Nachfolgend ein Beitrag vom 23.3.2018 von Gies, jurisPR-MietR 6/2018 Anm. 1
Orientierungssatz zur Anmerkung
Zum rechtlichen Schicksal einer mitvermieteten Einbauküche, die nach einer Klausel im Mietvertrag bei Defekten seitens des Vermieters nicht instand zu setzen sein soll.
A. Problemstellung
Das AG Berlin-Neukölln hatte sich mit der Problematik zu befassen, dass dem Wohnungsmieter eine Einbauküche überlassen war, diese in Teilen während der Mietzeit defekt wurde und die Mieter nunmehr einen Zahlungs- und Instandhaltungsanspruch verfolgen. Die Vermieterin berief sich demgegenüber darauf, die Einbauküche gehöre nicht zu den mitvermieteten Gegenständen, weil hierüber eine besondere Vereinbarung im Mietvertrag getroffen worden sei, der zufolge die Einbauküche lediglich zur Nutzung überlassen werde und Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten des Vermieters insoweit abbedungen seien.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger sind Mieter, die Beklagte ist Vermieterin einer Wohnung. In der Wohnung befindet sich eine Einbauküche mit Kühlschrank und Geschirrspülmaschine. Nach § 23 des Mietvertrages ist die Einbauküche den Mietern lediglich zur Nutzung überlassen und eine Instandsetzungs- und Instandhaltungsverpflichtung des Vermieters besteht nicht.
Im Verlaufe der Mietzeit sind die Geschirrspülmaschine sowie der Griff des Kühlschrankes kaputt gegangen. Im Hinblick auf den defekten Griff der Kühlschranktür verfolgen die Kläger einen Zahlungsanspruch i.H.v. 135 Euro gegen die Beklagte; bezüglich der defekten Geschirrspülmaschine verlangen sie von der Vermieterin die Vornahme einer Reparatur.
Das AG Berlin-Neukölln hat die Klage abgewiesen.
Ein vertraglicher Anspruch sei für die Kläger bereits deshalb nicht gegeben, weil die Einbauküche nicht Gegenstand des Mietvertrages sei. Durch § 23 des Mietvertrages sei ausdrücklich vereinbart, dass die Einbauküche dem Mieter lediglich zur Nutzung überlassen sei und den Vermieter weder eine Instandsetzung- noch eine Instandhaltungspflicht treffe. Diese Klausel sei in vollem Umfang wirksam. Bedenken gegen die Klausel nach den §§ 305c ff. oder 307 BGB bestünden nicht. Zudem seien die Kläger für den Fall von Defekten an der Einbauküche nicht rechtlos gestellt: Statt einer Reparatur eines defekten Gerätes könnte den Klägern ein Anspruch auf Beseitigung des Gerätes gegen den Vermieter zustehen, um das beschädigte Gerät durch ein eigenes – intaktes – Gerät zu ersetzen.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil des AG Berlin-Neukölln ist im Ergebnis wie auch der Begründung äußerst bedenklich.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Beseitigung des Mangels der Einbauküche – hier des Geschirrspülers – abgewiesen, ohne eine Anspruchsgrundlage zu benennen, die seinen Überlegungen hätten zugrunde gelegt werden können. Die Klage auf Beseitigung eines Mangels hätte auf § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützt werden können, wenn die Einbauküche als Teil des Mietobjekts zu betrachten wäre und demgemäß mietrechtliche Regelungen zur Anwendung kommen könnten.
Ohne Bedenken sind Mietverträge über Wohnungen denkbar, die sich auf eine zusätzlich überlassene Einbauküche erstrecken können. Für diesen Fall sind die mietrechtlichen Regelungen der §§ 535 ff. BGB in vollem Umfang anwendbar. Allerdings sind auch Fallkonstellationen möglich, in denen eine überlassene Einbauküche ein von der mietweise überlassenen Wohnung abweichendes rechtliches Schicksal genießt. Dies mag insbesondere dann vorliegen, wenn die Einbauküche seitens des Mieters etwa vom Vormieter übernommen worden ist, denkbar im Wege eines Kaufvertrages; in diesem Fall wäre der Mieter Eigentümer der Einbauküche geworden mit der Folge, dass der Wohnraummietvertrag zwischen Vermieter und Mieter das rechtliche Schicksal der Einbauküche unberührt lässt und namentlich den Vermieter keine mietvertraglichen Verpflichtungen hinsichtlich der Einbauküche treffen.
Obwohl das Amtsgericht einen Tatbestand seinem Urteil nicht beigefügt hat – was angesichts des Streitwerts und der damit verbundenen Beschwer wegen § 313a ZPO auch nicht erforderlich war –, ist tatbestandlich davon auszugehen, dass die Einbauküche dem Wohnungsmieter vom Vermieter überlassen worden war, jedoch eine Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht für den Vermieter nicht bestehen sollte. Das Amtsgericht geht vom Vorliegen einer Klausel aus und hätte demgemäß die Wirksamkeit dieser Klausel einer genaueren Prüfung unterziehen müssen.
Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, die Einbauküche gehöre nicht zum Mietobjekt. Diese Bewertung ist rechtsfehlerhaft. § 23 des Mietvertrages bezieht sich allein auf eine Instandhaltungspflicht und Instandsetzungsverpflichtung zulasten des Vermieters, die abbedungen sind. Die Einbauküche ist vom Vermieter dem Mieter überlassen worden, ohne dass ersichtlich wäre, dass etwa ein besonderer Vertrag über die Einbauküche zwischen den Parteien abgeschlossen worden wäre; zu denken wäre an eine Leihe, §§ 598 ff. BGB. Da aber nichts dafür spricht, dass entsprechende Regelungen getroffen worden sind und sich die Klausel des § 23 des Mietvertrages allein auf eine Abbedingung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht bezieht, ist die Einbauküche Teil des Mietvertrages, so dass damit mietvertragliche Regelungen gelten.
In engen Grenzen mag eine Abwälzung von Instandsetzungs- und Instandhaltungspflichten auf den Wohnungsmieter rechtlich möglich sein; dies gilt namentlich für den Fall einer Individualvereinbarung. Eine derartige Fallkonstellation ist hier allerdings nicht gegeben, denn allein die grundsätzliche Verpflichtung des Vermieters auf Instandhaltung und -setzung ist abbedungen, nicht aber eine derartige Verpflichtung ausdrücklich auf den Wohnungsmieter übertragen. Der Sache nach handelt es sich um eine verdeckte Vornahmeklausel zulasten des Wohnungsmieters. Vornahmeklauseln zulasten des Wohnungsmieters sind generell unzulässig. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Vornahmeklausel umgangen wird. Ist nämlich die Geschirrspülmaschine defekt, müsste nach dem gesetzlichen Leitbild des Mietrechts der Vermieter die Reparatur veranlassen; bei konsequenter Anwendung der vereinbarten Klausel wäre aber der Mieter gehalten, die Reparatur durchführen zu lassen, will er nicht den defekten Zustand der Mietsache auf Dauer hinnehmen. Damit liegt eine i.S.d. § 306a BGB unzulässige Umgehung einer Vornahmeklausel vor, so dass im Ergebnis dem AG Berlin-Neukölln nicht zugestimmt werden kann. Der Mieter ist nach dem Wortlaut der Klausel nicht mit der Instandsetzung belastet, praktisch aber doch, weil er zur Reparatur genötigt wird. Hierin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Wohnungsmieters, die nicht hingenommen werden kann. Wesentliche Grundsätze des Mietrechts sind durch die Klausel aus den Angeln gehoben worden.
Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass bei konsequenter Anwendung der Klausel des § 23 des Mietvertrages die gesetzliche Wertung des § 536 Abs. 4 BGB unterlaufen wird. Der Mieter müsste den Defekt an der Einbauküche hinnehmen, obwohl ein derartiger Zustand der Vorschrift des § 536 Abs. 4 BGB zuwiderliefe, der zufolge eine zum Nachteil des Mieters von § 536 BGB abweichende Vereinbarung unwirksam sein soll.
Die Rechtsfolge einer unwirksamen Klausel ergibt sich aus § 306 Abs. 2 BGB. Demgemäß ist das Mietrecht nach den Vorgaben des Bürgerlichen Rechts anwendbar. Da zur Höhe des Anspruchs auf Instandsetzung nichts näher vorgetragen ist, auch nicht zur Höhe des Zahlungsanspruchs, kann insoweit eine nähere Prüfung nicht vorgenommen werden. Eine rechtliche Neubewertung ergibt aber, dass dem Grunde nach die seitens der Wohnungsmieter verfolgten Ansprüche nicht mit der vom Amtsgericht gegebenen Begründung hätten verneint werden können.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des Amtsgerichts zeigt deutlich, dass es geschickten Wohnungsvermietern gelingen kann, Schutzrechte der Wohnungsmieter zu unterlaufen. Sachgerecht wäre gewesen, sich im Rechtsstreit anwaltlicher Hilfe zu bedienen, um den Umgehungscharakter der Klausel des § 23 des Mietvertrages herauszuarbeiten. Auch in scheinbar einfach gelagerten Fällen sind manche Fußangeln verborgen, denen zu begegnen anwaltlicher Sachkunde bedurft hätte. Die Auswirkungen der Entscheidung des AG Berlin-Neukölln dürften überschaubar bleiben.
Mühlhausen
Telefon: 03601 48 32 0
Leinefelde
Telefon: 03605 544 330
Gotha
Telefon: 03621 510 18 60 (RAe)
Telefon: 03621 510 18 00 (StB)
oder schreiben Sie hier eine Mail: