Nachfolgend ein Beitrag vom 16.6.2017 von Schmid, jurisPR-ITR 12/2017 Anm. 2

A. Einleitung

Am 12.05.2017 hat der Bundesrat dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zugestimmt (BR-Drs. 299/17 (B)). Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 69/17; BT-Drs. 18/11300) wurde zwischenzeitlich durch eine Beschlussempfehlung und einen Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (BT-Drs. 18/11776) abgeändert und in geänderter Form durch den Bundestag am 21.04.2017 angenommen (BR-Drs. 299/17). Nach Art. 78 GG ist das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes damit zustande gekommen und bedarf gemäß Art. 82 Abs. 1 GG lediglich noch der Gegenzeichnung und Ausfertigung des Bundespräsidenten sowie der Verkündung im Bundesgesetzblatt.

Das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes soll die rasante technologische Entwicklung des Automobilsektors berücksichtigen und damit eine verkehrs- und rechtssichere Verwendung der bereits heute technisch möglichen hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen ermöglichen. Die Begrifflichkeiten des hoch- und vollautomatisierten Fahrens entsprechen dabei der fünfstufigen Klassifizierung automatisierter Fahrfunktionen des von dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten „Runden Tischs Automatisiertes Fahren“ vom 16.12.2014 (www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Strasse/Automatisiertes-vernetztes-Fahren/automatisiertes-vernetztes-fahren.html, zuletzt abgerufen am 01.06.2017; BT-Drs. 18/11300, S. 13). Hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen stellen nach dieser Klassifizierung den dritten und vierten Automatisierungsgrad dar (nach der ersten und zweiten Stufe im Sinne eines assistierten und teilautomatisierten Fahrens und vor der fünften und höchsten Stufe im Sinne eines autonomen Fahrens). Die Stufe der Autonomie, also das fahrerlose Fahren als höchste Automatisierungsstufe, wird von dem aktuellen Gesetzentwurf lediglich im Rahmen der Nutzung von fahrerlosen Parksystemen (§ 6 Abs. 1 Nr. 14a StVG-neu), nicht aber zum generellen Einsatz im Straßenverkehr berücksichtigt, was mangels derzeitiger technischer Erprobtheit aus Gründen der Verkehrs- und Rechtssicherheit auch folgerichtig ist. Im täglichen Sprachgebrauch ist indes zu beobachten, dass die Begriffe Automatisierung und Autonomie oftmals verwechselt bzw. gleichgestellt werden, was nicht nur ungenau, sondern auch falsch ist.

Neben Zulässigkeitsfragen (§ 1a StVG-neu), Pflichten und Rechte des Fahrzeugführers bei der Nutzung der hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen (§ 1b StVG-neu), Evaluierungsbestimmungen (§ 1c StVG-neu), Bestimmungen zu fahrerlosen Parksystemen auf Parkflächen (§ 6 Abs. 1 Nr. 14a StVG-neu), Haftungshöchstgrenzen (§ 12 Abs. 1 StVG-neu) und einer Ergänzung der Zweckbestimmung des Fahrzeugregisters (§ 32 Abs. 1 Nr. 8 StVG-neu) sieht das Änderungsgesetz künftig auch Verpflichtungen zur Datenspeicherung und Datenübermittlung sowie diesbezügliche datenschutzrechtliche Ermächtigungen, Verpflichtungen, Grenzen und Löschpflichten bei hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen vor (§§ 63a f. StVG-neu).

Nur letztgenannte Vorschriften zum sog. „Event Data Recording“ oder „Black Boxing“ sollen Gegenstand dieser Gesetzesanmerkung sein und im Folgenden nach ihren Regelungeninhalten strukturiert dargestellt werden.

B. Datenspeicherung (§ 63a Abs. 1 StVG-neu)

Nach § 63a Abs. 1 StVG-neu müssen Kraftfahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen zukünftig die durch ein Satellitennavigationssystem (in der Regel durch GPS) ermittelten Positions- und Zeitangaben speichern, wenn ein Wechsel der Fahrzeugsteuerung zwischen dem Fahrzeugführer und dem hoch- oder vollautomatisierten System erfolgt. Eine Speicherung soll nach der Vorschrift weiterhin dann erfolgen, wenn der Fahrzeugführer durch das System zur Übernahme der Fahrzeugsteuerung aufgefordert wird und wenn eine technische Störung des Systems eintritt. § 63a StVG-neu regelt nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar lediglich die Speicherung dieser Daten und nicht auch eine etwaige Verpflichtung zur diesbezüglichen Datenerhebung, also eine tatsächliche Ausstattungspflicht der Fahrzeuge mit ebensolchen datenerhebenden Instrumentarien. Eine solche Verpflichtung wird durch die Vorschrift aber stillschweigend und implizit mitgeregelt.

Diese Speicherungspflicht verfolgt dabei zum einen das Ziel, dass sich der Fahrzeugführer künftig bei einem Unfall nicht pauschal auf ein Versagen oder eine Störung des hoch- oder vollautomatisierten Systems berufen kann, um seiner eigenen Haftung zu entgehen (BT-Drs. 18/11300, S. 15 und S. 24). Vielmehr soll durch Auslesung dieser Daten auch im Nachhinein noch festgestellt werden können, wer zu einem fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug gesteuert hat. Zum anderen soll dem Fahrzeugführer hierdurch aber gerade schon ermöglicht werden, einen gegen diesen erhobenen Schuldvorwurf zu entkräften (vgl. hierzu § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG), wenn zu dem Ereigniszeitpunkt das hoch- oder vollautomatisierte System tatsächlich die Steuerung über das Fahrzeug innehatte, dieses ggf. einer technischen Störung unterlag und der Fahrzeugführer auch nicht zur Übernahme der Steuerung aufgefordert wurde, dieser also auch nicht seine Übernahmepflicht aus § 1b StVG-neu verletzt hat.

Fraglich ist indes, ob die nach § 63a Abs. 1 StVG-neu geforderte Speicherverpflichtung auch zur Abwehr von Haftungsansprüchen gegen den Fahrzeughalter geeignet ist, der sich nicht wie der Fahrzeugführer i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG exkulpieren kann, sondern zunächst immer haftet und dann ggf. nur Regress bei dem Fahrzeughersteller nach dem ProdHaftG nehmen kann. Das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sieht gerade keine Änderung des § 7 Abs. 1 StVG vor, sodass es auch bei einem Unfall, der ausschließlich auf eine technische Störung des hoch- oder vollautomatisierten Systems zurückzuführen ist, zunächst bei der Haftung des Fahrzeughalters bleibt. Zwar ist die Haftung gemäß § 7 Abs. 2 StVG dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Höhere Gewalt wird in der Regel aber nur bei einem „außergewöhnliche

[n], betriebsfremde[n], von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführte[n] und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbare[n] Ereignis [angenommen], das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht“ (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 7 Rn. 30 m.w.N.; Walter in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, BeckOGK, Stand 01.01.2017, § 7 StVG Rn. 144; so auch Kaufmann in: Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 25. Kapitel Rn. 105). Diese primäre Haftungspflicht des Fahrzeughalters, auch bei einem ausschließlich auf technische Mängel zurückzuführenden Unfall, war von dem Gesetzgeber so auch aus Gründen der Rechtssicherheit der Unfallopfer gerade beabsichtigt (BT-Drs. 18/11300, S. 14).

Möchte der Fahrzeughalter dann Regress bei dem Fahrzeughersteller fordern, trägt der Fahrzeughalter dann nach § 1 Abs. 4 ProdHaftG für den Fehler, den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen Fehler und Schaden aber die Beweislast. Ob den hierfür notwendigen Nachweisen aber bereits durch die nach § 63a Abs. 1 StVG-neu zu speichernden Daten rechtssicher nachgekommen werden kann, muss bezweifelt werden. Insbesondere lässt sich der Wortlaut des § 63a Abs. 1 StVG-neu so verstehen, dass auch bei dem Auftreten einer technischen Störung von dem System lediglich die Positions- und Zeitangaben, also die Informationen, wo und wann der Fehler aufgetreten ist, gespeichert werden (vgl. hierzu den Wortlaut der Vorschrift „Eine derartige Speicherung erfolgt auch […]“), nicht aber etwaige damit zusammenhängende Systemprotokolldateien, Inhalte von Fehlerspeichern, Sensorwerte (etwa der Systemtemperatur), o.ä. (so wohl auch der Gesetzgeber, der mit der Regelung lediglich bezweckt, nachvollziehbar festzuhalten, „ob“ eine technische Störung vorlag, vgl. BT-Drs. 18/11776, S. 11). Hiergegen lässt sich zwar argumentieren, der Gesetzgeber wollte diese inhaltlichen Bestimmungen nicht in dem Gesetz selbst, sondern in einer konkretisierenden Rechtsverordnung nach § 63b StVG-neu treffen. Da diese inhaltlichen Bestimmungen („was wird gespeichert“) aber weder die technische Ausgestaltung und den Ort des Speichermediums noch die Art und Weise der Speicherung („wie wird gespeichert“) betrifft, bleibt auch im Rahmen der Verordnungsermächtigung nach § 63b Nr. 1 StVG-neu und auch insgesamt im Rahmen des § 63b StVG-neu für eine diesbezügliche Konkretisierung kein Platz. Die Speicherverpflichtung nach § 63a Abs. 1 StVG-neu lässt sich insofern lediglich als eine „Blackbox Light“ bezeichnen, die das technische Können unter Berücksichtigung des datenschutzrechtlichen Dürfens nicht ausreichend wahrnimmt und daher dem Ziel, eine bestmögliche Rechtssicherheit beim hoch- und vollautomatisierten Fahren zu erreichen, nicht vollends gerecht wird.

Wer Adressat dieser Speicherpflicht ist und wie diese gespeicherten Daten gegen unbefugten Zugriff bei Verkauf des Kraftfahrzeugs gesichert werden, soll dagegen per Rechtsverordnung gemäß § 63b Nr. 2, Nr. 3 StVG-neu bestimmt werden. Jedenfalls hinsichtlich des Adressaten dieser Speicherpflicht ist an dieser Stelle die Frage aufzuwerfen, wer neben dem Fahrzeughersteller, der die ausschließliche Systemausgestaltung vornimmt, hierfür überhaupt noch in Betracht kommen könnte – aus welchem Grund diese Frage also derart komplex zu sein scheint, sodass diese erst per Rechtsverordnung beantwortet werden könnte.

Datenschutzrechtlich Betroffener dieser Vorschrift wird dagegen meist der Fahrzeugführer sein, da zunächst nur von diesem personenbezogene Daten (etwa Positionsdaten des Kfz zu einem bestimmten Zeitpunkt und damit des Fahrzeugführers selbst) durch das System gespeichert werden. In Einzelfällen können die von dem System gespeicherten Daten aber auch Rückschlüsse auf etwaige Beifahrer zulassen, wenn etwa durch Zusatzwissen bekannt ist, dass sich bei einer bestimmten Fahrt ein bestimmter Beifahrer ebenfalls in dem Fahrzeug befunden hat.

C. Datenübermittlung an Behörden (§ 63a Abs. 2 StVG-neu)

Nach § 63a Abs. 2 Satz 1 StVG-neu dürfen die nach § 63a Abs. 1 StVG-neu gespeicherten Daten den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden. Diese Vorschrift sieht insofern einen datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestand zur Übermittlung der nach § 63a Abs. 1 StVG-neu gespeicherten Daten vor, wohingegen sich – anders als noch in dem ersten Gesetzesvorschlag der Bundesregierung vorgesehen (vgl. BT-Drs. 18/11300, S. 11) – die diesbezüglichen Übermittlungspflichten direkt aus der StPO oder dem OWiG ergeben (vgl. BT-Drs. 18/11776, S. 11). Diese Daten dürfen gemäß § 63a Abs. 2 Satz 2 StVG-neu von diesen Behörden gespeichert und genutzt werden. Die Vorschrift des § 63a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 StVG-neu entspricht zusammen mit der Übermittlungsverpflichtung aus der StPO oder dem OWiG insofern dem sog. „Doppeltürprinzip“ des BVerfG, wonach bei dem Austausch von Daten „zwischen der Datenübermittlung seitens der auskunftserteilenden Stelle und dem Datenabruf seitens der auskunftssuchenden Stelle zu unterscheiden [ist]“ (BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 – 1 BvR 1299/05 – MMR 2012, 410, 412).

Zwar regelt der Wortlaut der Vorschrift die „Übermittlung“ von Daten. Dennoch geht der Gesetzgeber im Rahmen seiner Erwägungen zum Erfüllungsaufwand des Gesetzes davon aus, dass diese Daten von den Behörden in erster Linie mittels Datenauslesegeräten lokal aus dem Fahrzeugspeicher ausgelesen, also nicht etwa fernmeldetechnisch über das Internet an die Behörde übermittelt werden (vgl. BT-Drs. 18/11300, S. 16 f.). „Übermittlung“ im Sinne der Vorschrift wird insofern zunächst als ein „zum Abruf bereithalten“ i.S.d. § 3 Abs. 4 Nr. 3 lit. b BDSG verstanden werden.

Die Vorschrift des § 63a Abs. 2 Satz 1 StVG-neu enthält richtigerweise keinen expliziten Normadressaten. Vielmehr soll jeder, der nach den Voraussetzungen der StPO oder des OWiG zur Herausgabe verpflichtet wird, auch zur Herausgabe datenschutzrechtlich befugt sein. In der Regel wird dies stets derjenige sein, der zum Zeitpunkt der Übermittlungsanordnung die tatsächliche Sachherrschaft über das Kfz ausübt und daher alleine in der Lage ist, den Übermittlungsvorgang zu starten oder aber das Kfz den Behörden zur Datenauslesung zur Verfügung zu stellen. Für gewöhnlich wird dies zwar der Fahrzeughalter sein, doch kann dies im Einzelfall, etwa bei längerfristigen Nutzungsüberlassungen, mit der hier vertretenen Auffassung auch der Fahrzeugführer selbst sein.

Nur dann, wenn der durch die Datenspeicherung gemäß Absatz 1 der Vorschrift datenschutzrechtlich Betroffene (dies ist meist der Fahrzeugführer, vgl. bereits oben) und der Adressat der Übermittlungsanordnung und damit die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle für die Datenübermittlung personenverschieden sind, ist die datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage nach § 63a Abs. 2 Satz 1 StVG-neu überhaupt von Relevanz. Denn einer datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage zur Übermittlung eigener Daten bedarf es mangels Schutzumfangs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bereits nicht.

Der Umfang der Datenübermittlung ist nach der Vorschrift des § 63a Abs. 2 Satz 3 StVG-neu dabei auf das für den Zweck des durch die Behörden geführten Verfahrens notwendige Maß zu beschränken. Diese Vorschrift ist zum einen deswegen äußerst kritisch zu sehen, da die Begrenzung der Datenübermittlung hiernach in der Verantwortlichkeit der auskunftserteilenden Stelle liegen soll. Der Fahrzeughalter oder -führer kann in der Regel aber nicht wissen, welche Daten für den spezifischen Zweck konkret notwendig sind. Es obliegt vielmehr der auskunftssuchenden Stelle, genau festzulegen, welche Daten ganz konkret übermittelt werden sollen. Zum anderen ist aber auch fraglich, ob die auskunftserteilende Stelle überhaupt technisch in der Lage ist, die zu übermittelnden Daten derart feingranular und damit auf das notwendige Maß beschränkt auszuwählen. In der Praxis wird die auskunftserteilende Stelle daher keine andere Wahl haben, als den Behörden zunächst alle Daten eines spezifischen Zeitfensters freizugeben, welche die für sie nicht notwendigen Daten dann aus dem Datenbestand selbst ausfiltern.

D. Datenübermittlung an Dritte zur Geltendmachung, Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen (§ 63a Abs. 3 StVG-neu)

§ 63a Abs. 3 StVG-neu enthält weiterhin eine Verpflichtung seitens des Fahrzeughalters, die nach Absatz 1 der Vorschrift gespeicherten Daten auch Dritten zu übermitteln, wenn diese Daten zur Geltendmachung, Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit einem Ereignis nach § 7 Abs. 1 StVG erforderlich sind und das entsprechende Kfz mit automatisierter Fahrfunktion an dem Ereignis auch beteiligt war. § 63a Abs. 2 Satz 3 StVG-neu, also die bereits problematisierte Übermittlungsbeschränkung auf das den konkreten Zweck notwendige Maß, soll hier aufgrund des Verweises in § 63a Abs. 3 Satz 2 StVG-neu ebenfalls Anwendung finden.

Problematisch zu sehen ist hierbei nicht nur die starre Verpflichtung des Fahrzeughalters, der bei längerfristigen Nutzungsüberlassungen ggf. gar keine tatsächliche Sachherrschaft über das Kfz und damit gar keine faktische Übermittlungsmöglichkeit innehat (vgl. bereits oben). Vielmehr ist ebenfalls kritisch zu sehen, dass durch diese Vorschrift dem Fahrzeughalter eine eigenständige Pflicht auferlegt wird, zu prüfen, ob 1) Rechtsansprüche tatsächlich geltend gemacht, befriedigt oder abgewehrt werden sollen, 2) diese Daten zu diesen Zwecken auch erforderlich sind, 3) das Kfz an diesem Ereignis beteiligt war und 4) auf welches Maß i.S.d. § 63a Abs. 2 Satz 3 StVG-neu sich die Übermittlung zu beschränken hat. Übermittelt der Fahrzeughalter, obwohl eine dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorgelegen hat, und sind in den übermittelten Daten personenbezogene Daten Dritter enthalten, so kann dies – je nach Verschulden des Fahrzeughalters – ggf. datenschutzrechtliche Haftungsansprüche gegen diesen auslösen. Schließlich fehlt es gemäß dem Doppeltürprinzip auch an einer datenschutzrechtlichen Speicher- und Nutzungsbefugnis seitens des auskunftsstellenden Dritten i.S.d. § 63a Abs. 2 Satz 2 StVG-neu, obwohl der Gesetzgeber dies in einer früheren Entwurfsfassung noch vorgesehen hat (Verweis des § 63a Abs. 3 Satz 2 StVG-neu auf § 63a Abs. 2 Satz 2 StVG-neu, vgl. BT-Drs. 18/11300, S. 11). Die auskunftssuchende Stelle muss dann insofern auf die allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen des BDSG/der EU-DSGVO zurückgreifen.

E. Datenübermittlung an Dritte zur Unfallforschung (§ 63a Abs. 5 StVG-neu)

Der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (BT-Drs. 18/11776) folgend wurde die Vorschrift des § 63a StVG-neu im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesentwurf um einen Absatz 5 ergänzt, der bestimmt, dass die nach § 63a Abs. 1 StVG-neu gespeicherten Daten im Zusammenhang mit einem Ereignis nach § 7 Abs. 1 StVG auch an Dritte in anonymisierter Form zu Zwecken der Unfallforschung übermittelt werden können.

Fraglich ist hierbei, welchen Regelungsgegenstand die Vorschrift überhaupt hat, ob diese nun eine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage („können“) oder aber vielmehr eine datenschutzrechtliche Erschwernis darstellen soll, die über den Schutzbereich des BDSG gar hinausgeht.

Denn sowohl das BDSG als auch die ab 25.05.2018 geltende EU-DSGVO finden lediglich auf personenbezogene oder zumindest -beziehbare Daten Anwendung (vgl. § 1 Abs. 1 BDSG bzw. Art. 2 Abs. 1 EU-DSGVO). Der Vorgang des Anonymisierens schließt eine solche Personenbezogenheit oder -beziehbarkeit aber regelmäßig aus (vgl. Schild in: Wolff/Brink, BeckOK-Datenschutzrecht, 19. Edition 2017, § 3 BDSG Rn. 98; Dammann in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 196), sodass der Anwendungsbereich des Datenschutzrechts dann bereits gar nicht mehr eröffnet ist (vgl. Dammann in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 3 Rn. 198). Mangels Anwendbarkeit des Datenschutzrechts bedürfte es dann aber gar keiner Ermächtigungsgrundlage zur Übermittlung dieser anonymisierten Daten, sodass der Regelungsinhalt nach dieser Auffassung inhaltsleer wäre.

Damit bliebe letztendlich nur die Möglichkeit, dass § 63a Abs. 5 StVG-neu als eine Art datenschutzrechtliche Erschwernis anzusehen sein könnte, also ein datenschutzrechtliches Verbotsprinzip, das über den Schutzbereich des allgemeinen Datenschutzrechts hinausgeht und auch die Übermittlung anonymisierter Daten i.S.d. § 63a Abs. 1 StVG-neu nur unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtet. Dies wäre aber erstens systemwidrig und bereits daher abzulehnen. Zweitens ist nicht nachvollziehbar, weshalb die nach § 63a Abs. 1 StVG-neu erhobenen und gespeicherten Daten einen größeren Schutzbedarf hätten, sodass auch eine anonymisierte Übermittlung geregelt werden müsste. Drittens ergibt sich für anonymisierte Daten bereits kein Schutzauftrag des Staates aus dem dem Datenschutzrecht zugrunde liegenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Wollte der Gesetzgeber mit der Vorschrift eine stetige Produktverbesserung durch die Produkthersteller durch Unfallforschung bezwecken, hätte dieser schließlich vielmehr eine Verpflichtung zur Datenübermittlung unfallrelevanter Daten einführen müssen, nicht aber eine unnötige datenschutzrechtliche freiwillige Übermittlungsbefugnis.

F. Löschpflichten und Aufbewahrungsfristen (§ 63a Abs. 4 StVG-neu)

Während der ursprüngliche Gesetzentwurf in § 63a Abs. 4 StVG-neu noch vorgesehen hat, dass die nach Absatz 1 der Vorschrift gespeicherten Daten spätestens nach drei Jahren zu löschen sind (vgl. BT-Drs. 18/11300, S. 11), enthält der aktuelle Gesetzentwurf nach Annahme der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (BT-Drs. 18/11776) nun eine differenziertere sowie datenschutzfreundlichere Regelung. Künftig sind die nach Absatz 1 der Vorschrift gespeicherten Daten bereits nach sechs Monaten zu löschen, es sei denn, das Kraftfahrzeug war an einem Ereignis nach § 7 Abs. 1 StVG, also einem Unfall, beteiligt. Nur in diesem Fall sind die Daten weiterhin nach drei Jahren zu löschen. Da die Löschung alter Datenbestände durch die Software des Kfz stets automatisiert erfolgen wird (bspw. durch ein Ringspeichermodell, bei dem neue Daten obsolete Daten überschreiben), geht der Gesetzgeber insofern davon aus, dass auch die heute verfügbaren hoch- und vollautomatisierten Fahrzeuge bereits technisch in der Lage sind, Ereignisse nach § 7 Abs. 1 StVG automatisiert zu erkennen und dann als Resultat eine diesbezügliche Nichtlöschung anzuordnen. Dies ist in technischer Hinsicht wohl auch tatsächlich möglich und daher richtig.

Durch das Weglassen des Wortes „spätestens“ aus dem Wortlaut des § 63a Abs. 4 StVG-neu kommt zum Ausdruck, dass die Vorschrift nicht nur eine Maximalspeicherdauer, sondern auch eine Minimalspeicherdauer, also eine Aufbewahrungspflicht der Daten für diesen Zeitraum, regelt. Die betroffenen Daten dürfen also weder länger als vorgegeben auf dem System verbleiben noch bereits früher gelöscht werden („Pflicht zur Nichtlöschung“).

G. Zusammenfassung

Zusammenfassend sind dem Gesetzgeber die Regelungen der §§ 63a f. StVG-neu mit der hier vertretenen Auffassung nicht vollständig geglückt. Während im Rahmen des § 63a Abs. 1 StVG-neu eine Bestimmung des Regelungsadressaten fehlt und unnötigerweise erst durch Rechtsverordnung bestimmt werden soll, ist dieser in § 63a Abs. 3 StVG-neu zu starr gefasst. Weiterhin findet einerseits eine Überregelung nicht regelungsbedürftiger Sachverhalte (§ 63a Abs. 5 StVG-neu), andererseits aber auch eine Unterregelung von regelungspflichtigen Sachverhalten (etwa Umfang der Datenerhebung i.S.d. § 63a Abs. 1 StVG-neu) statt. Damit ist zweifelhaft, ob diese Vorschriften dem Zweck, Rechtssicherheit beim hoch- und vollautomatisierten Fahren zu schaffen, nachkommen können.