Nachfolgend ein Beitrag vom 24.8.2017 von Wall, jurisPR-MietR 17/2017 Anm. 2

Leitsatz

Rechnet der Vermieter den Heiz- und Warmwasserverbrauch des Mieters in der Heizkostenabrechnung nach erfasstem Verbrauch ab, steht dem Mieter ein Kürzungsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO nicht zu, auch wenn es der Vermieter entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenVO unterlassen hat, einen Wärmezähler zur Erfassung der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge zu installieren.

A. Problemstellung

Die meisten Gebäude werden über eine sog. verbundene Anlage mit Heizwärme und Warmwasser versorgt. Damit die beiden Kostenarten getrennt abgerechnet werden können, muss eine Kostentrennung vorgenommen werden. Dazu ist seit 2014 grundsätzlich vorgeschrieben, dass die auf die Warmwasserversorgung entfallende Wärmemenge mit einem Wärmezähler gemessen wird. Das LG Berlin hatte zu klären, ob der Mieter von dem Kürzungsrecht nach § 12 HeizkostenV Gebrauch machen darf, wenn die Wärmemenge für das Warmwasser nicht gemessen, sondern nach einem pauschalem Verfahren mithilfe einer der beiden Formeln nach § 9 Abs. 2 HeizkostenV bestimmt wurde.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das LG Berlin hat entschieden, dass dem Mieter kein Kürzungsrecht zusteht. Dieses Recht bestehe gemäß § 12 HeizkostenV nur, wenn der Vermieter entgegen der Vorschriften der Heizkostenverordnung verbrauchsunabhängig abrechne, nicht aber wenn die Abrechnung aus sonstigen Gründen fehlerhaft sei. Die Abrechnung über die Heiz- und Warmwasserkosten entspreche zwar nicht den Vorgaben von § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV. Das ändere jedoch nichts daran, dass die Abrechnung gleichwohl verbrauchsabhängig erstellt sei.

C. Kontext der Entscheidung

I. Kürzungsrecht bei fehlendem Wärmezähler zur Warmwasserabtrennung
Nunmehr liegt ein erstes Urteil zu der Anwendbarkeit des Kürzungsrechts bei fehlendem Wärmezähler zur Warmwasserabtrennung vor. In der Fachliteratur ist die Rechtsfrage sehr umstritten.
Nach einer Ansicht darf der Mieter nicht kürzen. Die Vertreter dieser Auffassung führen im Wesentlichen das gleiche Argument wie das LG Berlin ins Feld. Das Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 HeizkostenV bestehe, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden. Die Abrechnung sei jedoch auch ohne Messung durch einen Wärmezähler als verbrauchsabhängig anzusehen (Kinne, Grundeigentum 2012, 303, 308; Lammel, ZMR 2016, 6).
Die Gegenansicht, die ein Kürzungsrecht befürwortet, knüpft an die Rechtsprechung des BGH zur Vorerfassung von Heizkosten bei der Aufteilung auf Nutzergruppen an (Lindner, AnwZert MietR 24/2015, Anm. 2; Ormanschick in: Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 15. Aufl. 2016, Rn. 6321a; Pfeifer, Grundeigentum 2013, 462; Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 6329; Wall, WuM 2013, 648, 650). Der BGH hat entschieden, dass der Verbrauch jeder Nutzergruppe mit einem eigenen Wärmezähler zu erfassen ist. Er hat dem Mieter das Kürzungsrecht zugesprochen, wenn diese Verpflichtung nicht eingehalten wurde (BGH, Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 329/14 – WuM 2016, 174; BGH, Urt. v. 16.07.2008 – VIII ZR 57/07 – WuM 2008, 556; vgl. dazu ID-Recht v. 03.09.2008). Dabei hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Heizkostenverordnung eine Messung für jede Nutzergruppe vorschreibe. „Messen“ bedeute im Kontext der Heizkostenverordnung „erfassen“, nicht aber „ermitteln“. Als Argument führt der BGH die auftretenden Ungenauigkeiten bei der Kostenverteilung an, wenn der Verbrauch eine Nutzergruppe nicht gemessen wird. Dabei könne es zu einer erheblichen Abweichung von dem tatsächlichen Verbrauch kommen.
Die Argumentation des BGH zur Nutzergruppentrennung lässt sich auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragen. Die Sach- und Interessenlage ist weitgehend identisch. Die Heizkostenverordnung sieht eine Aufteilung der Kosten ohne Einsatz eines Wärmezählers seit dem Abrechnungszeitraum 2014 nicht mehr als sachgerecht an. Wird der Wärmeverbrauch für das Warmwasser nicht gemessen, sondern anhand einer der beiden Formeln bestimmt, kann es zu erheblichen Abweichungen von den tatsächlichen Verbrauchswerten kommen. Das Ergebnis dieser pauschalisierten Berechnungsmethoden kann seit der letzten Novellierung der Heizkostenverordnung nicht mehr als verbrauchsabhängig i.S.v. § 12 Abs. 1 HeizkostenV angesehen werden. Der Zweck dieser Regelung besteht auch darin, den Nutzer durch genauere Ermittlung der Verbräuche zu einem bewussteren und sparsameren Umgang mit der Heizenergie anzuhalten. Ein Rückgriff auf das Kürzungsrecht ist deshalb entgegen der Auffassung des LG Berlin gerechtfertigt. Könnte ein Vermieter bei einem unterbliebenen Zählereinbau nach wie vor auf eine pauschale Berechnungsmethode anhand der Formeln zurückgreifen, liefe die Einbaupflicht praktisch ins Leere (Lindner, AnwZert MietR 24/2015, Anm. 2).
II. Anspruch auf Installation eines Wärmezählers
Alternativ oder zusätzlich zum Kürzungsrecht hat der Mieter einen Anspruch auf Einbau eines Wärmezählers. Damit lässt sich die ordnungsgemäße Abtrennung der Warmwasserkosten für künftige Abrechnungszeiträume durchsetzen. Aus § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV folgt die Pflicht des Vermieters ein solches Gerät zu installieren. § 4 Abs. 4 HeizkostenV eröffnet dem Mieter einen Anspruch auf Erfüllung dieser Pflicht. Diese Vorschrift umfasst neben dem Anspruch auf Ausstattung der Wohnungen auch die in § 9 HeizkostenV festgelegten Installationsplichten (Bub/Bernhard, FD-MietR 2017, 393260; Lammel, Heizkostenverordnung, 4. Aufl. 2015, § 4 Rn. 57; Lammel in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 4 HeizkostenV Rn. 11).
III. Ausnahme von der Einbaupflicht?
§ 9 Abs. 2 Satz 3 HeizkostenV legt eine Ausnahme fest. Ein Wärmezähler muss nicht installiert werden, wenn die Wärmemenge „nur mit einem unzumutbar hohen Aufwand gemessen werden kann“. Die Einzelheiten dazu, wann sich der Vermieter auf diese Ausnahme stützen kann, sind umstritten. Nach der Begründung zur Einführung dieser Regelung kann dies zum Beispiel der Fall sein, wenn die Anbringung des Messgeräts aus baulichen oder technischen Gründen unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde (Begr. der BReg. zur Änderung der Heizkostenverordnung v. 08.08.2008, BR-Drs. 570/08, S. 16). Der Vermieter kann sich demnach darauf stützen, dass der Einbau zu kostenaufwendig oder technisch nahezu unmöglich wäre. Der Vermieter ist darlegungs- und beweispflichtig, dass dieser Ausnahmetatbestand eingreift. Der Nachweis ließe sich zum Beispiel durch den Kostenvoranschlag eines Handwerkbetriebs oder Abrechnungsunternehmens erbringen. Unklar ist, jedoch ab welcher Kostengrenze der Aufwand als unzumutbar anzusehen ist. Die Zumutbarkeit dürfte auch abhängig sein von der Größe der Heizungsanlage und der Liegenschaft.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil trifft eine erste Aussage zum Kürzungsrecht bei fehlender Messung des Wärmeverbrauchs zur Warmwasserkostenabtrennung. Das LG Berlin hat sich jedoch mit den zitierten Entscheidungen des BGH zur Nutzergruppentrennung nicht auseinandergesetzt. Sie finden in dem Urteil keine Erwähnung. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte der Auffassung des LG Berlin folgen werden.