Nachfolgend ein Beitrag vom 14.8.2017 von Burgenger, jurisPR-InsR 16/2017 Anm. 5
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Sprechen gewichtige Indizien für die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens, muss der darlehensgewährende Gesellschafter für ein substantiiertes Bestreiten darlegen, wofür die Mittel stattdessen gewesen sein sollen.
2. Im Rahmen der Anfechtung eines Gesellschafterdarlehens gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO trägt der Kläger die Beweislast für die Tatsache, dass bei Rückzahlung an einen nahestehenden Dritten die Mittel in das Vermögen des darlehensgewährenden Gesellschafters gelangt sind.
A. Problemstellung
In der Entscheidung setzt sich das OLG Frankfurt insbesondere mit den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu den Voraussetzungen der Anfechtung gemäß § 135 InsO bei Rückerstattung eines Darlehens an einen Dritten auseinander. Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt auf der Beweiswürdigung hinsichtlich des Vorliegens eines Gesellschafterdarlehens i.S.d. §§ 135 Abs. 1, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowie der Rückgewähr dieses Darlehens in das Vermögen des darlehensgebenden Gesellschafters.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG macht Ansprüche i.H.v. 54.000 Euro aus insolvenzrechtlicher Anfechtung gemäß den §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegen eine Aktionärin geltend.
Der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Beklagten war Vorstand der Insolvenzschuldnerin.
Auf das Konto der Insolvenzschuldnerin erfolgten am 21.04.2011 zwei Überweisungen vom Konto der Beklagten i.H.v. 27.000 Euro. Beide Einzahlungen wurden in der Buchhaltung der Insolvenzschuldnerin mit dem Buchungstext „Falsches Konto – Einzahlung B“ erfasst. Am 18.05.2011 kam es zu einer Barabhebung vom Konto der Insolvenzschuldnerin i.H.v. 54.000 Euro. Auf dem dazugehörigen Kontoauszug wurde dazu der handschriftliche Vermerk „Rückzahlung B v. 21.04.2011“ aufgebracht.
Am 07.09.2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger ist der Auffassung, bei beiden Zahlungen handele es sich nicht um Fehlüberweisungen, sondern um Darlehen, welche mit der Barabhebung von 54.000 Euro an die Beklagte zurückgezahlt wurden.
Die Beklagte behauptet, sie habe von den Vorgängen keine Kenntnis gehabt. Vielmehr habe ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann die Zahlungen veranlasst. Dieser habe Vollmacht über ihr persönliches Konto gehabt.
Das Landgericht hatte der Klage mit der Begründung stattgegeben, wegen des Fehlens eines anderen eindeutigen Rechtsgrundes liege eine Darlehensgewährung vor, da die Rückzahlung erst vier Wochen später erfolgte und deswegen von einer faktischen Stundung auszugehen sei. Es könne darüber hinaus dahinstehen, ob die Beklagte das Geld auch tatsächlich erhalten habe. Wenn sie ihrem Ehemann sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft überlasse, müsse sie sich auch dessen Handlungen auf Grundlage des § 164 BGB zurechnen lassen.
Im Rahmen der Berufung tritt die Beklagte dem mit der Begründung entgegen, aus der Verfügungsgewalt ihres Ehemannes über ihr persönliches Konto könne auf keine Bevollmächtigung in allen Angelegenheiten der Gesellschaft geschlossen werden. Sie müsse sich dessen Handlungen deswegen nicht zurechnen lassen. Weiter trägt sie in der Berufungsinstanz erstmalig vor, ihr Ehemann habe das Geld in bar von ihrem Konto abgehoben und auf das Konto der Insolvenzschuldnerin eingezahlt. Es handele sich bei den Zahlungen über 27.000 Euro deswegen nicht um eine Leistung der Beklagten selbst.
II. Das OLG Frankfurt verneint den Anspruch des Klägers gemäß den §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der Begründung, es sei nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die Mittel aus der streitgegenständlichen Barabhebung vom Konto der Insolvenzschuldnerin am 18.05.2011 auch tatsächlich der Beklagten zugeflossen sind.
1. Zunächst komme es nicht darauf an, ob die Abhebungen vom persönlichen Konto sowie die Einzahlungen auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin durch den Ehemann vorgenommen worden seien. Unstreitig habe der Ehemann Verfügungsbefugnis über das Konto gehabt. Die Vorgänge seien im Rahmen der Verfügungsbefugnis ausgeübt worden. Die Beklagte behaupte selbst nicht, dass dies gegen ihren Willen geschehen sei.
Zudem sei die Auffassung des Landgerichts jedenfalls vertretbar, bei den Einzahlungen handele es sich um ein Darlehen. Diese klägerische Behauptung sei durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten worden. Dazu hätte die Beklagte darlegen müssen, auf welcher Rechtsgrundlage die Zahlungen stattdessen erfolgt seien. Insbesondere habe die Beklagte nicht selbst behauptet, bei den Einzahlungen habe es sich um Fehlüberweisungen gehandelt. Dementgegen sei durch sie vorgetragen, es handele sich um Barabhebungen von ihrem Konto.
2. Auf die vorangestellten Feststellungen komme es letztlich jedoch nicht an, denn § 135 InsO setze neben einem Darlehen auch dessen Rückgewähr voraus.
Die vom Kläger behauptete Rückgewähr des Darlehens sei nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen worden. Dazu reiche es nicht aus, dass die Barabhebung vom 18.05.2011 in der Buchhaltung der Insolvenzschuldnerin als Zahlung an die Beklagte behandelt worden sei. Genauso sei es denkbar, dass der Ehemann die Mittel selbst vereinnahmt und anderweitig verwendet hat.
Die Beklagte müsse sich das Verhalten ihres Ehemannes nicht allein auf Grundlage des Umstandes zurechnen lassen, dass er sich um sämtliche Belange der Gesellschaft gekümmert habe. Daraus lasse sich keine allgemeine Geldempfangsvollmacht ableiten.
Damit fehle es an einer Rechtshandlung, die zur Befriedigung der Beklagten geführt habe.
C. Kontext der Entscheidung
I. 1. Auf Grundlage des Sach- und Streitstandes durfte das Oberlandesgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung von einem Gesellschafterdarlehen ausgehen. Zur Frage des Vorliegens eines Gesellschafterdarlehens wurden keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Richtigerweise ordnet das Oberlandesgericht das diesbezügliche einfache Bestreiten der Beklagten als unsubstantiiert und damit unerheblich ein. Wenn der Insolvenzverwalter ein Gesellschafterdarlehen als Zahlungsgrund behauptet, muss die Beklagte für ein substantiiertes Bestreiten wenigstens darlegen, aus welchem Rechtsgrund die als Fehlüberweisung deklarierten Zahlungen tatsächlich hätten geleistet werden sollen. Die buchhalterische Behandlung der beiden Zahlungen als Fehlüberweisung spräche zwar indiziell gegen ein Gesellschafterdarlehen. Angesichts in der Praxis vielfältig auftretender Umgehungsgestaltungen ist dieses Indiz allein jedoch nicht geeignet, um die Behauptung des klagenden Insolvenzverwalters zu widerlegen bzw. zu einer Umkehr der Beweislast zu führen.
2. Das sog. Stehenlassen der Forderung von nur vier Wochen spricht ebenfalls nicht gegen ein Gesellschafterdarlehen. Um von einer Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters ausgehen zu können, muss das „Stehenlassen“ der Forderung den Umständen nach als Kreditierung einzuordnen sein. Maßgebliches Kriterium dafür ist die rechtliche Abzugsmöglichkeit der Mittel in der erkennbaren Krise. Der vermeintliche bereicherungsrechtliche Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Fehlüberweisungen wäre sofort fällig und durchsetzbar. Ein Belassen der Mittel im Vermögen der Gesellschaft bei erkennbarer Krise könnte mithin unschwer als kurzfristiges Überbrückungsdarlehen zu werten sein.
II. Zweifelhaft erscheint auf Grundlage des Sach- und Streitstandes die Verneinung einer Rückgewähr der Mittel an die Beklagte.
1. Aufgrund des ehelichen Näheverhältnisses des Zahlungsempfängers zur Beklagten hätte diese möglicherweise auch als Rückgewähr an die Beklagte gewertet werden können. Der BGH (Urt. v. 21.02.2013 – IX ZR 32/12 – NJW 2013, 2282 m.w.N.) stellt zwar allgemein klar, dass sich Gesellschafter angesichts ihrer unerschöpflichen Gestaltungsfantasie und ihrer Berater nicht durch Umgehungskonstellationen den rechtlichen Folgen einer Rückgewähr entziehen können sollen. Dem versuche § 135 InsO vorzubeugen, welcher allein an objektive Merkmale anknüpfe. Entscheidend sei dabei jedoch, dass die Zahlung, auch wenn sie äußerlich an einen Dritten erfolgt, in diesen Gestaltungen auf eine der Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen gerichtete Willensentschließung des Gesellschafters zurückgeht.
2. Auf eine derartige Willensentschließung kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung auf Grundlage von Indizien geschlossen werden.
Auf eine solche Willensentschließung ist zwar nicht allein auf Grundlage des Näheverhältnisses i.S.d. § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu schließen. In Ermangelung einer Bezugnahme des Gesetzgebers auf § 138 InsO in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO scheidet eine unmittelbare Anwendung aus (vgl. ausführlich OLG Stuttgart, Urt. v. 14.07.2010 – 3 U 50/10 m.w.N.). Das Näheverhältnis kann damit allenfalls ein Indiz für die Willensentschließung des Gesellschafters sein.
Jedoch treten als weitere Indizien neben das Näheverhältnis die betragsmäßige Identität der Rückzahlung, die buchhalterische Behandlung der Zahlung als „Rückzahlung B“ sowie die Aufbringung eines entsprechenden Vermerks auf dem Kontoauszug. Insbesondere durch die Buchung der Zahlung muss die Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten auf dem dazugehörigen Gegenkonto mit einer entsprechenden Soll-Buchung versehen worden sein. Dies deutet mit dem Vermerk auf dem Kontoauszug auf eine entsprechende Tilgungsbestimmung und Erfüllungswirkung der Rückgewähr hin. Zudem stellt die Falschdeklarierung kurzfristiger Überbrückungsdarlehen eine häufig anzutreffende Umgehungsgestaltung zu § 135 InsO dar.
Gemessen an der vom BGH formulierten Zielsetzung des § 135 InsO erscheint es in Ansehung der vorgenannten Indizien als überzogen, vom Kläger einen Vollbeweis über das Gelangen der Mittel in das Vermögen der Beklagten bzw. eine entsprechende Geldempfangsvollmacht des Ehemanns der Beklagten zu verlangen. Diese Nachweise lassen sich allein aus der Sphäre der Beklagten führen, was dem Kläger regelmäßig nicht gelingen dürfte. Bei konsequenter Anwendung dieser Beweislastverteilung könnte sich der beklagte Gesellschafter in einer solchen Konstellation selbst bei verdichteten Indizien durch die bloße Behauptung fehlender Kenntnis über den Verbleib der Mittel einer Inanspruchnahme entziehen. Es erscheint gerechtfertigt, an den Vortrag zur Widerlegung der Indizien erhöhte Anforderungen zu stellen bzw. eine Umkehr der Beweislast zulasten der Beklagten zu bejahen. Spiegelbildlich zur Darlegungslast für die Widerlegung des vom Kläger lediglich behaupteten Gesellschafterdarlehens hätte die Beklagte wenigstens Darlegungen zum Verbleib der Mittel liefern müssen. Dies gilt umso mehr, als dass sich Ablehnung einer Rückgewähr nur auf die Angaben in einer informatorischen Anhörung der Beklagten stützt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung führt die immer wieder auftretenden Unwägbarkeiten vor Augen, denen die Parteien im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Geltendmachung, aber auch bei der Abwehr anfechtungsrechtlicher Ansprüche begegnen. Während sich diese bei den §§ 133, 130 InsO weitestgehend im Bereich der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen abspielen, treten diese im Fall des § 135 InsO häufig bei der Würdigung der vielfältigen Umgehungsversuche von Gesellschaftern auf.
Bei der Geltendmachung sollte deshalb selbst bei einer verdichteten Indizienlage versucht werden, die anspruchsbegründenden Tatsachen durch Vollbeweis zu belegen. Soweit dies nicht möglich ist, erscheint es geboten, sich nicht auf das Vortragen der Indizien zu beschränken, sondern bereits eine eigene ausführliche Würdigung der Indizien im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung vorzunehmen. Da häufig Dritte an den Umgehungsversuchen beteiligt sein werden, bedarf es einer ausführlichen tatsächlichen und rechtlichen Begründung, weshalb eine Rückzahlung an diese einer Zahlung an den Gesellschafter gleichzustehen hat.
Bei der Abwehr der Ansprüche ist stets auf ein hinreichend substantiiertes Bestreiten der Anspruchsvoraussetzungen zu achten. Dabei genügt es oftmals nicht, sich auf ein einfaches Bestreiten zu beschränken. Angesichts der oftmals vorhandenen Indizien ist das Bestreiten durch die Darlegung eines in sich geschlossenen Alternativsachverhaltes zu plausibilisieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gericht das Bestreiten als unsubstantiiert wertet und eine Beweislastentscheidung zugunsten des klagenden Insolvenzverwalters trifft.