Nachfolgend ein Beitrag vom 4.5.2016 von Jahreis, jurisPR-MietR 9/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Die Überlassung von Wohnungseigentum an Asylbewerber stellt eine zulässige Wohnnutzung dar.
2. Der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt es für die Untersagung der Vermietung und Überlassung von Wohneigentum an Asylbewerber an der Beschlusskompetenz.

A. Problemstellung

Stellt die Vermietung von Wohneigentum zur Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung dar?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei ihnen eine Wohneinheit als Teileigentum und eine dazugehörige Kellereinheit als Sondereigentum zugewiesen sind. Laut Teilungserklärung darf die Wohneinheit ausschließlich zu Wohnzwecken benutzt werden. Für die Kellereinheit wurde in der Teilungserklärung die Nutzung als Hobbyraum festgelegt. Die Kläger haben sowohl die ihnen als Sondereigentum zugewiesene Wohneinheit als auch die zugehörige Kellereinheit an den Freistaat Bayern vermietet, wobei dieser die Wohneinheit zur Unterbringung von Asylbewerbern nutzt. Die zugehörige Kellereinheit wurde als Fitness- und Aufenthaltsraum genutzt.
In der Eigentümerversammlung wurde daraufhin der Beschluss gefasst, den Klägern die Vermietung des Teil- bzw. Sondereigentums zur Unterbringung von Asylbewerbern zu untersagen und ebenfalls zu untersagen, andere Wohnungen zur Unterbringung von Asylbewerbern zu vermieten.
Die Kläger waren der Auffassung, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung rechtswidrig sei und erhoben Klage gegen den Beschluss.
Das AG Laufen hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und festgestellt, dass die Unterbringung von Asylbewerbern eine zulässige Wohnnutzung sei.
Auch die Nutzung der als Hobbyraum bezeichneten Kellereinheit als Fitness- und Aufenthaltsraum sei rechtmäßig. Im Übrigen fehle es der Eigentümerversammlung bereits an einer Beschlusskompetenz hinsichtlich des angefochtenen Tagesordnungspunktes.

C. Kontext der Entscheidung

Das AG Laufen geht in seiner Entscheidung von einer älteren Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus (BayObLG, Beschl. v. 28.11.1991 – BReg 2 Z 133/91), wonach die Überlassung von Wohnraum an Asylbewerber grundsätzlich eine zulässige Wohnnutzung darstellt. Die Unzulässigkeit einer solchen Nutzung im Einzelfall wegen unangemessen hoher Beanspruchung des Gemeinschaftseigentums kann nach dieser Rechtsprechung nicht pauschal für bestimmte Nutzungsarten angenommen werden. Stattdessen kann sich die Unzulässigkeit nur im Einzelfall aufgrund konkreter Anhaltspunkte ergeben. Gleichzeitig steht die Entscheidung des AG Laufen im Einklang mit einer Entscheidung des LG Bremen (LG Bremen, Beschl. v. 19.08.1994 – 2 T 443/94 – WuM 1995, 49), wonach die Überlassung von Wohnungseigentum an eine Ordnungsbehörde, die dort Wohnungslose einweist, keine gewerbliche Nutzung, sondern eine Wohnnutzung darstellt. Eine ältere entgegenstehende Rechtsprechung des AG Wetter (AG Wetter, Beschl. v. 27.11.1990 – 6 II 214/90 – ZMR 1991, 150), wonach eine Vermietung zur Unterbringung von Asylbewerbern dann eine gewerbliche Nutzung und keine Wohnnutzung mehr darstellt, wenn mehr als eine Familie in der entsprechenden Wohnung untergebracht ist, dürfte daher überholt sein und einen Einzelfall darstellen.
Das AG Laufen hat auch Bezug auf die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2010 (BGH, Urt. v. 15.01.2010 – V ZR 72/09) genommen. Danach stellt die Vermietung einer Wohneinheit an Feriengäste eine an sich grundsätzlich zulässige Wohnnutzung dar. Das AG Laufen stellt in seiner Entscheidung eine überzeugende Parallele zwischen der Vermietung an Feriengäste und der Überlassung des Wohnraums zur Unterbringung von Asylbewerbern her. Da sowohl bei der Vermietung an Feriengäste als auch bei der Unterbringung von Asylbewerbern ein ständiger Wechsel der Mieter stattfindet, sind diese Nutzungsarten ungefähr vergleichbar.
Die Feststellung, dass mit einer Belegung mit acht Personen bei einer Wohnfläche von 92 m² keine Überbelegung vorliegt, entspricht der bisherigen Rechtsprechung. Insbesondere nahm in der Vergangenheit bereits das OLG Frankfurt bei Belegung einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 50 m² mit einer fünfköpfigen Familie keine Überbelegung an (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.05.1994 – 20 W 216/94 – ZMR 1994, 378).
Dass das AG Laufen hinsichtlich der grundsätzlichen Untersagung einer bestimmten Nutzung auf eine mangelnde Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung abstellt, entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung (BGH, Beschl. v. 20.09.2000 – V ZB 58/99). Denn wenn nach dieser Rechtsprechung ein Sondernutzungsrecht nicht durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung begründet werden kann, so erscheint es auch folgerichtig, dass eine an sich nach dem Gesetz bzw. der Teilungserklärung zulässige Wohnnutzung nicht durch Mehrheitsbeschluss grundsätzlich in ihrem Inhalt geändert oder teilweise verboten werden kann.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die vorstehende Entscheidung besitzt aufgrund der derzeitigen Vielzahl von Asylbewerbern für die Beschlussfassung in Eigentümerversammlungen und der Ausfüllung des Begriffes der Wohnzwecke große praktische Relevanz. Die Unterbringung von Asylbewerbern stellt dabei eine Nutzungsart dar, die vom Begriff der Nutzung für Wohnzwecke mit umfasst ist. Da aber eine bestimmte Nutzung wegen übermäßiger Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums nicht pauschal zulässig oder unzulässig sein kann, sondern immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist, kann die Vermietung einer Wohneinheit zur Unterbringung von Asylbewerbern in besonders gelagerten Einzelfällen – nämlich dann, wenn im konkreten Fall tatsächlich eine übermäßige Inanspruchnahme festgestellt werden kann – ausnahmsweise unzulässig sein. Soweit die Eigentümerversammlung gleichwohl einen Beschluss fassen will, wonach eine laut Teilungserklärung an sich zulässige Nutzung untersagt wird, fehlt ihr von vornherein die erforderliche Beschlusskompetenz.