Nachfolgend ein Beitrag vom 20.11.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 23/2017 Anm. 5

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Gerichtsstand für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Hafteinlageschuld gemäß den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB bemisst sich entweder nach den §§ 12, 13 ZPO nach dem Gerichtsstand des Beklagten oder gemäß § 29 Abs. 1 ZPO nach dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Eine gerichtliche Zuständigkeit aus § 22 ZPO scheidet aus.

A. Problemstellung

Gerade bei Publikums-KGs in der Insolvenz bildet die Geltendmachung von Hafteinlageschulden gemäß den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB ein für den Insolvenzverwalter häufig aufwändiges und prozessual bisweilen schwieriges Tätigkeitsfeld. Regelmäßig bemühen sich Insolvenzverwalter darum, die gerichtliche Zuständigkeit möglichst am Sitz der Gesellschaft zu konzentrieren, da regelmäßig dort auch das entsprechende Insolvenzverfahren geführt wird und der Verwalter seine Büroinfrastruktur vorhält. Das LG Hamburg indes verneint (wie im Übrigen auch die ansonsten ergangene obergerichtliche Rechtsprechung) einen Gerichtsstand auf der Basis des § 22 ZPO. Die Entscheidung verdient im Ergebnis Zustimmung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In der vorliegenden Entscheidung, die in Form eines Beschlusses nach § 281 Abs. 1 ZPO über die örtliche Unzuständigkeit und Verweisung an das örtlich zuständige LG Dortmund ergangen ist, setzt sich das LG Hamburg explizit und ausführlich mit der Problemlage der Gerichtsstände, auch betreffend die §§ 22, 29 sowie 12 und 13 ZPO, bei Hafteinlageschulden auseinander. Das LG Hamburg sieht eine örtliche Zuständigkeit aus § 22 ZPO als nicht gegeben an. Nach § 22 ZPO sei das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand einer Gesellschaft für die Klagen zuständig, die von der Gesellschaft oder von dem Insolvenzverwalter gegen die Mitglieder als solche erhoben werden. Um eine solche Klage handele es sich vorliegend jedoch nicht. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Hafteinlageschuld gemäß den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB sei kein Anspruch der Gesellschaft, sondern ausdrücklich ein solcher der Gesellschaftsgläubiger. Dies ergebe sich bereits aus § 171 Abs. 2 HGB, der davon spreche, dass es sich um das den Gesellschaftsgläubigern nach Abs. 1 zustehende Recht handele. Dieses werde im Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Hierbei handele es sich um einen gesetzlichen Anspruch der Gläubiger gegen den Kommanditisten, der das Rechtsverhältnis der Mitgliedschaft als solches nicht betreffe. Ein Gesellschaftsgläubiger müsse am Sitz des Kommanditisten klagen. Entsprechendes gelte für den lediglich an seine Stelle tretenden Insolvenzgläubiger. Damit habe der Gesellschaftsgläubiger die Möglichkeit, wahlweise gemäß § 35 ZPO am Sitz des Kommanditisten, dessen Gerichtsstand aus den §§ 12 und 13 ZPO folge, oder gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes zu klagen. Im streitgegenständlichen Fall wäre der Gerichtsstand der §§ 12 und 13 ZPO das LG Mannheim. Nach § 29 ZPO sei für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis oder über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen sei. Dabei finde die Vorschrift auch Anwendung auf die akzessorische Haftung der Gesellschafter gemäß den §§ 128, 129, 171 HGB. Maßgeblich sei danach als Erfüllungsort der Sitz der Gesellschaft. Der allgemeine Gerichtsstand der Insolvenzschuldnerin liege jedoch nicht in Hamburg. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO werde der allgemeine Gerichtsstand einer Gesellschaft durch ihren Sitz bestimmt. Eingetragener Sitz der Insolvenzschuldnerin sei Dortmund. Sofern der Kläger vortrage, dass die Verwaltung in Hamburg geführt worden sei, komme es hierauf angesichts der vorrangigen Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht an. Denn danach gelte der Ort der Verwaltung erst dann als Sitz der Gesellschaft, wenn sich nichts anderes ergebe. Soweit sich der Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 27.05.1957 (II ZR 317/55) darauf berufe, bei Personenhandelsgesellschaften sei auf den Ort der Verwaltung abzustellen, stehe dem der eindeutige Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO entgegen. Dass der Sitz der Gesellschaft in Dortmund zudem nicht nur „auf dem Papier“ bestanden habe, folge im Übrigen auch daraus, dass die Stadt Dortmund nach dem klägerischen Vortrag immerhin Gewerbesteuer-Forderungen in Höhe von mehr als 600.000 Euro zur Tabelle angemeldet habe. Soweit dem Kläger danach gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen Gerichtsständen aus den §§ 12 und 13 ZPO einerseits und § 29 ZPO andererseits zustehe, habe er dieses Wahlrecht vorrangig gemäß § 29 ZPO ausgeübt, so dass der Rechtsstreit antragsgemäß an das LG Dortmund, nicht an das LG Mannheim zu verweisen gewesen sei.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des LG Hamburg in der vorliegenden Fallgestaltung ist von allgemeinem Interesse und beleuchtet noch einmal schulbuchmäßig, wie sich Gerichtsstände bei der Haftungsinanspruchnahme eines Kommanditisten gemäß den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB ergeben. Das Landgericht weist zunächst völlig zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem Anspruch nicht um einen Anspruch der Gesellschaft selbst, sondern um einen Anspruch der Gesellschaftsgläubiger handele. Diesen mache im vorliegenden Fall nur aufgrund gesetzlicher Regelung der Insolvenzverwalter geltend. Es handele sich aber jedoch ausdrücklich nicht um einen Anspruch, der das Gesellschaftsverhältnis als solches betreffe und daher unter den Gerichtsstand des § 22 ZPO gefasst werden könne.
Es bleibt dabei nur bei der Regelung zum allgemeinen Gerichtsstand aus den §§ 12 und 13 ZPO einerseits und dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes aus § 29 Abs. 1 ZPO. Hierbei kommt im vorliegenden Fall die Besonderheit zum Tragen, dass satzungsmäßiger Sitz und die tatsächlich geführte Verwaltung auseinanderfallen. Während der satzungsmäßige Sitz Dortmund war, wurde die Verwaltung wohl von Hamburg aus ausgeführt. Das LG Hamburg lässt dies jedoch explizit auch nicht dafür ausreichen, nach § 29 Abs. 1 ZPO einen Hamburger Gerichtsstand anzuerkennen. Vielmehr stellt es völlig zu Recht auf § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO ab, wonach der Ort der Verwaltung erst dann als Sitz der Gesellschaft gilt, wenn sich nichts anderes ergebe. Dies jedoch ist im vorliegenden Fall gerade nicht der Fall, da eingetragener Sitz Dortmund war. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts hat der Kläger im vorliegenden Fall daher Verweisung an das LG Dortmund beantragt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung stellt nochmals klar, dass Ansprüche nach den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB nicht unter Bezugnahme auf den Gerichtsstand des § 22 ZPO vor dem sich daraus ergebenden örtlich zuständigen Gericht verfolgt werden können, sondern auf die Gerichtsstände entweder der §§ 12 und 13 einerseits bzw. § 29 ZPO andererseits abzustellen ist. Insofern besteht auch ein Wahlrecht des Klägers. Die Entscheidung verdient inhaltlich Zustimmung.

Gerichtsstand für die Geltendmachung von Hafteinlageschulden bei insolventer Publikums-KG
Thomas HansenRechtsanwalt
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