Nachfolgend ein Beitrag vom 4.9.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 36/2017 Anm. 2

Leitsatz

Der personenbezogene Höchstbetrag in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 begrenzt den Abzug von Aufwendungen eines Steuerpflichtigen auch bei der Nutzung von mehreren häuslichen Arbeitszimmern in verschiedenen Haushalten typisierend auf 1.250 Euro.

A. Problemstellung

Wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, können als abziehbare Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer höchstens 1.250 Euro steuerlich berücksichtigt werden. In dem Besprechungsfall war die Frage streitig, ob diese Begrenzung auf 1.250 Euro auch dann gilt, wenn der Steuerpflichtige mehrere häusliche Arbeitszimmer in verschiedenen Haushalten nutzt, oder ob der Höchstbetrag für jedes Arbeitszimmer einzeln in Anspruch genommen werden kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger, der im Streitjahr (2009) zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, unterhält einen Wohnsitz in E und einen Wohnsitz in O. Er erzielte im Zusammenhang mit der Durchführung von Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen für Steuerberater Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. In seiner Gewinnermittlung 2009 erfasste er Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in E i.H.v. 1.783,05 Euro und ein Arbeitszimmer in O i.H.v. 791,28 Euro als Betriebsausgaben.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG Neustadt/Weinstraße, Urt. v. 25.02.2015 – 2 K 1595/13 – EFG 2015, 1076) war der Auffassung, der auch personenbezogene Abzugsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EStG) i.H.v. 1.250 Euro stehe jedem Steuerpflichtigen für jeden Veranlagungszeitraum nur einmal zu.
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügte der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Er war der Meinung, die Abzugsbeschränkung sei objektbezogen ausgestaltet. Daher stehe ihm der gesetzliche Höchstbetrag für jedes Arbeitszimmer zu.
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzgericht habe im Ergebnis zutreffend erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch auf den Abzug weiterer, über den gesetzlichen Höchstbetrag von 1.250 Euro hinausgehender Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer in O zustehe. Der personenbezogene Höchstbetrag in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG begrenze den Abzug der Aufwendungen eines Steuerpflichtigen typisierend auch bei Nutzung mehrerer häuslicher Arbeitszimmer in verschiedenen Haushalten.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts handele es sich bei den vom Kläger genutzten Arbeitszimmern in E und O jeweils um häusliche Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG, die nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers bildeten.
Der Kläger könne die ihm für das häusliche Arbeitszimmer in O entstandenen Aufwendungen nicht neben den bereits in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrages von 1.250 Euro berücksichtigten Aufwendungen für das Arbeitszimmer in E als Betriebsausgaben abziehen. Der Abzug der streitigen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in O sei aber nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil dem Kläger für seine Tätigkeit mit dem häuslichen Arbeitszimmer in E „ein anderer Arbeitsplatz“ i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung gestanden habe. Ein solcher „anderer Arbeitsplatz“ müsse – solle er den Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs begründen, weil der Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen ist – außerhalb der häuslichen Sphäre des Steuerpflichtigen zur Verfügung stehen. Ein zur Erledigung büromäßiger Arbeiten genutztes weiteres häusliches Arbeitszimmer sei daher kein „anderer Arbeitsplatz“ i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG.
Der Betriebsausgabenabzug des Klägers sei zudem nicht auf den Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, wohl aber – unabhängig von der Anzahl der von ihm genutzten häuslichen Arbeitszimmer – auf den gesetzlichen Höchstbetrag begrenzt. Denn das Wort „ein“ sei nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel zu verstehen (so auch BFH, Urt. v. 15.12.2016 – VI R 53/12 – BFHE 256, 143, m. Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 16/2017 Anm. 2). Allerdings sei der Betriebsausgabenabzug durch den gesetzlichen Höchstbetrag begrenzt, auch wenn der Kläger mehrere häusliche Arbeitszimmer nutze. Der nicht einkünfte-, aber personenbezogene Höchstbetrag in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG (z.B. BFH, Urt. v. 15.12.2016 – VI R 53/12 – BFHE 256, 143) beschränke den Abzug der Betriebsausgaben für den Steuerpflichtigen in typisierender Weise und damit unabhängig von der Zahl der tatsächlich genutzten häuslichen Arbeitszimmer auf 1.250 Euro.
Hierfür spreche insbesondere die Systematik der Vorschrift. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG schließe dem Wortlaut nach den Betriebsausgabenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung aus und schreibe damit ein generelles Betriebsausgabenabzugsverbot für häusliche Arbeitszimmer fest. Ein Steuerpflichtiger könne entsprechende Aufwendungen demnach grundsätzlich weder für ein noch für mehrere häusliche Arbeitszimmer abziehen. Als Ausnahme hierzu ermögliche § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG einen der Höhe nach begrenzten Abzug von Aufwendungen für jene Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Danach begründe das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes zwar die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers und damit (ausnahmsweise) einen typisierten, der Höhe nach begrenzten Betriebsausgabenabzug; eine Vervielfachung des Höchstbetrages bei Nutzung mehrerer häuslicher Arbeitszimmer lasse sich hieraus indes nicht herleiten.
Schließlich habe auch der Hilfsantrag des Klägers, mit dem er die Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur Nachholung der Prüfung begehrte, welchen Einfluss die von ihm im Arbeitszimmer in O durchgeführte Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung haben könne, keinen Erfolg. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zur Begründung vorgebrachte Sachverhalt, wonach der Kläger im häuslichen Arbeitszimmer in O auch Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit Vermietungseinkünften durchgeführt habe, als neuer Sachvortrag im Revisionsverfahren unbeachtlich sei.

C. Kontext der Entscheidung

I. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG, der für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007 gilt (§ 52 Abs. 12 Satz 9 EStG), kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt aber nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).
II. Die Typisierungswirkung und Personenbezogenheit des Höchstbetrages von 1.250 Euro kommt insbesondere auch in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zum Ausdruck: Der Gesetzgeber hat mit der im Streitjahr geltenden Regelung für die Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, im Wesentlichen die bis zur Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2007 geltende Rechtslage wiederhergestellt (vgl. BT-Drs. 17/3549, S. 15), nachdem das BVerfG entschieden hatte, dass ein Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs für diese Fallgruppe das Gebot hinreichend realitätsgerechter Typisierung verfehle. Betroffen seien insoweit Fälle, in denen die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers durch objektive Merkmale bestimmt sei. Zwar sei die Erforderlichkeit keine allgemeine Voraussetzung für die Qualifikation von Erwerbsaufwendungen, auch dann nicht, wenn solche Aufwendungen die Lebensführung des Steuerpflichtigen berührten. Die erkennbar gegebene Erforderlichkeit fungiere in diesem Fall aber als legitimes Hilfsmittel einer typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und Privatsphäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09 – BVerfGE 126, 268). Mit der Wiedereinführung des personenbezogenen, typisierenden Höchstbetrages hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass dem Steuerpflichtigen – auch wenn das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes für die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers spricht – ein Betriebsausgabenabzug nur bis zur Höhe des gesetzlichen Höchstbetrages zusteht, ohne dass es auf die individuell gestalteten Besonderheiten (insbesondere auch zur Lage, Größe und Qualität der Wohnung einschließlich des häuslichen Arbeitszimmers) ankommt.
Damit wird der dem Steuerpflichtigen entstandene Aufwand auch unabhängig von der Anzahl der von ihm genutzten Arbeitszimmer bis zum Höchstbetrag von 1.250 Euro typisierend abgegolten. Er kann seine Aufwendungen daher nur bis zum gesetzlichen Höchstbetrag abziehen, auch wenn er in einem Veranlagungszeitraum zwei Arbeitszimmer im gleichen Haushalt oder (z.B. durch einen Umzug veranlasst) zeitlich gestaffelt zwei Arbeitszimmer in zwei verschiedenen Haushalten nutzt (so z.B. schon BFH, Urt. v. 09.11.2006 – IV R 2/06 – BFH/NV 2007, 677; BFH, Urt. v. 23.09.2009 – IV R 21/08 – BFHE 227, 31 = BStBl II 2010, 337, damals allerdings ausgehend von objektbezogenem Höchstbetrag, m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 12/2010 Anm. 4). Aber auch dann, wenn der Steuerpflichtige wie im Besprechungsfall im gleichen Veranlagungszeitraum (parallel) mehrere Arbeitszimmer in verschiedenen Haushalten nutzt, begrenzt der gesetzliche Höchstbetrag den Betriebsausgabenabzug.
III. Ob der Abzug der Aufwendungen auch deshalb auf den Höchstbetrag begrenzt ist, weil die Rechtsprechung bisher (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 09.11.2006 – IV R 2/06 – BFH/NV 2007, 677) – ausgehend von der mittlerweile überholten Objektbezogenheit des Höchstbetrages – funktionsgleich genutzte häusliche Arbeitszimmer in einem Haushalt des Steuerpflichtigen bzw. mehrere funktionsgleich genutzte häusliche Arbeitszimmer, die während eines Veranlagungszeitraums nacheinander in den verschiedenen Häusern bzw. Wohnungen des Steuerpflichtigen genutzt werden, als funktionale Einheit und damit für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG als ein Objekt angesehen hat, und ob diese Rechtsprechung auf den Besprechungsfall übertragbar ist, konnte der BFH somit dahinstehen lassen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Auch bei Nutzung mehrerer häuslicher Arbeitszimmer durch einen Steuerpflichtigen in verschiedenen Haushalten ist eine Vervielfachung des personenbezogenen Höchstbetrages nicht zulässig. Der Höchstbetrag begrenzt den Abzug von Aufwendungen eines Steuerpflichtigen typisierend auf 1.250 Euro.
Der Abzug ist allerdings nicht auf den Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer beschränkt, denn das Wort „ein“ ist nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel zu verstehen.
Die Besprechungsentscheidung führt damit konsequent die Grundsätze des Urteils des BFH vom 15.12.2016 (VI R 53/12 – BFHE 256, 143) weiter. In jenem Urteil hatte der BFH bereits in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, wenn mehrere Steuerpflichtige ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam nutzen, kann jeder Nutzende die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, die er getragen hat, einkünftemindernd geltend machen, sofern die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in seiner Person vorliegen.