Nachfolgend ein Beitrag vom 22.09.2015 von Podewils, jurisPR-HaGesR 9/2015 Anm. 4

Leitsatz

Ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageschuld auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, haftet, soweit die (später fällig gewordene und nicht erfüllte) Stammeinlage auf den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters nach dessen Ausschluss im Wege der Kaduzierung weder von den Zahlungspflichtigen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, grundsätzlich für diese Fehlbeträge nicht; dies gilt auch, wenn er durch Übertragung seines Geschäftsanteils auf den später mit seinem eigenen Geschäftsanteil kaduzierten Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

A.Problemstellung

Die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG ist im Rechtsverkehr nicht unbedingt jedermann geläufig, kann allerdings durchaus einschneidende Wirkung entfalten.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zwei Gesellschafter hatten eine GmbH gegründet, und zwar mit Geschäftsanteilen von 2.500 Euro bzw. 22.500 Euro. Erstere Einlage wurde vollständig, letztere nur hälftig eingezahlt. Anfang 2009 übertrug der Minderheitsgesellschafter seinen Anteil für einen Kaufpreis von 1 Euro auf den Mehrheitsgesellschafter. Dessen restliche Einlage war bis dato noch nicht eingefordert worden. Ende 2010 fiel die GmbH in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter forderte zunächst den Mehrheits- bzw. nunmehrigen Alleingesellschafter zur Einzahlung seiner ausstehenden Einlage auf. Da dieser nicht zahlte, wurde sein Geschäftsanteil gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG kaduziert. Die Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Daraufhin versuchte der Insolvenzverwalter den vormaligen Minderheitsgesellschafter, den Beklagten, in Haftung zu nehmen.

Die vom Insolvenzverwalter angestrengte Klage wurde in allen Instanzen zurückgewiesen, so schlussendlich auch vom BGH. Eine Haftung aus § 22 GmbHG als Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters für eine von diesem nicht erfüllte Einlageverpflichtung kam schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte in Bezug auf den nicht voll eingezahlten und später kaduzierten Geschäftsanteil nicht Rechtsvorgänger des säumigen Gesellschafters war. Nach § 24 GmbHG haften die übrigen Gesellschafter für den Fehlbetrag, soweit eine Stammeinlage im Kaduzierungsverfahren weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch den Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann. Allerdings sind „übrige Gesellschafter“ i.S.v. § 24 GmbHG nur solche, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Einlage (noch) Gesellschafter sind (so bereits BGH, Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 275/94 – BGHZ 132, 390, 393 ff.). Im gegebenen Fall enthielt die Satzung der GmbH keine Fälligkeitsregelung. In diesen Fällen wird der Restbetrag der Einlage erst fällig, wenn die Gesellschafter nach § 46 Nr. 2 GmbHG die Einforderung beschließen und der Geschäftsführer den Betrag anschließend einfordert (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2006 – II ZR 72/05 – BGHZ 165, 352, 355). Diese Voraussetzung war vorliegend nicht erfüllt. Das heißt, dass die restliche Einlage erst mit der Einforderung durch den Insolvenzverwalter fällig wurde (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.1982 – II ZR 89/81 – BGHZ 84, 47, 48; BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 216/06 – ZIP 2007, 2416). Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte aber bereits aus der GmbH ausgeschieden.

Der BGH hat hier diskutiert, ob eine Haftung im Zusammenspiel der §§ 22, 24 GmbHG ableitbar wäre. Wenn ein kaduzierter Gesellschafter nämlich einen weiteren nicht kaduzierten Geschäftsanteil hat, haftet er mit diesem selbst nach § 24 GmbHG (Ebbing in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 24 Rn. 36; Emmerich in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 24 Rn. 13). Daher war erwägenswert, ob den Beklagten sozusagen über den „Umweg“ als Rechtsvorgänger des übertragenen und nicht kaduzierten Geschäftsanteils eine Haftung nach den §§ 22, 24 GmbHG treffen könnte (so wohl Emmerich in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 24 Rn. 13). Dies hat der BGH jedoch abgelehnt, da Fehlbeträge nach § 24 GmbHG keine „nicht erfüllten Einlageverpflichtungen“ i.S.v. § 22 Abs. 1 GmbHG darstellten.

Ob im Einzelfall ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der fremden Einlageschuld aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, ausnahmsweise in Haftung genommen werden kann, wenn er seinen Geschäftsanteil rechtsmissbräuchlich an den später Kaduzierten übertragen hat, hat der BGH dahinstehen lassen. Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bestünden im gegebenen Sachverhalt jedenfalls keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, zumal zwischen der Übertragung und der Insolvenzeröffnung immerhin fast zwei Jahre verstrichen waren.

C. Kontext der Entscheidung

Unter Verweis auf Manipulationsgefahren hatte das OLG Köln (Urt. v. 23.06.1993 – 2 U 118/92 – NJW-RR 1994, 1192, 1194 f.) hingegen die Auffassung vertreten, dass die Ausfallhaftung eines Gesellschafters generell nicht erlösche, wenn er seinen Geschäftsanteil gerade an denjenigen Mitgesellschafter, der seinen Geschäftsanteil noch nicht (vollständig) eingezahlt hat, veräußere.

Demgegenüber haben sich weite Teile des Schrifttums für eine Begrenzung der Haftung nach § 24 GmbHG auf diejenigen ausgesprochen, die nicht nur bei Fälligkeit der ausstehenden Einlageleistung, sondern auch dann noch Gesellschafter sind, wenn sämtliche Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach § 24 GmbHG vorliegen, insbesondere also das Kaduzierungsverfahren vollständig durchgeführt und eine Aufbringung der ausstehenden Einlage nach den §§ 21 bis 23 GmbHG erfolglos versucht wurde (eingehend Ebbing in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., 2010, § 24 Rn. 27 ff., m.w.N.). Beide Positionen hat der BGH ausdrücklich verworfen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Bedeutung, die die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG im Einzelfall entfalten kann, sollte man sich vergegenwärtigen, dass diese deutlich unproportional ausfallen kann. D.h., dass ggf. ein Gesellschafter mit einer kleinen Beteiligung für die ausstehende Einlageschuld eines Gesellschafters mit einer wesentlich größeren Beteiligung haften muss. Je höher das Stammkapital im Einzelfall ist, desto höher sind folglich auch die Haftungsrisiken. Für die entschiedene Konstellation hat der BGH für mehr Rechtsklarheit gesorgt und die Haftung „rechtzeitig“ ausgeschiedener Gesellschafter begrenzt.

In vergleichbaren Fällen ist aber nach wie vor damit zu rechnen, dass ein mögliches rechtsmissbräuchliches Verhalten thematisiert wird. Sobald sich nämlich abzeichnet, dass ein Mitgesellschafter seine restliche Einlage nicht erbringen kann, und daher eine eigene Inanspruchnahme droht, liegt es durchaus nahe, sich dem durch Übertragung des eigenen Anteils zu entziehen – auch wenn sich in dieser Situation nicht immer ohne weiteres ein Erwerber finden lassen wird. Die Übertragung gegen einen nur geringen bzw. symbolischen Kaufpreis hat der BGH vorliegend noch nicht als ausreichendes Indiz für ein missbräuchliches Verhalten gewertet.

Besonders problematisch kann sich die Ausfallhaftung im Fall einer Kapitalerhöhung auswirken. Vorbehaltlich weitergehender Satzungsbestimmungen kann die Kapitalerhöhung nach § 53 Abs. 2 GmbHG mit 75%iger Mehrheit beschlossen werden. Zwar können die überstimmten Minderheitsgesellschafter nicht verpflichtet werden, neue Anteile zu übernehmen – sie würden allerdings grundsätzlich trotzdem nach § 24 GmbHG für Rückstände auf die neuen Einlagen haften (hierzu Emmerich in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 24 Rn. 16 f.; Verse in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrechtskommentar, 2. Aufl. 2014, § 24 GmbHG Rn. 6, je m.w.N.). Bislang wird den betroffenen Minderheitsgesellschaftern jedoch überwiegend nur ein sofort auszuübendes Austrittsrecht aus wichtigem Grund zugebilligt (vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 23.10.1985 – 7 O 45/85 – NJW-RR 1986, 837; weitergehende Lösungsvorschläge hingegen Gaiser, GmbHR 1999, 210 ff.: analoge Anwendung von § 39 Abs. 5 InsO). Mit diesem Problemfeld hat sich der BGH bislang noch nicht befassen müssen.