Nachfolgend ein Beitrag vom 21.8.2017 von Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 34/2017 Anm. 4

Leitsatz

Auf das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus der Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung aus dem mitunternehmerischen Vermögen finden die Grundsätze der Realteilung auch dann Anwendung, wenn die Abfindung nicht in der Übertragung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, sondern in der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter besteht (gegen BMF-Schreiben v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004, BStBl I 2017, 36).

A. Problemstellung

Scheidet ein Mitunternehmer aus der Mitunternehmerschaft gegen Erhalt einer Abfindung aus, wird dieser Vorgang nach ständiger Rechtsprechung als Veräußerung des Mitunternehmeranteils an die verbleibenden Mitunternehmer (unter Aufdeckung der stillen Reserven) beurteilt und erfüllt den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das gilt jedoch nicht, wenn auf das Ausscheiden gegen Sachwertabfindung die Regelungen über die Realteilung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG angewendet werden können. In diesem Fall werden die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortgeführt.
Der BFH hatte zu entscheiden, ob auch das Ausscheiden aus einer Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern den Realteilungsgrundsätzen folgt. Er hat dies bejaht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der im Jahr 2002 der Beigeladene (B.) als Kommanditist zu 36% beteiligt war. Zum 31.12.2002 legte B. Beteiligungen an zwei ausländischen Kapitalgesellschaften, die er im Sonderbetriebsvermögen hielt, zu Buchwerten in die Klägerin ein. Zum 01.01.2003 (Streitjahr) übertrug er seinen Mitunternehmeranteil an der Klägerin auf die Z.-KG, die er als alleiniger Kommanditist mit einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war, zuvor gegründet hatte. Sodann trat die Z.-KG ebenfalls am 01.01.2003 aus der Klägerin aus und zwar gegen Übernahme von Wirtschaftsgütern aus einem von sechs Geschäftsbereichen der Klägerin. Die Z.-KG führte in ihrer Bilanz auf den 01.01.2003 die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fort und übte mit ihnen den Betrieb des übernommenen Geschäftsbereichs aus.
Das Finanzamt ging nach einer Außenprüfung davon aus, dass die Umstrukturierungen wirtschaftlich als das Ausscheiden des B. aus der Klägerin gegen Sachwertabfindung mit Spitzenausgleich im Wege eines Tauschs zu würdigen seien. Im Ergebnis habe der B. einen Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Im Zusammenhang mit der Einlage der Auslandsbeteiligungen sei ein allen Gesellschaftern nach dem bisherigen Beteiligungsverhältnis zuzurechnender Gewinn entstanden. Ferner habe die Klägerin aus dem Verkauf des Geschäftsbereichs an B. einen Gewinn erzielt, der den verbleibenden Gesellschaftern zuzurechnen sei. Die dagegen erhobene Klage war in vollem Umfang erfolgreich (FG Düsseldorf, Urt. v. 04.12.2014 – 14 K 2968/09 F – EFG 2015, 551).
Die vom Finanzgericht zugelassene Revision des Finanzamts hatte keinen Erfolg. Gewinne im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des B. und der Z.-KG aus der Klägerin hätten – so der BFH – im Feststellungsbescheid für das Streitjahr nicht aufgenommen werden dürfen. Die Übertragung der Kommanditanteile auf die Z.-KG zum 01.01.2003 habe nicht zu einem Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils des B. i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geführt. § 24 UmwStG gehe als spezielleres Gesetz den Regelungen des § 16 EStG vor. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG dürfe die Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz mit dem Buchwert ansetzen. Dieser Wert gelte nach § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis. Danach sei im Streitfall aufgrund der Wahl der Buchwertfortführung kein Gewinn entstanden.
Das (anschließende) Ausscheiden der Z.-KG aus der Klägerin am 01.01.2003 habe ebenfalls nicht zu einem Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils durch die Z.-KG geführt. Nicht nur bei Sachwertabfindungen mit Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen, sondern in allen Fällen einer Sachwertabfindung sei das Ausscheiden des Mitunternehmers als Aufgabe seines Mitunternehmeranteils zu behandeln. Auf alle Fälle einer solchen Aufgabe seien die Regelungen der Realteilung anzuwenden, denn § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG betreffe Realteilungen mit Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen und einzelnen Wirtschaftsgütern gleichermaßen. Die Kumulation der Übertragungen zum Buchwert habe nicht zu einem dem Zweck von § 24 UmwStG und § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG widersprechenden Ergebnis geführt. Soweit die Übertragungen zu einer Verlagerung stiller Reserven geführt haben sollten, habe dies allein zwischen den bisherigen Mitunternehmern der Klägerin stattgefunden.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Entscheidung befasst sich zum einen mit § 24 UmwStG (Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft), der – sowohl im Streitjahr als auch heute – eine Sonderregelung für die Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (hier Einbringung des Kommanditanteils des B. an der Klägerin in die Z.-KG) darstellt. § 24 Abs. 2 und Abs. 3 UmwStG verfolgen wie auch § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG den Zweck, Umstrukturierungen von Personenunternehmen zu erleichtern. Durch die Einbringung eines Mitunternehmeranteils unter Wahl der Buchwertfortführung entsteht kein Veräußerungsgewinn, wenn der Einbringende nur Gesellschaftsrechte oder neben den Gesellschaftsrechten andere Gegenleistungen (Mischentgelt) erhält und das Gesamtentgelt (Summe der Gutschrift auf dem Kapitalkonto der Personengesellschaft und des gemeinen Werts der Gegenleistung) den Buchwert des eingebrachten Mitunternehmeranteils nicht übersteigt (vgl. BFH, Urt. v. 18.09.2013 – X R 42/10 – BStBl II 2016, 639, unter II.3.b, m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 2/2014 Anm. 5). Für nach dem 31.12.2014 geschlossene Einbringungsverträge ist allerdings die gesetzliche Begrenzung der Gewährung von sonstigen Gegenleistungen gemäß § 24 Abs. 2 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 02.11.2015 zu beachten.
II. 1. Zum anderen hat der BFH den Anwendungsbereich der Realteilung erweitert. Während der BFH ursprünglich die Realteilung in Anlehnung an das Zivilrecht definiert hat als Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt, hat er später das Vorliegen der Realteilung nicht mehr von der Auflösung der Mitunternehmerschaft abhängig gemacht (BFH, Urt. v. 17.09.2015 – III R 49/13 – BStBl II 2017, 37, unter III.3.e). Nach dieser Rechtsprechung kommt eine Realteilung auch in Betracht, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines – weiterhin zum Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen gehörenden – Teilbetriebs ausscheidet. Dem hat sich inzwischen auch die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF, Schreiben v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004 – BStBl I 2017, 36, unter II.).
2. Ob dies auch bei Mitnahme von Einzelwirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters gilt oder in einem solchen Fall § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG eingreift, konnte der BFH in dieser Entscheidung noch offenlassen. Nun hat er diese Frage bejaht, denn § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG betrifft Realteilungen mit Teilbetrieben, Mitunternehmerschaften und einzelnen Wirtschaftsgütern gleichermaßen. Eine Bindung an das Zivilrecht besteht bei der Auslegung des Begriffs „Realteilung“ i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht, da es sich dort um einen steuerrechtlichen Begriff handelt. Somit ist das Ausscheiden eines Mitunternehmers (hier das Ausscheiden der Z.-KG aus der Klägerin) in allen Fällen einer Sachabfindung als Aufgabe seines Mitunternehmeranteils zu behandeln, für die die Regelungen der Realteilung anzuwenden sind. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung, die dies derzeit noch anders beurteilt (BMF, Schreiben v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004 – BStBl I 2017, 36, unter II.), dem folgen wird.
3. Die Auflösung der Mitunternehmerschaft bei Verteilung des Betriebsvermögens wird vom BFH als „echte Realteilung“ und das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft als „unechte Realteilung“ bezeichnet (BFH, Urt. v. 16.03.2017 – IV R 31/14, unter B.II.2.b). Ob eine echte oder unechte Realteilung vorliegt, richtet sich also danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird (echte Realteilung) oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet (unechte Realteilung). In beiden Fällen finden die Regelungen von § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG Anwendung. Ein etwaiger Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven in Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens im Zuge einer echten Realteilung (z.B. weil einzelne Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen des Mitunternehmers überführt werden) ist als Aufgabegewinn der Gesellschaft zu erfassen, der auf den Mitunternehmer zu verteilen ist, nicht aber als Veräußerungsgewinn dieses Mitunternehmers.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Es gibt keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist (BFH, Urt. v. 16.12.2015 – IV R 8/12 – BFHE 252, 141, unter B.II.2., m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 19/2016 Anm. 1). Abgesehen von den Fällen des § 42 AO ist das Steuergesetz vielmehr auf die jeweiligen zivilrechtlich verwirklichten Rechtsgeschäfte anzuwenden. Deshalb konnte die Übertragung des Kommanditanteils des B. auf die Z.-KG und das Ausscheiden der Z.-KG aus der Klägerin nicht als einheitlicher Lebenssachverhalt gewürdigt werden. Die Rechtsgeschäfte waren stattdessen je für sich unter die steuerrechtlichen Tatbestände zu subsumieren.
II. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, der ebenfalls eine Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern ermöglicht, findet in Fällen der Realteilung keine Anwendung. Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzung einer Minderung von Gesellschaftsrechten auch den Fall des Ausscheidens aus der Personengesellschaft umfasst, ist die Regelung in § 16 Abs. 2 und Abs. 3 EStG die speziellere Norm, die genau den Fall des Ausscheidens erfasst. Dies hat der BFH nun hervorgehoben. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG hat aber Bedeutung z.B. bei der laufenden Entnahme von Wirtschaftsgütern gegen Minderung von Gesellschaftsrechten (Wacker in: Schmidt, EStG, 36. Aufl., § 16 Rn. 536).