Nachfolgend gebe ich einen lesenswerten Beitrag von Dr. Felix Podewils wieder, soeben veröffentlicht in  jurisPR-HaGesR 7/2015 Anm. 1 , Anmerkungen zu dem Beschluss des BGH vom 28.4.2015 zu dem Az. II ZB 13/14:


Leitsatz

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden.

A. Problemstellung

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist oftmals der Anfang vom Ende einer GmbH. Für diesen Fall sieht § 64 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG nämlich deren Auflösung vor. Nach dieser Norm können die Gesellschafter die Fortsetzung der GmbH beschließen, wenn entweder das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt wird oder ein Insolvenzplan, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, Bestätigung findet. Fraglich ist, ob diese beiden Alternativen abschließend sind – oder ob die Gesellschafter auch in anderen Fällen die Fortsetzung beschließen können.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Eine GmbH fiel in die Insolvenz. Kurz nach der Verfahrenseröffnung wurde die Auflösung der Gesellschaft von Amts wegen im Handelsregister eingetragen. Ca. zwei Jahre später wurde das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO nach vollzogener Schlussverteilung aufgehoben, was anschließend ebenfalls im Handelsregister eingetragen wurde. Daraufhin hielt der alleinige Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss die Fortsetzung der Gesellschaft nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, da sämtliche Gläubiger vollständig befriedigt worden seien und über das statuarische Stammkapital hinausgehendes Barvermögen zur freien Verfügung des Geschäftsführers vorhanden sei.Das Registergericht hat die Anmeldung zurückgewiesen, da auch in einem solchen Fall die Fortsetzung der Gesellschaft nicht möglich sei. Die eingelegte Beschwerde blieb vor dem OLG Schleswig erfolglos (OLG Schleswig, Beschl. v. 01.04.2014 – 2 W 89/13 – NZG 2014, 698; dazu auch Fuhst, jurisPR-InsR 15/2014 Anm. 2 sowie Kluth, NZI 2014, 626).
Der BGH hat nunmehr die Entscheidung des OLG Schleswig bestätigt und die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Der BGH hat dabei den Wortlaut von § 64 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zum Ausgangspunkt genommen. Dieser verlangt für einen Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach den §§ 212, 213 InsO oder aber das Vorliegen eines Insolvenzplans, welcher den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht. Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren allerdings nach erfolgter Schlussverteilung gemäß § 200 InsO beendet; in solchen Fällen besteht regelmäßig kein fortsetzungsfähiges Unternehmen mehr. Anders aber in dem hiesigen Sachverhalt, in dem sämtliche Gläubiger befriedigt waren und das Stammkapital betragsmäßig noch vorhanden war. Trotzdem sah der BGH keinen Grund, eine Fortsetzung der GmbH analog § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zuzulassen. Denn zum einen gebe es hierfür kein Bedürfnis, da die Gesellschaft die Möglichkeit gehabt hatte, eine Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des Insolvenzgrundes nach § 212 InsO herbeizuführen. Zum anderen würde bei einer Fortsetzung der Gesellschaft allein aufgrund eines schlichten Fortsetzungsbeschlusses keine gerichtliche Prüfung stattfinden, ob die Insolvenzreife tatsächlich überwunden ist. Eine solche Prüfung wird in § 212 Satz 2 InsO hingegen verlangt.

C. Kontext der Entscheidung

Insbesondere in der Literatur ist die Auffassung verbreitet, dass bei einer Beendigung des Insolvenzverfahrens eine Fortsetzung der Gesellschaft auch in anderen als in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen nicht ausgeschlossen sei (so etwa Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 60 Rn. 51; Hacker/Petsch, ZIP 2015, 761, 768; Kluth, NZI 2014, 626, 627; Fichtelmann, GmbHR 2003, 67, 71). Nach überwiegender Auffassung, der auch die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung folgt, handelt es sich bei § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG hingegen um eine abschließende Regelung (vgl. OLG München, Beschl. v. 03.08.2005 – 31 Wx 4/05 – GmbHR 2006, 91, 92; OLG Köln, Beschl. v. 22.02.2010 – 2 Wx 18/10 – ZIP 2010, 1183, 1185; OLG Celle, Beschl. v. 29.12.2010 – 9 W 136/10 – ZIP 2011, 278; zur KO bereits BayObLG, Beschl. v. 14.10.1993 – 3Z BR 116/93 – NJW 1994, 594, 595; Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 60 Rn. 95; Arnold in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 60 GmbHG Rn. 74; wohl auch Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 60 Rn. 31).

D. Auswirkungen für die Praxis
Mit der vorliegenden Entscheidung des BGH ist diese Frage jedenfalls für die Praxis abschließend beantwortet. Dies ist zu begrüßen. Auch in der Sache verdient die Entscheidung Zustimmung.Zwar wird gegenüber einer wortlautorientierten Auslegung von § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG eingewandt, dass es sich um Formalismus handele, wenn doch alle Gläubiger befriedigt seien und das Stammkapital betragsmäßig noch vorhanden sei. Aspekte des Gläubigerschutzes seien dann nicht tangiert. Damit wird aber übersehen, dass es sich hierbei letztlich nur um eine Prämisse handelt, die dann keiner gerichtlichen Überprüfung unterläge. Vielmehr stellt die Schlussverteilung eine Zäsur im „Leben“ der Gesellschaft dar, die zumindest den Anschein ihrer Beendigung erweckt. Eine Fortsetzung der Gesellschaft durch schlichten Fortsetzungsbeschluss wäre mit dem gebotenen Gläubigerschutz nicht vereinbar. Wenn einer der gesetzlich in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG vorgesehenen Fortsetzungswege nicht beschritten wird, wird man sich zudem fragen dürfen, ob es dann möglicherweise an den notwenigen Voraussetzungen hierfür fehlen könnte. Im Übrigen hat die Entscheidung mitnichten die Konsequenz, dass die Gesellschafter die GmbH nicht auch nach erfolgter Schlussverteilung „wiederbeleben“ könnten. Allerdings sind dann die bei der Anmeldung zum Handelsregister nachzuweisenden Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung entsprechend den §§ 7, 8 GmbHG zu erfüllen (hierzu Podewils, AnwZert HaGesR 19/2010, Anm. 1 sowie AnwZert HaGesR 21/2013, Anm. 1).