Nachfolgend ein Beitrag vom 30.6.2017 von Herbrich, jurisPR-ITR 13/2017 Anm. 2

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Eine E-Mail im geschäftlichen Verkehr mit der Bitte um Bewertung im Nachgang einer Verkaufstransaktion über das Internet ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stellt eine unzumutbar belästigende und damit unerlaubte Werbung i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar, sofern dies ohne Beachtung der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes für Bestandskundenwerbung nach § 7 Abs. 3 UWG geschieht.
2. Eine unzulässige E-Mail-Werbung begründet grundsätzlich einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
3. Gesichtspunkte wie z.B. die weite Verbreitung von Kundenzufriedenheitsbefragungen befreien den Werbetreibenden nicht von der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben nach § 7 UWG.

A. Problemstellung

Kundenzufriedenheitsumfragen per E-Mail im Nachgang einer Verkaufstransaktion haben sich als wichtiger Baustein für die CRM-Strategie von E-Commerce-Anbietern etabliert. Den Vorteilen dieses Empfehlungsmarketings – Verbesserung des eigenen Leistungs- und Serviceangebots, Produktentwicklung und Schaffung eines nachhaltigen Kundenvertrauens – steht das Risiko einer Abmahnung wegen unzulässiger werblicher Direktansprache der Adressaten gegenüber. Nunmehr hatte auch das KG Berlin darüber zu entscheiden, ob Bewertungsanfragen per E-Mail als unzumutbar belästigende Werbung einzustufen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und erwarb in dem von der Antragsgegnerin betriebenen Online-Shop verschiedene Beleuchtungsartikel. Im Anschluss an den Kauf erhielt der Antragsteller eine Nachricht der Antragsgegnerin an die während der Bestellung angegebene und beruflich genutzte E-Mail-Adresse, in der er aufgefordert wurde, eine Bewertung abzugeben. Darüber hinaus übermittelte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zwei weitere E-Mails mit ausdrücklicher Werbung für ihre Produkte. Gegenstand des Verfahrens war die Geltendmachung eines bürgerlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wegen eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Versendung der streitgegenständlichen E-Mails.
Vor dem LG Berlin (Beschl. v. 16.01.2017 – 16 O 544/16) erwirkte der Antragsteller bezogen auf die streitgegenständlichen E-Mails mit expliziter Produktwerbung die begehrte einstweilige Verfügung, die es der Antragsgegnerin untersagt, gegenüber dem Antragsteller Werbung per elektronischer Nachricht ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung zu betreiben bzw. betreiben zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 3 UWG erfüllt sind. Dagegen lehnte das Landgericht einen entsprechenden Unterlassungsanspruch hinsichtlich der zunächst versendeten E-Mail mit der Bitte um die Abgabe einer Bewertung ab und wies insofern den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Zwar sei die streitgegenständliche Bewertungsaufforderung als Werbung einzustufen. Die im Rahmen der Rechtswidrigkeit des Eingriffs vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gehe jedoch zulasten des Antragstellers aus.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Teilzurückweisung hatte vor dem KG Berlin Erfolg.
Das Kammergericht sprach dem Antragsteller den bürgerlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auch in Bezug auf die Kundenzufriedenheitsbefragung zu. Im Zuge der erforderlichen Interessenabwägung sei die gesetzgeberische Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Generalklausel aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog heranzuziehen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Weil der Antragsteller keine ausdrückliche Einwilligung abgegeben habe, sei die Übersendung einer Werbe-E-Mail wegen des unzumutbar belästigenden Charakters rechtswidrig. Mangels eines klaren und deutlichen Hinweises bei Erhebung und jeder Verwendung der E-Mail-Adresse auf das bestehende Widerspruchsrecht greife zugunsten der Antragsgegnerin auch nicht der Ausnahmetatbestand für Bestandskundenwerbung aus § 7 Abs. 3 UWG ein.

C. Kontext der Entscheidung

An der rechtlichen Ausgangssituation, die der Entscheidung zugrunde lag, wird sich durch die am 25.05.2018 in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; VO 2016/679 – ABl. EU Nr. L 119, 1) nichts ändern, weil aus Art. 95 und Erwägungsgrund 173 DSGVO folgt, dass die Vorschriften der RL 2002/58/EG (zuletzt geändert durch RL 2009/136/EG – ABl. EU Nr. L 337, 11, sog. ePrivacy-RL) als leges speciales denen der DSGVO vorgehen, soweit die Voraussetzungen von Art. 95 DSGVO erfüllt sind (vgl. Pauly in: Paal/Pauly, DSGVO, 1. Aufl. 2017, Art. 95 Rn. 2). Gleiches gilt für die nationalen Vorschriften in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG, welche die Vorgaben von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 ePrivacy-RL umsetzen. Auch die kürzlich von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regelungen zur elektronischen Direktwerbung in Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Entwurfs für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation (KOM(2017) 10 endg.) werden nach derzeitigem Kenntnisstand keine wesentlichen Modifikationen an der Rechtslage bewirken. Insofern bleibt jedoch das Gesetzgebungsverfahren zu beobachten.
Wie bereits die Entscheidung des OLG Dresden (Urt. v. 26.04.2016 – 14 U 1773/15 – GRUR-RR 2016, 462) zu Feedbackanfragen zeigte, hätte man an der Bestimmtheit der vorliegenden Anträge i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zweifeln können, weil der Antragsgegnerin pauschal die Versendung von „Werbung per elektronischer Nachricht“ untersagt werden sollte bzw. wurde. Im Verfahren vor dem OLG Dresden wurde ein entsprechender Klageantrag nach einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung dahingehend geändert, dass die Verletzungshandlung – Bewertungsanfrage – konkret bezeichnet wurde (vgl. dazu im Einzelnen Herbrich, jurisPR-ITR 19/2016 Anm. 6).
Zutreffend lässt das KG Berlin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 20.05.2009 – I ZR 218/07 – WRP 2009, 1246, 1247) bereits die erstmalige Zusendung einer Werbe-E-Mail für einen unmittelbaren Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausreichen. Dahinter steckt die Überlegung, dass mit einer übermäßigen Beeinträchtigung des Betriebsablaufs eines Unternehmens immer dann gerechnet werden muss, wenn die Zusendung einzelner E-Mails zulässig ist (BGH, Beschl. v. 20.05.2009 – I ZR 218/07 – WRP 2009, 1246, 1247).
Wie auch die Vorinstanz stuft das KG Berlin zu Recht Kundenzufriedenheitsbefragungen als Werbung i.S.v. § 7 Abs. 2 UWG ein. In Anlehnung an Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 12.09.2013 – I ZR 208/12 – WRP 2013, 1579, 1580; BGH, Urt. v. 14.01.2016 – I ZR 65/14 – WRP 2016, 958, 961 m. Verw. auf EuGH, Urt. v. 11.07.2013 – C-657/11 – WRP 2013, 1161, 1163), dass der Werbebegriff alle unmittelbaren und mittelbaren Maßnahmen der Absatzförderung abdeckt. Dem folgend beurteilten bereits verschiedene Gerichte Feedbackanfragen per E-Mail wegen des mittelbar verfolgten Zwecks des künftigen Warenabsatzes als Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG (OLG Dresden, Urt. v. 26.04.2016 – 14 U 1773/15 – GRUR-RR 2016, 462; AG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2014 – 20 C 6875/14 – CR 2014, 816; AG Hannover, Urt. v. 03.04.2013 – 550 C 13442/12 – CR 2013, 679, 680; vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 19.04.2013 – 6 U 222/12 – GRUR-RR 2014, 80, 82 m.w.N. zu telefonischen Bewertungsanfragen). Anders hat dies neben vereinzelten Stimmen im Schrifttum (vgl. etwa Engels/Brunn, WRP 2010, 687, 689 f.; Haug, K&R 2010, 767, 769 f.; Menke/Witte, K&R 2013, 25, 29; Starnecker, jurisPR-ITR 7/2015 Anm. 5) lediglich das LG Coburg (Urt. v. 17.02.2012 – 33 S 87/11 – MMR 2012, 608) gesehen. Die bisherigen Argumentationsansätze der Gegenauffassung vermögen jedoch nicht zu überzeugen (vgl. Herbrich, jurisPR-ITR 19/2016 Anm. 6).
Einen neuen Ansatz verfolgte nunmehr das LG Berlin (Beschl. v. 16.01.2017 – 16 O 544/16) im erstinstanzlichen Verfahren, indem es die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aufgrund der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien im konkreten Fall ablehnte. Im Zusammenhang mit der Rechtswidrigkeit von Eingriffen in absolut geschützte Rechtspositionen habe der BGH zu Autoreply-E-Mails klargestellt, dass zumindest in bestimmten Konstellationen der Werbung eine Interessenabwägung vorzunehmen sei (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 134/15 – WRP 2016, 493, 495). Dem folgend müssten auch Umstände wie die weite Verbreitung und allgemeine Üblichkeit von Kundenbewertungen nach Abschluss einer Verkaufstransaktion in die Beurteilung einbezogen werden. Ferner verwies das LG Berlin auf die positiven Aspekte eines solchen Beurteilungsverfahrens. Negative Einzelbewertungen führten regelmäßig zur Verbesserung des Angebots und seien somit auch dem lauteren Geschäftsverkehr als solchem dienlich.
Im Ergebnis folgt das KG Berlin dieser Argumentation nicht und rezipiert zutreffend die Grundsatzrechtsprechung des BGH zur E-Mail-Werbung, wonach sich bei einer das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzenden Werbung die Beurteilung der Rechtswidrigkeit i.R.d. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB an der Wertung von § 7 Abs. 2 und Abs. 3 UWG zu orientieren habe (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.2009 – I ZR 218/07 – WRP 2009, 1246, 1247). Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müsse diese gesetzgeberische Intention auch bei der Auslegung von zivilrechtlichen Generalklauseln Berücksichtigung finden (BGH, Beschl. v. 20.05.2009 – I ZR 218/07 – WRP 2009, 1246, 1247). Konsequenterweise führt das Kammergericht aus, dass der Gesetzgeber die Prämissen der E-Mail-Werbung im Anschluss einer Verkaufstransaktion in § 7 Abs. 3 UWG abschließend – sogar unter erleichterten Bedingungen – normiert habe. Für Werbetreibende ist daher die Durchführung von Bewertungsaufforderungen mittels elektronischer Post unter Beachtung der in § 7 Abs. 3 UWG kumulativ aufgeführten Voraussetzungen möglich und zumutbar. Insbesondere unterscheidet der deutsche Gesetzgeber in Bezug auf die Adressaten unzumutbarer Werbung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmern und hat damit in zulässiger Weise von dem nach Art. 13 Abs. 5 Satz 2 ePrivacy-RL eingeräumten Regelungsspielraum Gebrauch gemacht (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 7 Rn. 183). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers weisen solche Werbemaßnahmen gerade im geschäftlichen Bereich einen stark belästigenden Charakter auf (BT-Drs. 15/1487, S. 21). Trotz der vom LG Berlin skizzierten Vorteile von Kundenbewertungen besteht deshalb kein Grund für ein abweichendes Auslegungsergebnis bei zivilrechtlichen Generalklauseln.

D. Auswirkungen für die Praxis

Spätestens nach der Entscheidung des KG Berlin dürfte klar sein, dass Feedbackanfragen grundsätzlich als Werbung anzusehen und am Maßstab von § 7 Abs. 2 und 3 UWG zu messen sind. Werbetreibende sollten daher besonders darauf achten, Kundenzufriedenheitsbefragungen entweder auf Grundlage einer ausdrücklichen und informierten Einwilligung des Werbeadressaten (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, §§ 4a Abs. 1, 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG) oder unter Beachtung der in § 7 Abs. 3 UWG kumulativ aufgeführten Voraussetzungen zu versenden. Neben dem im Beschluss des Kammergerichts beanstandeten fehlenden Hinweis auf das Widerspruchsrecht sowohl bei Erhebung als auch bei jeder Verwendung der E-Mail-Adresse (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG) ist insbesondere auf eine Bezugnahme eigener ähnlicher Waren und Dienstleistungen zu achten (Nr. 2), woran es in der Praxis häufig fehlen dürfte (Menke/Witte, K&R 2013, 25, 29).
Mit Blick auf die Beweislast sollten Unternehmen systemseitig die Nutzereinwilligung samt Metadaten sowie etwaige Werbewidersprüche hinreichend dokumentieren. Für Letztere bietet sich nach wie vor die Einrichtung einer sog. „Blacklist“ an, die automatisiert den Versand an dort hinterlegte E-Mail-Adressen von Widersprechenden verhindert. Insoweit hat das Kammergericht kürzlich in einem anderen Verfahren eine Sperrpflicht infolge eines Widerspruchs über die vom Bestandskunden konkret benannte E-Mail-Adresse hinaus abgelehnt (vgl. KG Berlin, Urt. v. 31.01.2017 – 5 U 63/17).
Alternativ besteht für Unternehmen die Möglichkeit, Feedback-Tools auf ihren Webseiten zu implementieren, bei denen keine Direktansprache der Kunden erforderlich ist.