Nachfolgend ein Beitrag vom 10.7.2017 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 28/2017 Anm. 1

A. Einführung

Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 26.05.2017 zur Änderung des UStAE zu diversen Aspekten der umsatzsteuerlichen Organschaft und zum Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften Stellung genommen. Dieses Schreiben folgt zwei BMF-Schreiben, die ebenfalls zu signifikanten Änderungen zu Rechtsfragen der Organschaft geführt hatten (BMF-Schreiben v. 07.03.2013 – IV D 2-S 7105/11/10001 – BStBl I 2013, 333; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 16/2013 Anm. 1; BMF-Schreiben v. 05.05.2014 – IV D 2-S 7105/11/10001 – BStBl I 2014, 820).

Auslöser für das Schreiben waren mehrere Urteile des BFH (insbesondere BFH, Urt. v. 02.12.2015 – V R 25/13 – BFHE 251, 534 = BFH/NV 2016, 500, zur Organschaft mit Tochterpersonengesellschaft; BFH, Urt. v. 19.01.2016 – XI R 38/12 – BFHE 252, 516 = BFH/NV 2016, 706, zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding und zur GmbH & Co. KG als juristische Person i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 24/2016 Anm. 6; BFH, Urt. v. 01.06.2016 – XI R 17/11 – BFHE 254, 164 = BFH/NV 2016, 1410; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 39/2016 Anm. 6) und des EuGH (Urt. v. 16.07.2015 – C-108/14 und C-109/14 – MwStR 2015, 583 „Larentia + Minerva“ und „Marenave“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2015 Anm. 6).

Das bereits längere Zeit im Entwurfsstadium den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegte Schreiben befasst sich vor allem der neuen Rechtsprechung folgend mit der Möglichkeit, Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaften anzusehen. Weiterhin kommt es zu Veränderungen bezüglich der organisatorischen Eingliederung. Außerdem ändert die Finanzverwaltung ihre Meinung zur Organschaft bei Insolvenz. Dennoch bleiben viele wichtige Fragen offen.

B. Wesentliche Neuerungen und deren Bewertung

I. Willensdurchsetzung vs. Verhindern abweichender Willensbildung bei der organisatorischen Eingliederung

Bisher enthielt der UStAE verschiedene Formulierungen, nach denen eine organisatorische Eingliederung sowohl bestehen konnte, wenn der Organträger seinen Willen in der Organgesellschaft aktiv durchsetzen konnte, als auch in Fällen, in denen lediglich eine abweichende Willensbildung auf Ebene der Organgesellschaft ausgeschlossen war. Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 08.12.2013 (V R 18/13 – BFHE 242, 433 = BFH/NV 2013, 1747; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 48/2013 Anm. 6) nach einer deutlichen Ankündigung im Jahr 2011 (BFH, Urt. v. 07.07.2011 – V R 53/10 – BStBl II 2013, 218; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 46/2011 Anm. 1) seine früher ergangene dieses Thema betreffende Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und stets die Willensdurchsetzung verlangt.

Das BMF hatte die Umsetzung dieser Rechtsprechung zunächst mit Schreiben vom 05.05.2014 (a.a.O.) unter Hinweis auf die anhängigen Vorlagen des XI. Senats des BFH an den EuGH zurückgestellt. Nunmehr wird der UStAE entsprechend der BFH-Rechtsprechung angepasst. Es wird stets die Willensdurchsetzung gefordert. Dies wird besonders deutlich im geänderten Wortlaut des Abschnitts 2.8 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UStAE.

Das Schreiben geht jedoch nicht auf die Thematik ein, dass der EuGH im Urteil vom 16.07.2015 genau genommen, den BFH-Vorlagen folgend, den deutschen Ansatz der organisatorischen Eingliederung im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses aus unionsrechtlicher Sicht verworfen und statt dessen auf Art. 11 MwStSystRL verwiesen hatte, der wiederum enge gegenseitige Beziehungen verlangt. Allerdings konnte das BMF insoweit keine tragfähige Lösung liefern, da der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dem entgegenstehen sollte. Weiterhin entschied der V. Senat des BFH unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung (vgl. u.a. BFH, Urt. 02.12.2015 – V R 15/14 – MwStR 2016, 251; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 33/2016 Anm. 5), dass der Grundsatz der Rechtssicherheit es erfordere, zweifelsfrei den umsatzsteuerlichen Steuerschuldner zu bestimmen. Daher sei es nicht möglich, eine abweichende Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu vertreten, ohne gegen diesen Grundsatz zu verstoßen, und bis auf weiteres orientiere sich der V. Senat des BFH damit weiter an den bisherigen Grundsätzen. Der XI. Senat des BFH hat sich in dieser Frage nicht eindeutig positioniert (vgl. u.a. BFH, Urt. v. 01.06.2016 – XI R 17/11 – BFHE 254, 164 = BFH/NV 2016, 1410).

Weitere Entwicklungen hierzu sind sowohl in aktuell anhängigen Verfahren als auch durch ein Handeln des Gesetzgebers denkbar.

II. Stimmbindungsvereinbarung oder Stimmrechtsvollmacht

Im Abschnitt 2.8 Abs. 5 UStAE wird ergänzt, dass Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten für die finanzielle Eingliederung grundsätzlich nicht relevant sein sollen. Eine Berücksichtigung sei nur vorzunehmen, wenn sie sich aus Regelungen der Satzung (wie etwa eine Einräumung von Mehrfachstimmrechten) ergeben. Dies entspricht der durch den BFH geäußerten Rechtsauffassung (vgl. u.a. BFH, Urt. 02.12.2015 – V R 15/14 – MwStR 2016, 251).

Die Anpassung erscheint systematisch richtig und sinnvoll. Bereits nach bisheriger Rechtsauffassung kommt es für die finanzielle Eingliederung nicht auf die Anteile, sondern auf die Stimmrechtsverhältnisse an, und weiterhin kann auf eine höhere Mehrheit als 50% abzustellen sein, wenn dies in der Satzung entsprechend vorgesehen ist. Im Interesse einer rechtssicheren Entscheidung über die finanzielle Eingliederung ist dem Ansatz des BMF zuzustimmen.

III. Beherrschungsvertrag

Eine Ergänzung des Abschnitts 2.8 Abs. 10 UStAE betrifft die organisatorische Eingliederung durch einen Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG). Zum einen wird der Wortlaut insoweit angepasst, als dass zukünftig bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages von einer organisatorischen Eingliederung auszugehen „ist“, während die Formulierung bisher davon sprach, dass regelmäßig hiervon ausgegangen werden könne.

Zum anderen wird ein Satz hinzugefügt, nach dem die organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag wegen der konstitutiven Wirkung der Eintragung im Handelsregister erst ab diesem Zeitpunkt vorliegen soll.

Die erste Formulierungsanpassung ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie die Rechtssicherheit erhöht. Allerdings sollte ein anhängiges Revisionsverfahren (Az. V R 7/16, Vorinstanz FG Neustadt, Urt. v. 23.07.2015 – 6 K 1352/14 – EFG 2016, 844) verfolgt werden, in dem der BFH ggf. entscheiden wird, ob er einen Beherrschungsvertrag überhaupt als taugliches Eingliederungskriterium ansieht. Hierzu wurden teilweise mündlich von Vertretern des BFH Zweifel geäußert.

Andererseits wurden Beherrschungsverträge rechtshistorisch bei der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft im entsprechenden Gesetzeswortlaut ausdrücklich für die organisatorische Eingliederung anerkannt. Sollte der BFH dies anders entscheiden, wären sämtliche in der Vergangenheit erfolgten Hinweise auf „Geschäftsführungsrichtlinien“ u.ä. ebenfalls Makulatur.

In jedem Fall sollte die eindeutige Verwaltungsmeinung jedoch auch bei einem negativen Urteil einen Vertrauensschutztatbestand nach § 176 Abs. 2 AO eröffnen, mit dem kleinen Vorbehalt, dass dieser Vertrauensschutz nach BFH-Auslegung nur die Jahressteuerfestsetzungen erfasst.

Kritisch zu sehen – es handelt sich grundsätzlich um eine überflüssige Komplizierung und Verschärfung – ist das nunmehrige Abstellen auf die Eintragung im Handelsregister. Zwar ist dem BMF darin zuzustimmen, dass die Eintragung konstitutiv ist. Andererseits ist es gelebte Unternehmenspraxis in Konzernsachverhalten, dass zwar der Beherrschungsvertrag vor Eintragung noch nicht formal zu befolgen ist, dies jedoch – im Sinne einer verbindlichen Konzernrichtlinie oder Geschäftsführungsordnung – dennoch im Tagesgeschäft so gehandhabt wird. Da andererseits das BMF im UStAE andere schriftliche fixierte Vereinbarungen der genannten Art ausdrücklich auch ohne personelle Verflechtung für die organisatorische Eingliederung akzeptiert, müsste dies im vorliegenden Fall genauso gelten. Gestalterisch empfiehlt sich dennoch, vorsorglich zusätzlich für die Zeit bis zur Eintragung entsprechende Dokumente zu schaffen.

Zusätzlich besteht das Problem, dass die umsatzsteuerliche Organschaft mit dem Tag besteht, an dem die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Tag der Eintragung im Handelsregister ist jedoch ein zufälliges, vom Unternehmer nicht aktiv steuerbares Ereignis. Auch aus diesem Grund wäre eine pragmatischere Position wünschenswert gewesen. In der Verwaltungspraxis wird im Übrigen oftmals – genau genommen ohne harte Rechtsgrundlage – die Organschaft einvernehmlich ab einem Folgemonat umgesetzt.

IV. Personengesellschaften

Die Finanzverwaltung setzt die Rechtsprechung des BFH zur möglichen Organgesellschaftsstellung von Personengesellschaften trotz des eine „juristische Person“ verlangenden Gesetzeswortlauts durch Anpassung des UStAE um. Dabei wählt das BMF die Lösung des V. Senats des BFH im Urteil vom 02.12.2015 (V R 25/13 – BFHE 251, 534 = BFH/NV 2016, 500), das als Bedingung unabhängig von der konkreten Rechtsform der einzugliedernden Personengesellschaft verlangt hat, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und ggf. in diesen entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliederte Personen sein dürfen. Eine entsprechende Umsetzung erfolgt nunmehr durch Einfügung eines neuen Absatzes 5a in den Abschnitt 2.8 UStAE. Weitere redaktionelle Anpassungen erfolgen insbesondere im Abs. 2 des Abschnitts 2.8 UStAE.

Der XI. Senat hatte anders als der V. Senat lediglich bei einer GmbH & Co. KG im Wege der Auslegung des Begriffs der juristischen Person eine Stellung als Organgesellschaft für denkbar gehalten (u.a. gestützt auf ähnliche Entscheidungen des BVerfG und BVerwG; vgl. BFH, Urt. v. 19.01.2016 – XI R 38/12 – BFHE 252, 516 = BFH/NV 2016, 706; BFH, Urt. v. 01.06.2016 – XI R 17/11 – BFHE 254, 164 = BFH/NV 2016, 1410). Zumindest in der Entscheidung vom 01.06.2016 hielt er dies auch ohne die durch den V. Senat geforderte vollständige finanzielle Beherrschung für möglich. Das BMF würdigt diese Auslegung nicht, ohne dass im Schreiben begründet wird, weshalb.

Im Ergebnis überzeugt der Ansatz des BMF nicht. Es ist zwar dem BMF zuzugestehen, dass der Umgang mit divergierenden Entscheidungen der beiden Umsatzsteuersenate von Verwaltungsseite kaum abschließend zu lösen ist, und vielmehr der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert ist. Das Vorgehen führt jedoch zu zahlreichen neuen Problemen.

Der V. Senat des BFH hat lediglich den Versuch unternommen, eine rechtssichere Auslegung zu finden, nachdem der EuGH Zweifel am allgemeinen Ausschluss vom Personengesellschaften postulierte, zugleich jedoch eine unmittelbare Berufung auf den Richtlinienwortlaut wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit abgelehnt hatte (vgl. zur Problematik ausführlich BFH, Urt. v. 02.12.2015 – V R 67/14 – BFHE 251, 547 = BFH/NV 2016, 511; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 17/2016 Anm. 5). Die insoweit gefundene Auslegung ist möglich und vertretbar, jedoch keinesfalls die einzig zutreffende Handhabung.

So ist es bei Personengesellschaften grundsätzlich zulässig, das Einstimmigkeitsprinzip des § 119 Abs. 1 und Abs. 2 HGB durch Gesellschaftsvertrag abzubedingen (vgl. Roth in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, § 119 Anm. 33 ff.). Dies geschieht in der Praxis sehr häufig, insbesondere bei GmbH & C. KG, die als geschlossener Investmentfonds errichtet werden.

Der BFH hatte sich aus Gründen der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit einer einfachen Entscheidungsmöglichkeit für den Eingliederungsansatz im Sinne der Vollbeherrschung entschieden (vgl. o.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch bei Kapitalgesellschaften im Gesellschaftsvertrag geregelt werden kann, welche Stimmrechtsanteile für Beschlüsse benötigt werden. Somit ist bereits bei der Organschaft mit Kapitalgesellschaften sehr wohl eine Einzelprüfung unter Einbeziehung der Satzung (vgl. hierzu auch Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE) vorzunehmen und dies offenbar, ohne dass die Rechtssicherheit gefährdet wäre.

Wünschenswert wäre für die finanzielle Eingliederung von Personengesellschaften daher vielmehr ein Ansatz, der dem für Kapitalgesellschaften möglichst nahekommt, d.h. ebenso auf Stimmrechte abstellt, und kein Sonderweg. Es bleibt abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber hierzu tätig werden wird.

Zusätzlich besteht nunmehr das Risiko, dass Finanzgerichte – die grundsätzlich nicht an Verwaltungsmeinungen einschließlich des UStAE gebunden sind, ggf. mit Ausnahmen, wenn die Verwaltungsmeinung eine Billigkeitsregelung nach § 163 AO ist – abweichend entscheiden und den Konflikt abermals zum BFH tragen, der bekanntlich in dieser Frage bisher keine eindeutige und allgemein verbindliche Lösung gefunden hat. Hierzu könnte ggf. ein aktuelles Revisionsverfahren neue Erkenntnisse liefern, in dem die Vorinstanz sehr ausführlich – wenn auch nicht in allen Passagen überzeugend – zu der Problematik Stellung bezieht (vgl. FG Neustadt, Urt. v. 08.12.2016 – 6 K 2485/13 – EFG 2017, 343, Revision unter XI R 3/17).

V. Insolvenz

Abschnitt 2.8 Abs. 12 UStAE wird neu gefasst. Unter Umsetzung der BFH-Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 15.12.2016 – V R 14/16 – BFHE 256, 562 = BFH/NV 2017, 709; Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 20/2017 Anm. 6) soll bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft die Organschaft enden. Dies soll auch gelten, wenn ein Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung nach § 270 ff. InsO bestellt wird. Ausdrücklich ist nach Verwaltungsmeinung auch ein Ende der Organschaft anzunehmen, wenn ein personenidentischer Sachwalter, vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter bestellt wird.

Im Übrigen soll bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Organschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dessen Bestellung enden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter maßgeblichen Einfluss hat und damit die notwendige Beherrschung durch den Organträger nicht mehr möglich ist, insbesondere bei Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

In der Vergangenheit hatte die Finanzverwaltung abweichend hiervon regelmäßig vertreten (vgl. z.B. OFD Frankfurt a.M., Verfügung v. 25.11.2015 – S 7105 A-21-St 110 – MwStR 2016, 51, zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft; insbesondere in Fällen der Insolvenz), dass zwar bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des Insolvenzverwalters auf Ebene der Organgesellschaft die Organschaft in jedem Fall enden sollte, jedoch die Insolvenz des Organträgers grundsätzlich keine Auswirkung auf die Organschaft haben sollte. Ebenso lautete die bisherige Auffassung, dass bei Insolvenz sowohl von Organträger als auch der Organgesellschaft und Bestellung des gleichen Insolvenzverwalters die Organschaft grundsätzlich fortbestehen sollte. Dem war der BFH sowohl im Beschluss vom 19.03.2014 (V B 14/14 – BFHE 244, 156 = BFH/NV 2014, 999; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 33/2014 Anm. 5) als auch in der zitierten Hauptsacheentscheidung nicht gefolgt. Seine Begründung stützte sich insbesondere auf den Grundsatz der Einzelinsolvenz im deutschen Recht und die Tatsache, dass der Unternehmer bei der Umsatzsteuer zwar Steuerschuldner, jedoch nur als Steuereinnehmer für Rechnung der Staatskasse sei. Dieses Erfordernis könne jedoch nicht mehr erfüllt werden, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet werde, da dann die erforderliche Zugriffsmöglichkeit des Steuerschuldners (der Organträger) auf die notwendigen Mittel nicht mehr gewährleistet sei. Ebenso vertrat der BFH die Auffassung, dass die Bestellung eines Insolvenzverwalters stets die organisatorische Eingliederung beende.

VI. Vorsteuerabzug einer Holding

Eine Anpassung des Abschnitts 15.22 Abs. 1 UStAE dient der Umsetzung der neueren Rechtsprechung von BFH und EuGH zum Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften (insbes. BFH, Urt. v. 06.04.2016 – V R 6/14 – BFHE 253, 456 = BFH/NV 2016, 1236, zum Vorsteuerabzug bei Einwerbung von Kapital für einen Beteiligungserwerb; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 30/2016 Anm. 6). Der Vorsteuerabzug soll versagt werden, wenn eine missbräuchliche Praxis vorliegt, oder soweit das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu dem unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht.

Die neue Verwaltungsmeinung ist teilweise kritisch zu bewerten. Zuzustimmen ist dem BMF in dem Punkt, dass Rechtsmissbrauch nicht zu einem Vorsteuerabzugsrecht führen darf. Dies entspricht sowohl der ständigen EuGH-Rechtsprechung als auch der Rechtsprechung des BFH. Fragwürdig ist jedoch der Ansatz, der das eingeworbene Kapital in ein Verhältnis zur gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellen will. Der EuGH hat in seinen zitierten Grundsatzurteilen des Jahres 2015 zu Holdinggesellschaften keineswegs gefordert, dass die Ausgangsumsätze die vorsteuerbelasteten Aufwendungen amortisieren müssen, sondern nur, dass entgeltliche Leistungen an diese ausgeführt wurden.

Das zitierte BFH Urteil betraf einen relativ besonderen Fall, in dem offenbar die betroffene Gesellschaft nicht in der Lage war, mit geeigneten Mitteln die unternehmerische Verwendung der Eingangsleistungen glaubhaft zu machen, und teilweise sogar Zweifel bestanden, ob überhaupt entsprechende Investitionen vorgenommen wurden.

C. Risikohinweis bei fehlerhafter Beurteilung einer Organschaft

Nach wie vor ist es in vielen Fällen alles andere als einfach, zweifelsfrei zu bestimmen, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt. Dies gilt vor allem für die organisatorische Eingliederung, doch kann dies auch bei den anderen Eingliederungskriterien problematisch sein.

Irrt eine Unternehmensgruppe und nimmt fehlerhaft eine Organschaft an, wird sie in der Regel über Umsätze zwischen den beteiligten Gesellschaften als nicht steuerbare Umsätze abrechnen, d.h. weder Umsatzsteuer noch Vorsteuer generieren. Stellt nunmehr die Finanzverwaltung später den Irrtum fest, so besteht für alle nicht steuerfreien Liefer- und Leistungsbeziehungen nachträglich eine rückwirkende Umsatzsteuerpflicht. Der Vorsteuerabzug ist jedoch – trotz der günstigen Rechtsprechung zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung (vgl. EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – MwStR 2016, 792 „Senatex“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 49/2016 Anm. 5) – erst ex nunc möglich, wenn nämlich Rechnungen mit Steuerausweis dem Leistungsempfänger übermittelt wurden (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Slg. I 2004, 5583 = BFH/NV 2004, Beilage 3, 229 „Terra Baubedarf-Handel“; BFH, Urt. v. 01.07.2004 – V R 33/01 – BStBl II 2004, 861, zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs). Hierdurch drohen erhebliche Zinsschäden wegen § 233a AO.

Sind Leistungsempfänger nur teilweise oder gar nicht vorsteuerabzugsberechtigt (§ 15 Abs. 2 UStG i.V.m. § 4 Nr. 8-28 UStG), können sich zusätzlich finanzielle Schäden durch nicht abzugsfähige Vorsteuerbeträge ergeben. Ebenso drohen bei Insolvenzsituationen finanzielle Nachteile.

Die Beraterempfehlung, bei Zweifeln über das Bestehen einer Organschaft mit Umsatzsteuerausweis abzurechnen, hat daher weiterhin Bestand. Die eindeutige Verwaltungsmeinung, dass Abrechnungen in einem Organkreis nicht die Rechtsfolgen des § 14c UStG nach sich ziehen, schützt grundsätzlich für den Fall, dass dann doch Organschaft besteht (vgl. Abschnitt 14c.2 Abs. 2a UStAE; BFH, Urt. v. 28.10.2010 – V R 7/10 – BStBl II 2011, 391; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 13/2011 Anm. 6; das Urteil betrifft explizit jedoch nur die Rechnungen einer Organgesellschaft an den Organträger).

Der umgekehrte Fall, d.h. das Nichterkennen einer Organschaft, ist dagegen hauptsächlich in Fällen der Insolvenz problematisch. Negative Rechtsfolgen sind allerdings auch dann denkbar, wenn durch getrennte Gesellschaften der ermäßigte Steuersatz auf die Leistungen einer der Gesellschaften angewendet werden sollte (z.B. bei einer Kombination aus Speisenlieferung durch Gesellschaft 1 und Dienstleistungen durch Gesellschaft 2, übliche Gestaltung bei Krankenhäusern oder Einrichtungen der Seniorenpflege), und die Organschaft dies negiert. Negative Folgen sind ebenso denkbar, wenn bisher eine Vermietung mit Option zur Steuerpflicht praktiziert worden war, um den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, und diese Vermietung dann als Innenumsatz negiert wird (vgl. hierzu BFH, Urt. v. 18.01.2005 – V R 53/02 – BStBl II 2007, 730; Anm. Eversloh, jurisPR-SteuerR 21/2005 Anm. 6).

D. Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Regelungen des Schreibens sind bezüglich des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit dem Halten von Beteiligungen, der organisatorischen Eingliederung durch Beherrschungsvertrag und der Organschaft im Insolvenzverfahren auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Die übrigen Änderungen (d.h. insbesondere der Wegfall einer organisatorischen Eingliederung durch bloßes Verhindern abweichender Willensbildung und die Möglichkeit, dass eine Personengesellschaft umsatzsteuerliche Organgesellschaft wird), sollen grundsätzlich für nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze gelten. Eine frühere Anwendung soll zulässig sein, wenn die Beteiligten dies übereinstimmend und für alle ihre Umsätze tun. Hier ist allerdings nicht ganz klar, wie diese Auffassung zeitlich zu verstehen ist. Möglich wäre, dass das BMF eine Anwendung auf alle noch änderbaren Umsatzsteuerveranlagungen fordern könnte, doch dies ist vermutlich nicht die Absicht.

E. Abschlussbetrachtung

Das BMF-Schreiben trägt dazu bei, eine Reihe rechtliche Unsicherheiten zu klären. Insbesondere die nunmehr eindeutige Haltung zur organisatorischen Eingliederung bezüglich der Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft ist zu begrüßen. Gleiches gilt grundsätzlich für die Möglichkeit, auch Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaften zuzulassen. Dennoch bleiben, wie ausführlich dargelegt, offene Fragen bestehen, und nicht alle Anpassungen sind aus Sicht der Steuerpflichtigen und ihrer Berater positiv zu bewerten.

Nach wie vor stellt sich die Frage, ob und wann der Gesetzgeber im Bereich der umsatzsteuerlichen Organschaft tätig werden wird. Grundsätzlich haben EuGH und BFH festgestellt, dass der § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sowohl bezüglich der Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen als auch bezüglich des Verständnisses einer Eingliederung im Sinne einer Über- und Unterordnung nicht mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

Es ist bekannt, dass eine Reihe von Überlegungen verfolgt wird. Bei diesen soll zusätzlich berücksichtigt werden, dass rechtssicher über das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zu entscheiden ist. Ein Zeitplan wie auch Einzelheiten geplanter Änderungen sind dagegen bisher nicht kommuniziert worden. Überlegt wird offenbar als eine denkbare Lösung eine sog. Antrags-Organschaft, d.h. das Bestehen einer Organschaft würde auf Antrag durch Verwaltungsakt festgestellt.

Dies ist einerseits eine begrüßenswerte Überlegung, da sich die Rechtssicherheit erhöht. Fraglich bliebe jedoch auch in diesem System, wie die Beendigung einer Organschaft abzuwickeln wäre. Solange die Eingliederungsvoraussetzungen wie im aktuellen Recht mit massiven Auslegungsunsicherheiten behaftet sind, bliebe die Frage bestehen, ob und wann ggf. eine Mitteilungspflicht gegenüber einer Finanzbehörde bestände, und wie zu verfahren wäre, wenn diese nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt ist, und ob relevant sein könnte, ob dies aus vom Steuerpflichtigen zu vertretenden Gründen geschehen ist.

Daher sollte wohl erwogen werden, sich stärker an der Handhabung in einigen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu orientieren. Diese kennen, anders als Deutschland, nicht die drei Eingliederungskriterien, sondern ihnen reicht in der Regel eine gewisse finanzielle Verbundenheit – oftmals nicht einmal im Wege einer Mehrheitsbeteiligung – und gewisse wirtschaftliche Zusammenhänge. Ein entsprechendes System, in Verbindung mit einem förmlichen Antragsverfahren, könnte eine Lösung für die Zukunft darstellen.

Sollten die entsprechenden Reformüberlegungen mehr Zeit erfordern, wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber zumindest die Problematik der Einbeziehung von Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaft zeitnah abschließend und praktikabel regelt. Grundsätzlich erschiene es hierfür sinnvoll, die Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften vollständig aufzugeben und lediglich die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung zu verlangen. Es könnte dann in einem weiteren BMF-Schreiben anhand von Beispielen erörtert werden, bei welchen Gesellschaftstypen ggf. Besonderheiten bestehen. Gerade die typische Publikums GmbH & Co. KG sollte sich jedoch nach den geltenden Kriterien sehr einfach organschaftlich beurteilen lassen.