Nachfolgend ein Beitrag vom 27.7.2017 von Bieber, jurisPR-MietR 15/2017 Anm. 1

Orientierungssätze

1. Das Füttern wilder Tauben auf dem Außengelände einer Mietwohnung ist ebenso wie das Füttern von Katzen nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gedeckt.
2. Tauben verursachen eine starke Verunreinigung durch ihren Kot und sind Träger von Ungeziefer. Durch beides kann es zur Verbreitung von Infektionen kommen. Darüberhinaus besteht in der Stadt Frankfurt am Main ein Taubenfütterungsverbot.
3. Ein Vermieter hat in diesem Fall gegenüber dem Mieter einen Anspruch auf Unterlassung der Taubenfütterung und des Auslegens von Katzenfutter gemäß § 541 BGB.

A. Problemstellung

Umfang und Grenzen des vertragsgemäßen oder vertragswidrigen Gebrauchs scheinen weitgehend geklärt, wenn man die entsprechenden Kommentierungen durchgeht. Offenbar aber doch nicht vollständig, wie eine Entscheidung des AG Frankfurt zeigt, in der es um das Füttern von Tauben und Katzen geht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die in einer Mietwohnung in Frankfurt a.M. lebende Beklagte hatte auf dem umliegenden Grundstück während mehrerer Monate Katzenfutter ausgelegt und wilde Tauben gefüttert. Nachdem Mitmieter sich hierüber unter Vorlage von Fotos beschwert hatten, forderte die Klägerin die Beklagte zur Unterlassung auf. Weil die Beklagte dem nicht nachkam, erhob die Klägerin Unterlassungsklage.
Das AG Frankfurt hat der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt es zu unterlassen, in den Außenanlagen des Wohngrundstücks Tauben zu füttern oder Katzenfutter auszulegen.
Das Füttern der Tiere auf dem umliegenden Grundstück stelle sich als vertragswidrig i.S.d. § 541 BGB dar. Wörtlich führte das Amtsgericht zur weiteren Begründung aus: „Es handelt sich nicht um die Tiere der Beklagten, deren Aufnahme in die Wohnung die Klägerin genehmigt hätte. Das Füttern von wilden Tauben ist im Gebiet der Stadt Frankfurt a.M. durch Satzung verboten. Tauben verursachen eine starke Verunreinigung durch ihren Kot. Sie sind Träger von Ungeziefer. Durch beides kann es zur Verbreitung von Infektionen kommen. Dass die Fütterung nicht auf dem Balkon, sondern auf dem das Haus umgebenden Außengelände stattfindet, lässt keine andere Beurteilung zu. Denn die Mieter haben im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs darauf zu achten, Treppenhäuser, Zugänge und Außengelände frei nicht in dem Haus geduldeter Tiere zu halten. Dem steht das Anfüttern und Anlocken von Tieren entgegen.“

C. Kontext der Entscheidung

§ 541 BGB untersagt dem Mieter, von der Mietsache einen vertragswidrigen Gebrauch zu machen bzw. gibt – anders gewendet – dem Vermieter das Recht, die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs zu verlangen. In beiden Varianten geht es um die Mietsache, also das Objekt, das Gegenstand des Mietvertrages ist. Dieses wird in den Mietverträgen in der Regel etwa so bezeichnet: „Vermietet werden in dem Haus … folgende Räume im 1. Obergeschoss: Vier Zimmer, Bad, WC, Küche.“ Kein Wort betrifft den Zugang zur Wohnung, also das Treppenhaus, oder den Hauseingang, den Zugang zu den Mülleimern oder die das Haus umgebenden Grundstücksflächen. Wie kann dann § 541 BGB Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsverlangen der Vermieterin sein? Soweit es gleichwohl z.B. bei Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl., § 535 Rn. 4, heißt, dass bei der Raummiete die zu den Räumen gehörigen Zu- und Abgänge einschließlich der Treppen und Flure mitvermietet seien, dürfte es sich wenigstens um eine missverständliche Formulierung handeln: Wenn eine Mietvermietung vorläge, dürfte der Mieter sich im Falle z.B. der Beschädigung eines Fensters oder der Beschmierung der Treppenwände auf einen zur Minderung berechtigenden Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB berufen und zwar nicht nur der eine Mieter, sondern sämtliche Mieter des betreffenden Treppenaufgangs. Was das für finanzielle Auswirkungen auf den Vermieter hätte, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Richtigerweise wird deshalb davon ausgegangen, dass der Mietvertrag dem Mieter (lediglich) die Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen ermöglicht (BGH, Urt. v. 10.11.2006 – V ZR 46/06 – NJW 2007, 146, 147 l. Sp.; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 535 Rn. 25). Wenn deshalb § 541 BGB mangels vermieteter Mietsache ausscheidet, fragt sich, wie der Vermieter dem vom Amtsgericht beanstandeten Treiben der Mieterin begegnen kann.
Eine analoge Anwendung der Bestimmung käme nur dann in Betracht, wenn § 541 BGB eine planwidrige Regelungslücke aufwiese und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand der Norm vergleichbar wäre, dass angenommen werden könne, der Normgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass von § 541 BGB, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urt. v. 15.03.2017 – VIII ZR 5/16). Eine Regelungslücke kann nur dann angenommen werden, wenn die Unvollständigkeit der Norm „planwidrig“ ist. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Normgebers von seinem – dem konkreten Normierungsvorhaben zugrunde liegenden – Regelungsplan ergeben. Geht man von der Entstehungsgeschichte des § 541 BGB aus, dürfte eine Analogie ausscheiden. Damals war zunächst eine Bestimmung vorgesehen, die den Mieter (lediglich) zur Rückgabe der Mietsache in dem Zustand, in dem er sie erhalten hatte, verpflichtete. Weil der Vermieter deshalb wegen Veränderungen der Mietsache während der Mietzeit keine Rechte hätte geltend machen können, ist der Unterlassungsanspruch anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen Regelung in das Gesetz aufgenommen worden (vgl. hierzu Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 541 Rn. 2). Die Regelung bezieht sich deshalb nur auf die Mietsache als solche, nicht jedoch auf Flächen außerhalb der Mieträume.
In Betracht kommt dann allerdings noch ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar hat der BGH (Beschl. v. 17.04.2007 – VIII ZB 93/06 – NJW 2007, 2180 r. Sp.) entschieden, dass im Wohnraummietverhältnis ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nur auf § 541 BGB gestützt werden kann. Da aber hier die Mietsache nicht betroffen ist, könnte der Vermieter-Eigentümer nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgehen, wofür Voraussetzung eine Eigentumsbeeinträchtigung wäre. Diese kann in einem unbefugten Betreten eines (fremden) Grundstücks liegen, aber auch im Füttern von Tauben oder wild streunenden Katzen (Gursky in: Staudinger, BGB, 1999, § 1004 Rn. 62 m.w.N.). So liegt der Fall hier; die Klägerin hat die Beklagte (obwohl für § 1004 BGB nicht notwendig) mehrfach um Unterlassung gebeten, sodass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Wohl keine, wenn zwischen der Beeinträchtigung des zur Minderung berechtigenden Mietgebrauchs und der – im Bereich der Gewährleistung unbeachtlichen – Beeinträchtigung des „Mitgebrauchs“ sorgfältig unterschieden wird. Dass dem nicht so ist, zeigt z.B. das Urteil des AG Berlin-Mitte vom 24.10.2012 (7 C 90/12 – Grundeigentum 2012, 1703), das im ständigen Urinieren unbekannter Personen im Eingangsbereich des Hauses eine – allerdings unerhebliche – Gebrauchsbeeinträchtigung annahm. Wie sollten dort auftretende Missstände zu einer Minderung der Gebrauchstauglichkeit führen können? Handelte es sich hier etwa um eine sog. Gemeinschaftsfläche/Einrichtung wie z.B. eine (gemeinsame) Waschküche, einen Trockenboden, einen Fahrradabstellraum, eine Teppichklopfstange, einen Buddelkasten? Deren (unbehinderte) Mitbenutzung wird dem Mieter zwar auch ohne Erwähnung im Vertrag als Ausfluss des Mietgebrauchs garantiert (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. VI 136 ff.), eine Mitvermietung lässt sich hieraus doch aber nicht herleiten, so dass Gewährleistungsansprüche schon begrifflich nicht in Betracht kommen (anders aber LG Münster, Urt. v. 16.04.1998 – 8 S 306/97 – WuM 1998, 723: 5% Minderung für den Fall des Ausschlusses der Mitbenutzung der Waschküche; AG Menden, Urt. v. 07.03.2007 – 4 C 407/06 – NZM 2007, 883 bei Beeinträchtigung der Mitbenutzung eines Fahrradkellers unter Verkennung des Umstandes, dass dessen Nutzung aufgrund Zusicherung durch den Vermieter zum vertraglich vereinbarten Mietgebrauch gehörte und deshalb § 536 BGB ohne weiteres anwendbar war; anders wohl auch Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 536 Rn. 248, der dem Mieter an einem Trockenboden sogar ein Besitzrecht zugesteht, dessen Entziehung zur Mietminderung berechtigen soll; vgl. hierzu KG Berlin, Urt. v. 20.08.2012 – 8 U 168/12 – Grundeigentum 2012, 1561, in der mit ausführlicher und überzeugender Begründung ein solches Recht verneint wird). Also: § 541 BGB ebenso wie § 536 BGB nur bei Mitvermietung.