Nachfolgend ein Beitrag vom 12.1.2018 von Geisler, jurisPR-BGHZivilR 1/2018 Anm. 1

Leitsätze

1. Auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd begründet das Vorhandensein eines „Röntgenbefundes“, sofern die Kaufvertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung geschlossen haben, für sich genommen grundsätzlich noch keinen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06 – NJW 2007, 1351 Rn. 14 ff.; v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 – BGHZ 167, 40 Rn. 27 ff.). Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, wie häufig derartige Röntgenbefunde vorkommen (insoweit Klarstellung des Senatsurteils v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06 Rn. 20).
2. Der Verkäufer eines solchen Dressurpferdes hat – wie auch sonst beim Verkauf eines Reitpferdes – ohne eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Kaufvertragsparteien nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und es deshalb oder aus sonstigen Gründen für die vertraglich vorausgesetzte bzw. gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar sein wird (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 Rn. 37; v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06).
3. Die Veräußerung eines vom Verkäufer – hier einem nicht im Bereich des Pferdehandels tätigen selbstständigen Reitlehrer und Pferdeausbilder – ausschließlich zu privaten Zwecken genutzten Pferdes ist regelmäßig nicht als Unternehmergeschäft zu qualifizieren (im Anschluss an Senatsurteile v. 13.03.2013 – VIII ZR 186/12 – NJW 2013, 2107 Rn. 18; v. 27.09.2017 – VIII ZR 271/16, unter II 3 b).

A. Problemstellung

Beim Tierkauf führen Fragen der Gewährleistung zum Mangelbegriff, Vertragsauslegung, Beweislastverteilung sowie die Unternehmereigenschaft des Verkäufers oft zu streitigen Auseinandersetzungen. Der BGH musste sich mit diesen Fragen am Fall eines hochpreisigen Dressurpferdes befassen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger kaufte Ende des Jahres 2010 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages vom Beklagten einen damals zehnjährigen Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 Euro, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbstständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, wurde das Pferd an den Kläger im Januar 2011 übergeben. Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für schwerwiegende Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe – das Pferd lahme, habe offensichtliche Schmerzen und widersetze sich gegen die reiterliche Einwirkung. Der Beklagte war demgegenüber der Auffassung, diese Probleme seien nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden.
Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung sei der Beklagte nicht als Unternehmer anzusehen, und der Kläger könne sich ihm gegenüber nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen. Auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd könnten Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen, solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.
Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) als Reitpferd werde nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehöre es zur üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspreche. Ein Käufer könne redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern müsse im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise. Diese Grundsätze gelten auch für hochpreisige Dressurpferde und unabhängig davon, ob es sich um einen vergleichsweise häufig oder selten auftretenden Röntgenbefund handelt.
Somit könne der streitgegenständliche Röntgenbefund keinen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB begründen. Denn der gerichtliche Sachverständige habe klinische Auswirkungen dieses Befundes weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Ohne eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB habe der Verkäufer nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank sei und sich nicht in einem Zustand befinde, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranken werde.
Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht komme, könnten allenfalls die vom Kläger behaupteten diversen „Rittigkeitsprobleme“ (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen solchen begründen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden gewesen und nicht erst danach aufgetreten seien. Hierzu bedürfe es weiterer Feststellungen des Oberlandesgerichts.
Der Kläger könne sich nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen. Denn diese Vorschrift gelte nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kaufe (sog. Verbrauchsgüterkauf). An einer Unternehmereigenschaft des Beklagten habe es vorliegend jedoch gefehlt, denn er habe bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht „in Ausübung“ seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder gehandelt. Vielmehr habe er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur gewesen und er ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen sei.

C. Kontext der Entscheidung

Mit dieser Entscheidung hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06) bestätigt und dahingehend fortentwickelt, dass auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd Abweichungen von der „physiologischen Idealnorm“ ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen. Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes wird für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Jene Entscheidung betraf ein Pferd, welches nur zur Freizeitgestaltung ohne irgendwelche Turnierverwendung gebraucht werden sollte. Bei der vorliegenden Entscheidung handelte es sich jedoch um ein hochpreisiges Dressurpferd, welches bei Wettbewerben gewinnbringend eingesetzt werden sollte.
Obwohl dieser Verwendungszweck den Parteien bekannt war, ist es wenig verständlich, wenn der Senat meinte, dass dieser Zweck für die Annahme eines Sachmangels ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung unerheblich sei. Der Senat hat die gesetzliche Definition eines Sachmangels unzureichend gewürdigt, denn nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn sich das Pferd für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet oder wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Dressurpferden der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Senat neigt dazu, Pferde unabhängig von der konkreten Verwendungsart gleich zu beurteilen, obwohl gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie der vorliegende Röntgenbefund, die Funktionsfähigkeit als Dressurpferd spürbar beeinträchtigen.
Da nach Auffassung des Senats weder eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Ausbleiben eines Röntgenbefunds am Halswirbel vorliegt noch die Abweichung von der physiologischen Idealnorm einen eigenständigen Mangel zu begründen vermag, war die Frage zu klären, ob die Rittigkeitsprobleme – Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit – bereits bei Gefahrübergang vorhanden waren. Der BGH kam dem Verkäufer dadurch entgegen, dass er mangels Unternehmereigenschaft i.S.v. § 14 BGB die Vermutungswirkung des § 476 BGB nicht angewendet hat. Obwohl ein „allenfalls äußerlicher“ Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder einerseits und der Ausbildung und dem Verkauf des Pferdes andererseits bestanden hat, reichte dies dem Senat nicht aus, um eine selbstständige berufliche Tätigkeit des Verkäufers anzunehmen. Was sollte noch näherliegen als der äußerliche Zusammenhang? Der Senat verschloss sich der Tatsache, dass auch Nebengeschäfte eines gewerblichen Pferdeausbilders unternehmerischen Charakter haben und sogar der erstmalige Verkauf auf zukünftiges unternehmerisches Handeln gerichtet sein kann (BGH, Beschl. v. 24.02.2005 – III ZB 36/04). Zudem liegt ein Verbrauchsgüterkauf auch dann vor, wenn es sich um ein branchenfremdes Nebengeschäft des Unternehmers handelt (BGH, Urt. v. 13.07.2011 – VIII ZR 215/10 Rn. 19). Der Verkauf eines Pferdes liegt nicht so weit von dem gewöhnlichen Tätigkeitsfeld des Pferdeausbilders entfernt, dass es seinem Gewerbe nicht zugerechnet werden kann. Zudem ist es nicht unüblich, dass ein Pferdeausbilder, der sich ja gerade mit der Ausbildung von Pferden befasst, ein von ihm erfolgreich ausgebildetes Pferd dann auch verkauft.
Die Privatsphäre wird aus Gründen des Verbraucherschutzes immer dann verlassen, wenn der Vertragsschluss mit der ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit in irgendeinem Zusammenhang steht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach dieser Entscheidung begründen auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd Abweichungen von der physiologischen Idealnorm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel, solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben. Um Rückabwicklungsrisiken wegen Sachmängeln zu vermeiden, ist einem Käufer, der beim Tierkauf derartige Abweichungen von der physiologischen Idealnorm vermeiden will, zu empfehlen, einen schriftlichen Kaufvertrag mit einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB zu vereinbaren. Darin sollte auch klargestellt werden, ob der Verkäufer gewerblich als Unternehmer handelt oder nicht.

Gewährleistung beim Kauf eines hochpreisigen Dressurpferdes
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
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