OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2014 – I-3 Wx 141/13, 3 Wx 141/13 –, juris

Leitsatz

1. Zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis bei der Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstandes.

2. Zum Widerruf eines Testaments im Wege der Vernichtung durch einen Dritten auf Geheiß des Erblassers.

Orientierungssatz

1. Auch wenn das Vermögen einer Erblasserin im wesentlichen aus einem Hausgrundstück besteht, stellt dessen Zuwendung an einen von mehreren Abkömmlingen in einem handschriftliches Testament keine Erbeinsetzung sondern ein Vermächtnis dar, wenn die Erblasserin die Zuwendung dahin formuliert hat, sie „vermache“ einem ihrer Söhne das betreffende Grundstück. Zwar kann die Zuwendung eines Gegenstandes, namentlich einer Immobilie, wie dem Hausgrundstück des Erblassers, Erbeinsetzung sein, wenn entweder der Nachlass dadurch erschöpft wird oder wenn sein objektiver Wert das übrigen Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat. Auszugehen ist aber von den Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände. Nach den zur Zeit der Testamentserrichtung vorliegenden Gegebenheiten kann weder davon ausgegangen werden, dass der Nachlass durch die Zuwendung des Hausgrundstücks an einen von mehreren Söhnen erschöpft worden ist noch, dass der objektive Wert des Grundstücks das übrige Vermögen der Erblasserin an Wert so erheblich übertroffen hat, dass sie es offensichtlich als ihren wesentlichen Nachlass angesehen hat.

2. Das privatschriftliche Testament der Erblasserin, das nur noch in einer Ablichtung vorhanden ist, steht wegen der nicht erfolgten (Allein-)Erbeinsetzung einer Erteilung eines Erbscheins für die Abkömmlinge zu gleichen Teilen nicht entgegen, auch wenn das Original auf Anweisung der Erblasserin in deren Abwesenheit (hier: durch einen der Söhne) zerrissen worden ist. Da die Erblasserin das Testament nicht persönlich vernichtet hat, bedürfte es – soweit man nicht überhaupt, wie das Amtsgericht, befürwortet, dass die Vernichtung durch einen Dritten in Gegenwart der Erblasserin zu erfolgen hat – jedenfalls der Vernichtung auf Geheiß der Erblasserin durch ein als unselbständiges, weil nicht mit eigenem Entscheidungsspielraum ausgestattetes, „Werkzeug“. Jedoch löst allein ein auf Vernichtung gerichteter Wille des Erblasser die Widerrufsfolge nach § 2255 BGB nicht aus. Dafür, dass die Erblasserin ihren angeblich gefassten Vernichtungswillen umgesetzt hat, besteht kein Anhalt, denn das Vorbringen eines der Abkömmlinge zu Umständen und Ausführung einer Vernichtungsanweisung der Erblasserin erscheint uneinheitlich und widersprüchlich.