Nachfolgend ein Beitrag vom 31.1.2017 von Linnartz, jurisPR-FamR 2/2017 Anm. 6

Leitsatz

Der Formmangel eines Schenkungsvertrages, in dem sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt.

A. Problemstellung

Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, ob § 518 Abs. 2 BGB zur Heilung einer Schenkung herangezogen werden kann, wenn eine Verpflichtung zur Übertragung des gesamten gegenwärtigen Vermögens zu Lebzeiten besteht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Am 13.03.2007 erteilte die Erblasserin dem Beklagten eine Vollmacht. Mit dieser Vollmacht sollte der Bevollmächtigte über Investmentanteile zu seinen Gunsten verfügen können. Der Beklagte machte von dieser Vollmacht sodann Gebrauch. Er verkaufte die Fondsanteile. Den Verkaufserlös ließ er auf sein Konto überweisen. Wenige Stunden nach dieser Transaktion verstarb die Erblasserin. Der Beklagte behauptet, die Erblasserin habe gewollt, dass er noch vor ihrem Tod sämtliche Bankwerte für sich abheben und behalten soll.
Die Beweisaufnahme, durchgeführt vor dem Landgericht und später dem Oberlandesgericht ergab, die Erblasserin habe geäußert, der Beklagte bekomme alles. Er könne sich alles nehmen. Die Erblasserin habe ihr ganzes Vermögen dem Beklagten übertragen wollen. Dabei sollte der Beklagte von der Großzügigkeit der Erblasserin Gebrauch machen, wenn deren Tod unmittelbar bevorsteht.
Nach dem Tod der Erblasserin verlangte der Kläger die Erstattung des Verkaufserlöses zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen. Dieser Klage gab das LG Düsseldorf statt. Das OLG Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen, aber die Revision zugelassen.
Der BGH hat das erstinstanzliche Urteil des LG Düsseldorf wieder hergestellt.
Das OLG Düsseldorf sei davon ausgegangen, der Beklagte habe den Verkaufserlös mit Rechtsgrund – Schenkungsvertrag – erhalten. Der BGH verneint jedoch einen zwischen der Erblasserin und Beklagten abgeschlossenen Schenkungsvertrag.
Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Vertrag zwischen Erblasser und Beklagten darauf gerichtet gewesen sei, diesem ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen zu übertragen. Ein solcher Vertrag müsse zu seiner Wirksamkeit aber nach § 311b Abs. 3 BGB notariell beurkundet werden. Dies gelte insbesondere, wenn die Vermögensübertragung, wie hier, kurz vor dem Tod der Erblasserin erfolgt sei.
Die Formvorschrift des § 311b Abs. 3 BGB bezwecke schließlich auch, dass die Formvorschriften einer Verfügung von Todes wegen nicht umgangen werden.
Da die Formvorschrift in diesem Fall nicht eingehalten worden war, sei die Vereinbarung nach § 122 BGB nichtig. Der Kläger könne somit nach § 812 Abs. 1 BGB von dem Beklagten die Zuwendung der Erben mit Recht zurückfordern.

C. Kontext der Entscheidung

Der BGH hat die Formwirksamkeit des Übertragungsvertrages geprüft. Dabei wird herausgestellt, dass die Formvorschrift des § 311b Abs. 3 BGB u.a. bezweckt, zu vermeiden die Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen zu umgehen (Motive II, S. 188; Krüger in: MünchKomm BGB, § 311b Rn. 100).
Einen allgemeinen Grundsatz, nach dem ein formnichtiger Vertrag durch seinen Vollzug geheilt wird, gibt es zudem auch nicht. Daher kann der Formmangel nur geheilt werden, wenn die Heilung durch Vollzug des Rechtsgeschäfts durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (BGH, Urt. v. 02.02.1967 – III ZR 193/64 – NJW 1967, 1128; BGH, Urt. v. 29.06.1970 – III ZR 21/68 – DNotZ 1971, 37, 38).
Die Heilung eines Schenkungsvertrages durch Vollzug der Schenkung ist in § 518 Abs. 2 BGB ausdrücklich bestimmt und insoweit auf Schenkungen beschränkt.
§ 311b Abs. 3 BGB soll dagegen auch vor einer übereilten Übertragung des gesamten Vermögens und nicht nur eines einzelnen schenkweise zugewandten Gegenstandes, wie in den regelmäßigen Fällen einer Schenkung, schützen. Wegen dieses Schutzzweckes, der weitergehend ist als der des § 518 BGB, ist eine Übertragung der Heilungswirkung aus § 518 Abs. 2 BGB durch Vollzug in Fällen des § 311b Abs. 3 BGB nicht möglich (Krüger in: MünchKomm BGB, § 311b Rn. 107; Grünberg in: Palandt, BGB, § 311b Rn. 68).

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis ist zu beachten, dass bei der Übertragung wesentlichen Vermögens, insbesondere des gesamten Vermögens, die Testamentsformen einzuhalten sind. Eine Umgehung durch Vollzug einer Schenkung des wesentlichen Vermögens steht § 311b Abs. 3 BGB entgegen. Eine Heilung, wie die eines Schenkungsvertrages nach § 518 Abs. 2 BGB, bei der Übertragung einzelner Gegenstände, kommt bei der Übertragung wesentlichen Vermögens, insbesondere in zeitlicher Nähe zum Tod des Erblassers, nicht in Betracht.