vgl. auch OLG München, Urt. v. 03.07.2012 – 25 U 995/12 – BeckRS 2014, 04879 unter II 4 zur Auslegung einer sog. doppelten Subsidiaritätsklausel [Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 19.02.2014 – IV ZR 389/12 – VersR 2014, 450]).

C. Kontext der Entscheidung

1. Anwendungsbereich der Mehrfachversicherung
§ 78 VVG findet Anwendung in der gesamten Schadenversicherung (vor allem Haftpflicht und Rechtsschutzversicherung), ferner in der Krankenversicherung, soweit dort nach den Grundsätzen der Schadenversicherung Leistung gewährt wird (§ 194 Abs. 1 Satz 1 VVG). Vgl. ergänzend Stiefel/Maier, AKB, 19. Aufl. 2017, § 78 VVG Rn. 2 ff.; § 115 VVG Rn. 212 ff.
Die Bestimmungen über die Mehrfachversicherung verdrängen als abschließende Spezialvorschrift alle anderen Regelungen, u.a. auch § 86 VVG (BGH, Urt. v. 26.03.1997 – IV ZR 137/96 – VersR 1997, 1088; BGH, Urt. v. 23.11.1988 – IVa ZR 143/87 – VersR 1989, 250; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.09.2001 – 4 U 51/01 – RuS 2002, 297; LG Köln, Urt. v. 10.10.2007 – 20 O 68/07 – VersR 2008, 1258; LG Köln, Urt. v. 24.02.1982 – 24 O 484/81 – VersR 1982, 1165). Auch das Quotenvorrecht (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VVG) kommt damit nicht zum Tragen.
2. Doppelte Subsidiarität
Treffen gleichwertige Subsidiaritätsklauseln aufeinander, entspricht es dem Willen der Beteiligten, den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu stellen. Die Klauseln sind ergänzend dahin auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben mit der Folge, dass bei einer Überversicherung § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG Anwendung findet.
3. Doppelversicherung und Anhängerregress
Der BGH hält seine Rechtsprechung (erstmals BGH, Urt. v. 27.10.2010 – IV ZR 279/08 – BGHZ 187, 211; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 30.04.2013 – 14 U 191/12 – MDR 2013, 775; LG Bochum, Urt. v. 01.08.2014 – I-5 O 49/14) zum Innenausgleich bei Gespannregressen aufrecht (vgl. ergänzend Stiefel/Maier, AKB, 19. Aufl. 2017, § 115 VVG Rn. 214). Abhilfe wird hier der Gesetzgeber schaffen müssen.
4. Direktklage unter Haftpflichtversicherern
Die Ausgleichsklage nach § 78 VVG ist unter Versicherern zulässig. Es handelt sich um originäre Ansprüche. Das Gesamtschuldnerinnenverhältnis regelt § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG als anderweitige Bestimmung i.S.v. § 426 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 BGB. Im Übrigen bleiben die §§ 426 ff. (u.a. § 426 Abs. 2 BGB) anwendbar.
Ob ein Gesamtschuldnerausgleich außerhalb der Mehrfachversicherung zwischen zwei Pflichtversicherern (anders als bei „einfachen“ Haftpflichtversichern, dazu Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, StVR, 25. Aufl. 2018, § 840 BGB Rn. 25 ff.; Stiefel/Maier, AKB, 19. Aufl. 2017, § 115 VVG Rn. 231 m.w.H.) möglich ist, hat der BGH, soweit er sich zur einer Stellungnahme aufgerufen sah, bislang ausdrücklich offengelassen (BGH, Urt. v. 27.07.2010 – VI ZB 49/08 – VersR 2010, 1360; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 01.07.2008 – VI ZR 188/07 – VersR 2008, 1273), in früheren Entscheidungen aber unbeanstandet gelassen (BGH, Urt. v. 13.06.1978 – VI ZR 166/76 – VersR 1978, 843) (zum Thema Stiefel/Maier, AKB, 19. Aufl. 2017, § 115 VVG Rn. 230 m.w.H.)

D. Auswirkungen für die Praxis

Doppelte Subsidiaritätsklauseln sind nicht selten. Man kennt sie bei Reiserücktrittversicherungen, aber u.a. auch bei Autofahrer-Vereinen („Abschleppservice“, Verkehrsservice-Versicherung).
Es gelten dieselben Aspekte: Treffen zwei Subsidiaritätsklauseln aufeinander, können die beiden ihrem Mitglied bzw. Versicherten Kostenersatz Versprechenden regelmäßig nicht auf den jeweils anderen verweisen oder den Erst-Regulierenden auf den Kosten sitzen lassen. Der Aufwand wird schlicht nach Maßgabe der Mehrfachversicherungsvorschriften geteilt.

Keine Subsidiaritätsklausel beim Innenausgleich anlässlich Unfällen mit Gespannen
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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