Nachfolgend ein Beitrag vom 24.6.2016 von Retzlaff, jurisPR-BGHZivilR 11/2016 Anm. 2

Leitsatz

Eine verdeckte Sacheinlage einer Altforderung des Gesellschafters liegt sowohl dann vor, wenn erst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung der Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder teilweise als Bareinlage zurückgezahlt wird.

A. Problemstellung

Übernimmt der Gesellschafter einer GmbH im Zuge einer Kapitalerhöhung einen neuen Geschäftsanteil, wird eine hiermit verbundene Bareinlagepflicht nur dann sicher getilgt, wenn der Gesellschafter nach dem Wirksamwerden der Kapitalerhöhung an die Gesellschaft zahlt. Zahlt er davor, hat diese Voreinzahlung grundsätzlich nur dann Erfüllungswirkung, wenn sie beim Wirksamwerden der Kapitalerhöhung noch als Bank- oder Kassenguthaben im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. Andernfalls muss der Gesellschafter die Einlage grundsätzlich ein zweites Mal zahlen. Zugleich steht ihm aber ein Anspruch auf Rückforderung der vergeblichen Voreinzahlung zu. Kann der Gesellschafter auf dieser Grundlage eine der beiden Zahlungen wieder zurückfordern?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eine GmbH hat drei Gesellschafter, darunter den Beklagten. Die Gesellschaft benötigte Kapital. Ende März zahlte der Beklagte 100.000 Euro an die Gesellschaft. Ende April beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital der Gesellschaft um 150.000 Euro zu erhöhen. Der Beklagte übernahm neue Geschäftsanteile in Höhe von 100.000 Euro. Nachdem die Gesellschaft am 05.06. an den Beklagten eine „Rückzahlung“ von 100.000 Euro geleistet hatte, zahlte dieser am 09.06. an die GmbH wiederum einen Betrag von 100.000 Euro mit dem Verwendungszweck „Kapitalerhöhung“.
Die weiteren in dem Urteil erwähnten Zahlungen können außer Betracht bleiben (Rn. 26 des Besprechungsurteils).
Nun ist die Gesellschaft insolvent. Der Insolvenzverwalter nimmt den Beklagten auf Zahlung seiner erhöhten Einlage von 100.000 Euro in Anspruch.
Nach dem BGH besteht dieser Anspruch grundsätzlich fort. Aufgrund der Übernahme weiterer Geschäftsanteile zum Zwecke der Kapitalerhöhung war der Beklagte verpflichtet, an die GmbH eine Bareinlage von 100.000 Euro zu leisten. Diese Verpflichtung habe er nicht erfüllt, obgleich er sogar zweimal 100.000 Euro an die Gesellschaft gezahlt hatte, nämlich im März und im Juni.
Wer im Zuge einer Kapitalerhöhung neue Geschäftsanteile an einer GmbH übernimmt, kann nur dann sicher sein, dass seine Zahlung die Pflicht zur Bareinlage tilgt, wenn sie nach dem Gesellschafterbeschluss über die Kapitalerhöhung geleistet wird. Voreinzahlungen tilgen nur dann, wenn der Geldbetrag bei der nachfolgenden Beschlussfassung „als solcher“ (also als Bank- oder Kassenguthaben) noch zweifelsfrei im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (Rn. 18 des Besprechungsurteils, m.w.N.). Bei einer Überweisung auf das Konto der Gesellschaft muss dieses durchgängig ein entsprechendes Guthaben aufgewiesen haben. Das war hier nicht der Fall. Aus diesem Grund hatte die erste Zahlung keine Tilgungswirkung.
Die zweite Zahlung des Beklagten am 09.06. hatte keine Tilgungswirkung, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zahlung der Gesellschaft vom 05.06. an ihn in selber Höhe stand. Die Zahlung vom 05.06. war von der Gesellschaft als „Rückzahlung“ deklariert, es ging ihr also offenbar um die Rückerstattung der „wirkungslosen“ ersten Zahlung, mit der der Beklagte seine Einlage nicht tilgen konnte. Indem der Beklagte diesen Betrag nach wenigen Tagen wieder zurückzahlt, wird deutlich, dass er im Grunde keinen Geldbetrag einlegt, sondern eine Forderung, oder genauer: einen Forderungsverzicht (Rn. 29 des Besprechungsurteils, vgl. a. BGH, Urt. v. 10.07.2012 – II ZR 212/10 – NJW 2012, 3035 Rn. 16). Denn im Gesamtergebnis der beiden Zahlungsvorgänge verändert sich das Vermögen der GmbH nicht auf der Aktivseite im Punkt Bankguthaben oder Kassenbestand, sondern dadurch, dass die Gesellschaft auf der Passivseite nicht mehr mit der Verbindlichkeit belastet ist, die nicht tilgende erste Zahlung in Höhe von 100.000 Euro an den Beklagten zurückerstatten zu müssen (Rn. 26 ff. des Besprechungsurteils). Aus diesem Grund hat nun auch die zweite Zahlung des Beklagten gemäß den §§ 19 Abs. 4 Satz 1, 56 Abs. 2 GmbHG keine Erfüllungswirkung. Seine Pflicht zur Bareinlage besteht mithin fort.
Die Reihenfolge der beiden gegenläufigen Zahlungen, die die verdeckte Sacheinlage gleichsam „markieren“, ist gleichgültig (Rn. 30 des Besprechungsurteils). Im vorliegenden Fall hat zuerst die Gesellschaft 100.000 Euro an den Gesellschafter geleistet (deklariert als „Rückzahlung“), dann der Gesellschafter seine vermeintliche Bareinlage an die Gesellschaft („Her- und Hinzahlung“). Genauso wie bei der umgekehrten Reihenfolge („Hin- und Herzahlung“) ist die maßgebliche Einlage nicht der zurückgezahlte Barbetrag, sondern der im Ergebnis dem Gesellschaftsvermögen zugewandte Sachwert, hier ein Forderungsverzicht.
An dieser Stelle sind allerdings die §§ 19 Abs. 4 Satz 3, 56 Abs. 2 GmbHG zu beachten: Die Bareinlagepflicht des Gesellschafters besteht zwar fort, aber der Wert der von ihm geleisteten verdeckten Sacheinlage ist hierauf anzurechnen, so dass er in diesem Umfang im Ergebnis doch von seiner Einlagepflicht befreit ist. Es kommt nun also auf die Frage an, welchen Wert die Forderung des Beklagten gegen die GmbH auf Rückerstattung seiner wirkungslosen ersten Zahlung hatte (zum Zeitpunkt vgl. § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG). Dies hatte das Berufungsgericht übersehen, weshalb der BGH dorthin zurückverweist.
Für die noch ausstehende Bewertung der Forderung gegen die GmbH kommt es darauf an, ob das Gesellschaftsvermögen nach ihrer Befriedigung ausreicht, alle sonstigen fälligen Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zu erfüllen (Rn. 33 des Besprechungsurteils, m.w.N.). Dies ist stichtagsbezogen vom Gesellschafter darzulegen, wobei stille Reserven berücksichtigt werden dürfen (Rn. 34). Es ist grundsätzlich unschädlich, wenn das Vermögen der GmbH nicht mehr die Stammkapitalziffer erreichen sollte (Unterbilanz), solange die Gesellschaft jedenfalls nicht überschuldet ist. Im Fall einer Überschuldung hängt die Werthaltigkeit des Bereicherungsanspruchs von der Höhe des Fehlbetrags ab.

C. Kontext der Entscheidung

Die vom BGH behandelte Problematik ist eine Konsequenz der fehlenden Tilgungswirkung einer Voreinzahlung auf eine noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung. Gerade in einer Krise der Gesellschaft kann mit der Zuführung weiterer Mittel bisweilen nicht bis zur Beschlussfassung gewartet werden, so dass ein Bedürfnis nach einer Voreinzahlung bestehen kann. Diese kann dann in zwei Fällen Tilgungswirkung entfalten:
1. Die Voreinzahlung ist zur Sanierung erforderlich, von vornherein eindeutig hierzu bestimmt und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der nachfolgenden Kapitalerhöhung (im Einzelnen: BGH, Urt. v. 26.06.2006 – II ZR 43/05 – BGHZ 168, 201 Rn. 15 ff.; dies ist auch bei der Versicherung im Rahmen der Registeranmeldung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu berücksichtigen, vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 56a Rn. 15).
2. Daneben tilgt eine Voreinzahlung die mit dem Gesellschafterbeschluss entstehende Einlagepflicht wie bereits erwähnt auch dann, wenn der geleistete Betrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung „als solcher“ (also als Bank- oder Kassenguthaben) noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (vgl. Rn. 18 des Besprechungsurteils, m.w.N.).
Der vorliegende Fall zeigt: Tritt keine Tilgungswirkung in diesem Sinne ein, kann sie auch nicht auf Umwegen herbeigeführt werden. Der Gesellschafter muss die Bareinlage neu an die Gesellschaft leisten. Daneben mag er einen Anspruch auf Rückerstattung seiner ersten Zahlung haben. Er darf sich diesen aber nicht in Zusammenhang mit der zweiten Einlageleistung von der Gesellschaft erfüllen lassen, sonst liegt ein Hin- und Herzahlen vor, das eine Sacheinlage verdeckt, nämlich den eigentlich zugewendeten Verzicht auf den Rückerstattungsanspruch.
Allerdings ist der Wert dieses Rückzahlungsanspruchs gemäß den §§ 19 Abs. 4 Satz 3, 56 Abs. 2 GmbHG auf die weiterhin bestehende Bareinlagepflicht anzurechnen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Beabsichtigt eine GmbH eine Kapitalerhöhung, sollten die Gesellschafter Voreinzahlungen auf hierdurch begründete Bareinlagen nur dann leisten, wenn deren Tilgungswirkung nach den Vorgaben des BGH (Urt. v. 26.06.2006 – II ZR 43/05) feststeht. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, droht dem Gesellschafter, die Einlage doppelt leisten zu müssen. Will er dies vermeiden, muss die Kapitalerhöhung nach der nicht tilgenden Voreinzahlung mit einer Sacheinlage durchgeführt werden (§ 56 GmbHG), wobei der Gesellschafter seinen Anspruch auf Rückerstattung der Voreinzahlung einbringt (BGH, Beschl. v. 10.07.2012 – II ZR 212/10 Rn. 16, m.w.N.).
Wird eine Bareinlage beschlossen, ist allerdings auch eine verdeckte Einlage hierauf anzurechnen (§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG). Den mitunter schwierigen stichtagsbezogenen und rückschauenden Nachweis der Werthaltigkeit des Anspruches hat aber der Gesellschafter zu führen. Solange die Gesellschaft im Stichtag nicht überschuldet ist, spricht gleichwohl vieles für eine Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs, so dass der Gesellschafter im Ergebnis dann doch von seiner Einlage befreit sein kann.


Anmerkung: Diese in erster Linie im Bereich des Gesellschaftsrechts verortete Problematik kann sich – was der Autor leider nicht näher thematisiert – gerade in der Insolvenz der GmbH als nachhaltiger Vermögensschaden des betroffenen Gesellschafters dauerhaft manifestieren. Mehr und mehr Insolvenzverwalter, denen die Affinität zum Gesellschaftsrecht in der Regel nicht in die Wiege gelegt ist, gehen zwischenzeitlich dazu über, sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen, die ihre Basis im Gesellschaftsrecht haben, entsprechend versierter Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht zu bedienen. Da wir strukturell eher auf der Seite von Mandanten stehen, die sich derartigen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern ausgesetzt sehen, sind wir bei der Annahme von Mandaten von Insolvenzverwaltern eher zurückhaltend geworden und würden es begrüßen, wenn gleichermaßen qualifizierte Kollegen dies ebenso handhaben würden. Gleichwohl wird man die Entwicklung nicht aufhalten können und die Erfahrungen in die gesellschaftsrechtliche Beratungspraxis zwingend einfließen lassen müssen.

Bedauerlicherweise bewegen sich in diesem Segment immer noch vornehmlich Steuerberater, deren gesellschaftsrechtliche Kompetenz teilweise den Stand aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufweist. Haftungsfolgen werden dabei souverän ignoriert.