Neulich habe ich mit hochrangigen Vertretern einer großen deutschen Bank zusammen gesessen. Ich weiß ja, dass nicht nur dort strenge Compliance-Regeln gelten. Da ich jedoch weder selbst noch im Mandantenbereich aktuell gerade eine Engagementsanfrage laufen hatte, habe ich mir nichts dabei gedacht, mal ein wenig Akquise für heimische Vereine zu machen (Thüringen und Hessen). Ich wusste ja, dass diese Bank die von mir auch geförderte Sportart selbst ebenso bei Großveranstaltungen maßgeblich unterstützt. Ich konnte auch etwas anbieten, immerhin 8-10 Turniere in Hessen und Thüringen und dazu noch eine Hessische Mannschaftsmeisterschaft – nada, niente, tut uns leid, Sie wissen doch „Compliance“, „dafür arbeiten wir zu intensiv zusammen“ usw. Gleiches Spiel bei einer großen deutschen Versicherung. Wie soll man denn noch Sponsorgelder für Vereine einwerben? Nur noch Kleinunternehmen aus der Region, die klassische Betteltour? Ich wollte doch gar keine bezahlte Reise nach Dubai zu einer Fortbildungsveranstaltung oder die Erteilung eines 5-stellig dotierten Gutachterauftrages unter Darlegung empirischer Daten im Zuge eines Feldversuches oder anderes mehr …

Die Bank veröffentlicht auf ihrer Website dazu Folgendes:

Compliance ist bei der X-Bank eine Aufgabe, die alle Mitarbeiter angeht. Zu den Kernaufgaben der Compliance-Funktion gehört es, Compliance-gerechtes Verhalten zu fördern, mögliche Verstöße gegen geltende Gesetze, Regeln und Grundsätze zu vermeiden und aufzudecken sowie einen hohen Standard bei individuellen Verhaltensweisen und Geschäftsgebaren einzuhalten.

In enger Zusammenarbeit mit allen Bereichen der X-Bank stellen die Compliance-Experten sicher, dass das risikofokussierte Programm der Bank weltweit effektiv funktioniert und gleichzeitig auf lokaler Ebene eng mit den wichtigsten Geschäftsbereichen verknüpft ist. Als unabhängige Kontrollfunktion ist der Bereich bestrebt, Compliance-Risiken zu steuern und die Compliance-Kultur der X-Bank durch die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Strategien zu festigen und dadurch das Vertrauen der Kunden zu stärken.

Leute, habt Ihr alle einen an der Waffel? Geht´s noch? Diese naheliegenden und wohl eher rhetorischen Fragen darf man aber nicht stellen, denn dazu ist der Compliance – Markt zwischenzeitlich viel zu interessant geworden. Große deutsche und internationale Anwaltskanzleien sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem Milliardenmarkt. Ja, das glaube ich gerne. Für viel (!) weniger Geld habe ich auch schon bei dem einen oder anderen Unternehmen Compliance – Regeln installiert, für die Installation eines Compliance – Beauftragten Sorge getragen und so auch das eine oder andere Risiko gedeckelt. Schließlich will man ja weiterhin bei großen Ausschreibungen mitmachen dürfen.

Aber wenigstens stehe ich mit meiner Meinung nicht ganz alleine …

Dazu nachfolgend ein Beitrag von Guido Quelle, veröffentlicht unter www.mandat.de:

Compliance – die nächste Stufe des Wahnsinns

Diejenigen von Ihnen, die regelhaft mein Blog lesen, wissen, dass mir der Vorsitzende der Geschäftsführung eines bedeutenden deutschen Unternehmens ein Buch von mir, in das ich ihm eine persönliche Widmung hineingeschrieben habe, zurücksandte, mit der Bemerkung, dass die Complianceregeln seines Unternehmens ihm verbieten, das Buch anzunehmen. Mit Verlaub – eine völlig idiotische Regelung.

Während eines Business-Lunches, zu dem ich als Wachstumsexperte geladen war, um ein wenig über unternehmerische Hebel für Wachstum zu sprechen, brachte einer der Teilnehmer ein weiteres Beispiel ein: Einige seiner Lieferanten, so berichtete der Geschäftsführer, haben sein Unternehmen aufgefordert, nicht mehr nur keine Weihnachtsgeschenke mehr zu senden – was das Unternehmen schon seit Jahren nicht mehr tut –, sondern auch keine WeihnachtsKARTEN mehr. Es handelte sich nicht nur um einen Lieferanten, sondern um mehrere. Ist das herrlich?

Wenn es so weit gekommen ist und wir uns mit so einem hanebüchenden Unsinn beschäftigen, können wir wirklich gar nichts anderes mehr zu tun haben. Compliance birgt die Gefahr einer Spielwiese für Welt- und Geschäftsfremde, für Entrückte, für Millimetergenaue und die Menschen bekommen auch noch Geld dafür. Lasst die Geschäftsfremden nicht die Oberhand gewinnen, sie bremsen uns aus, lasst lieber Angemessenheit und Augenmaß walten.

© 2014, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH, Dortmund, London, New York.