Nachfolgend ein Beitrag vom 22.1.2018 von Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 3/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht ist im Wesentlichen eine Frage der Tatsachenwürdigung.
2. Bei verschiedenen, wirtschaftlich eigenständigen Betätigungen ist die Gewinnerzielungsabsicht im Wege der Segmentierung gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen.
3. Im Hobbybereich erlaubt eine objektiv negative Gewinnprognose einen, wenn auch widerlegbaren, Schluss auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht.
4. Außerhalb des Hobbybereichs bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. An deren Feststellung sind keine hohen Anforderungen zu stellen; die Feststellung ist aber nicht gänzlich entbehrlich.

A. Problemstellung

Zu den Tatbestandsmerkmalen eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG gehört u.a. die Absicht, Gewinn zu erzielen. Der BFH hatte zu entscheiden, ob aus dem Fehlen jeglicher Reaktionen auf bereits eingetretene Verluste und der Fortführung des verlustbringenden Geschäfts über mehrere Jahre hinweg mit Blick auf das darin liegende fehlende marktgerechte Verhalten auch ohne Feststellung besonderer privater Motive auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden kann. Er hat dies verneint.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin führt seit 1982 einen Handelsbetrieb, seit 1998/1999 betreibt sie außerdem den An- und Verkauf sowie die Vercharterung von Segelyachten, die Reparatur von Segelyachten sowie den Handel mit Segelzubehör. Die erste Segelyacht erwarb sie 1999, die zweite im Jahr 2000 und die dritte im Jahr 2008. Die Yachten wurden nicht für private Zwecke genutzt. Die Klägerin ermittelte den Gewinn aller Tätigkeitsbereiche zunächst in einer einheitlichen Bilanz. Das Finanzamt gelangte in einer Außenprüfung zu der Auffassung, dass die Tätigkeitsfelder „Handel“, „Yachtcharter“, „Segelzubehör“ und „Reparaturen“ jeweils eigenständige Tätigkeitsbereiche seien. Die Verluste aus dem Bereich „Yachtcharter“ (die übrigen Bereiche erzielten Gewinne) erkannte das Finanzamt für die Jahre Streitjahre (2004, 2005, 2008 und 2009) mangels einer Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht an.
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht im Wege der Segmentierung die Handelstätigkeit einerseits und die gesamten Tätigkeiten rund um die Yachten andererseits als jeweils eigenständige wirtschaftliche Betätigung wertete und – anders als das Finanzamt – keine weitere Segmentierung vornahm. Für den Yachtbereich verneinte es eine Gewinnerzielungsabsicht. Eine positive Gewinnprognose habe sich aus den innerhalb von 14 Jahren erzielten Verlusten auch bei einem angenommenen Prognosezeitraum von 20 Jahren nicht ableiten lassen. Die Klägerin habe ständig steigende Verluste hingenommen und durch den Erwerb der dritten Yacht sogar noch steigen lassen, ohne hiergegen etwas zu unternehmen (FG Kiel, Urt. v. 09.03.2016 – 2 K 180/12 – DStRE 2017, 724).
Die vom BFH zugelassene Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht. Die Feststellungen des Finanzgerichts erlaubten es nicht – so der BFH – zu beurteilen, ob die Klägerin ihre Betätigungen rund um die Yachten mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben habe.
Die Würdigung des Finanzgerichts, die Gewinnerzielungsabsicht im Wege der sog. Segmentierung gesondert für die zwei Betätigungen (Handelsbetrieb und Yachtbereich) zu prüfen, da es sich um verschiedene, wirtschaftlich eigenständige Betätigungen handele, sei plausibel. Allerdings habe das Finanzgericht keine möglichen persönlichen Gründe benannt, die die Klägerin bewogen haben könnten, das Yachtgeschäft fortzuführen. Es habe es für ausreichend erachtet, dass die Klägerin ständig steigende Verluste hingenommen und im Jahr 2008 sogar eine dritte Yacht angeschafft habe, womit sie aktiv auf einen Anstieg der Jahresverluste hingewirkt habe.
Sei die Gewinnprognose – wie im Streitfall – negativ, erlaube dies noch nicht ohne weiteres den Schluss, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtige. Dies sei nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet sei, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (Hobbybereich). Bei anderen Tätigkeiten müssten zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen und Neigungen hingenommen würden.
Auch im Fall einer längeren Verlustperiode und fehlenden Bemühens, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Mitteln zu begegnen, müsse festgestellt werden, dass und welche persönlichen Gründe für eine Fortführung des Geschäfts möglicherweise gegeben seien. An diese Feststellung seien zwar keine hohen Anforderungen zu stellen, sie werde damit aber nicht vollkommen entbehrlich. Das Finanzgericht hätte ein ihm möglich scheinendes privates Motiv für die Tätigkeit der Klägerin im Yachtbereich feststellen müssen, um die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin verneinen zu können. Dies sei weder ausdrücklich noch inzident geschehen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Zur Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht, also dem Bestreben, das Betriebsergebnis zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen (BFH, Beschl. v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c), ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob das Unternehmen bei objektiver Betrachtung nicht zur Erzielung eines solchen Totalgewinns (Gesamtergebnis des Betriebs in der Zeit zwischen Gründung und Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation) geeignet ist (BFH, Urt. v. 17.11.2004 – X R 62/01 – BStBl II 2005, 336, unter II.1.a; Anm. Schuster, jurisPR-SteuerR 16/2005 Anm. 2). Dazu ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seinem Wesen und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften (BFH, Urt. v. 31.05.2001 – IV R 81/99 – BStBl II 2002, 276, unter 2.a). Diese Gewinnprognose fiel im Streitfall negativ aus.
II. An eine negative Totalgewinnprognose schließt sich nach der BFH-Rechtsprechung in einem zweiten Schritt die Prüfung an, ob die Verluste vom Steuerpflichtigen subjektiv aus in seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen hingenommen werden. Denn aus der objektiven Ungeeignetheit des Betriebs, einen Totalgewinn zu erwirtschaften, kann noch nicht zwingend auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden (BFH, Beschl. v. 25.06.1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c bb (1)). Eine solche Prüfung im zweiten Schritt ist nur bei Tätigkeiten entbehrlich, die dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (sog. Hobbyfälle, was hier jedoch ausschied, weil das Finanzgericht festgestellt hatte, dass die vercharterten Segelyachten von der Klägerin nicht privat genutzt wurden). In anderen Fällen müssen aber zusätzliche Anhaltspunkte für die Verlusthinnahme aus im Bereich der Lebensführung liegenden Gründen vorliegen (BFH, Urt. v. 19.03.2009 – IV R 40/06 – BFH/NV 2009, 1115, unter II.1.a; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 27/2009 Anm. 5).
III. Zu diesen Anhaltspunkten gehören etwa die Fortführung eines Betriebs aus „Familientradition“, das Ermöglichen eines preiswerten Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenkasse für einen beschäftigten Angehörigen oder das Streben nach gesellschaftlichem Ansehen (BFH, Urt. v. 17.11.2004 – X R 62/01 – BStBl II 2005, 336, unter II.1.b; Anm. Schuster, jurisPR-SteuerR 16/2005 Anm. 2). Ferner stellt – für den Streitfall von Bedeutung – das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, im Hinblick auf das nicht marktgerechte Verhalten ein starkes Beweisanzeichen dafür dar, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (BFH, Urt. v. 17.11.2004 – X R 62/01 – BStBl II 2005, 336, unter II.1.b bb (3); Anm. Schuster, jurisPR-SteuerR 16/2005 Anm. 2; BFH, Urt. v. 23.05.2007 – X R 33/04 – BStBl II 2007, 874, unter II.2.b bb; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 46/2007 Anm. 3; BFH, Urt. v. 20.09.2012 – IV R 43/10 – BFH/NV 2013, 408, unter II.1.c). Nach ständiger Rechtsprechung sind in einem solchen Fall an die Feststellung der persönlichen Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, keine hohen Anforderungen zu stellen (BFH, Urt. v. 20.09.2012 – IV R 43/10 – BFH/NV 2013, 408, unter II.1.c, m.w.N.).
IV. Hieran knüpft das Besprechungsurteil an. Der BFH hebt aber deutlich hervor, dass zum einen die unveränderte Fortführung des verlustbringenden Geschäftskonzepts für sich betrachtet noch kein privates Motiv für die Verlusthinnahme darstellt und zum anderen die Feststellung eines solchen Motivs nicht etwa deshalb entbehrlich ist, weil keine hohen Anforderungen an seine Feststellung zu stellen sind. Auch wenn es mangels nachvollziehbarer wirtschaftlicher Gründe für die verlustbringende Tätigkeit nahezu zwingend ist, dass persönliche Gründe hierfür existieren, müssen sie – so der BFH – vom Finanzgericht ausdrücklich festgestellt werden, wenn das Finanzgericht negative Einkünfte wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht berücksichtigen will. Der BFH weist darauf hin, dass eine Erleichterung für die Feststellung denkbarer privater Gründe darin liege, dass die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gewinn- oder Einkünfteerzielungsabsicht, insbesondere für nicht private Motive, der Steuerpflichtige trägt (so auch BFH, Beschl. v. 09.07.2012 – VIII B 51/11 – BFH/NV 2012, 1780, unter II.1.a).
V. Die Möglichkeit, Verluste steuersparend mit anderen Einkünften verrechnen zu können, ist im Regelfall kein Beweisanzeichen für private Gründe, die zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führen. Es ist ökonomisch sinnlos, einen Verlustbetrieb nur deshalb zu unterhalten, um eine Verlustverrechnung vornehmen zu können, da die Steuerersparnis den tatsächlich eingetretenen Verlust allenfalls zum Teil ausgleichen kann (BFH, Urt. v. 21.07.2004 – X R 33/03 – BStBl II 2004, 1063, unter II.3.c bb; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 35/2004 Anm. 2). Dies ist allerdings anders bei Verlustzuweisungsgesellschaften (z.B. BFH, Urt. v. 11.12.1997 – IV R 86/95 – BFH/NV 1998, 950, zu Rinderfarm in Paraguay). Steuerliche Gesichtspunkte spielen auch dann eine Rolle für die Hinnahme der Verluste, wenn die Tätigkeit die Möglichkeit eröffnet, Kosten der privaten Lebensführung (z.B. anteilige Fixkosten ohnehin vorhandener Gegenstände wie PKW, Wohnung, Kommunikationsmittel, Computer usw.) in den einkommensteuerlich relevanten Bereich zu verlagern (BFH, Urt. v. 21.07.2004 – X R 33/03 – BStBl II 2004, 1063, unter II.3.c aa; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 35/2004 Anm. 2).

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Besprechungsentscheidung orientiert sich an der bisherigen BFH-Rechtsprechung zur Gewinnerzielungsabsicht und macht noch einmal deutlich, dass eine fehlende ausdrückliche Feststellung persönlicher Motive durch das Finanzgericht zur Aufhebung finanzgerichtlicher Urteile durch den BFH führt, wenn gleichwohl das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht verneint worden ist.
II. Trägt ein Beteiligter die Feststellungslast für das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache, geht der Finanzgerichtsprozess im Fall der Nichterweislichkeit dieser Tatsache (sog. non liquet) üblicherweise zu seinen Ungunsten aus. Das Finanzgericht hatte im Streitfall weder private noch betriebliche Motive der Klägerin für die Fortführung der verlustbringenden Tätigkeit feststellen können und ausgeführt, die aus dem Betrieb des Yachtgeschäfts erzielten Verluste könnten nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert werden, weil „eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin in den Streitjahren nicht feststellbar“ sei. Gleichwohl und trotz des Hinweises auf die Feststellungslast des Steuerpflichtigen für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gewinnerzielungsabsicht hat der BFH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil das Finanzgericht die Gewinnerzielungsabsicht verneint habe, obwohl es weder ausdrücklich noch inzident ein privates Motiv für die Tätigkeit der Klägerin festgestellt habe. Die dem Finanzgericht nicht mögliche Feststellung betrieblicher Gründe ließ der BFH hier nicht ausreichen. Er verlangt ausdrücklich von der Tatsacheninstanz die Feststellung eines privaten Motivs, wenn sie die Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen verneinen will. Dies könnte im Ergebnis aber auf eine Umkehrung der Feststellungslast hinauslaufen.

Feststellungen bei Liebhaberei
Thomas HansenRechtsanwalt
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