Nachfolgend ein Beitrag vom 27.3.2017 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 13/2017 Anm. 7

Leitsatz

Die Berichtigung der Steuernummer des Rechnungsausstellers nach § 31 Abs. 5 UStDV wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurück (Änderung der Rechtsprechung; wie BFH, Urt. v. 20.10.2016 – V R 26/15).

A. Problemstellung

Die im Jahr 2010 durch Wäger (DStR 2010, 1478) begonnene Diskussion, ob das EuGH-Urteil in der Rechtssache „Pannon Gep“ (EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Slg. I 2010, 7467 – DStR 2010, 1475) bedeutet, dass fehlerhafte Rechnungen für Zwecke des Vorsteuerabzugs rückwirkend korrigiert werden können, wurde bekanntlich durch das EuGH-Urt. vom 15.09.2016 in der Rechtssache „Senatex“ (C-518/14 – MwStR 2016, 792 – UR 2016, 800 m. Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 49/2016 Anm. 5) positiv beantwortet. Der BFH hat nunmehr ein zweites Mal sehr zeitnah zur Umsetzung des Urteils entschieden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin, eine Flugplatzbetreiberin, hatte in den Jahren 2005 und 2006 Eingangsrechnungen erhalten, in denen die Steuernummer des leistenden Unternehmers unzutreffend angegeben war, so dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Belegen verwehrte. Zwar erhielt die Klägerin noch vor Ergehen der Änderungsbescheide korrigierte Rechnungen, doch hielt das Finanzamt an seiner Rechtsansicht fest. Nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren folgte eine – gleichermaßen erfolglose – finanzgerichtliche Klage (FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.11.2014 – 5 K 5083/14 – MwStR 2015, 358).
Der BFH erklärte die Revision nunmehr für begründet und er sprach der Flugplatzbetreiberin den begehrten Vorsteuerabzug für 2005 und 2006 zu. Zwar erfordere der Vorsteuerabzug aus Leistungen anderer Unternehmer grundsätzlich den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 1 bis Abs. 4 UStG), doch könne eine Rechnung, die nicht alle erforderlichen Angaben enthalte, oder bei der Angaben unzutreffend seien, berichtigt werden (§ 31 Abs. 6 Satz 1 UStDV). Wie bereits in einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tag ausführlich begründet (vgl. BFH, Urt. v. 20.10.2016 – V R 26/15 – BFH/NV 2017, 252), habe der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache „Senatex“ (EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – MwStR 2016, 792) grundsätzlich entschieden, dass die Rechnungsbestandteile formelle Merkmale seien, die einer rückwirkenden Berichtigung offenständen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine berichtigungsfähige Rechnung vorliege, was nach Auffassung des Senats bedeutet, dass das Dokument Angaben zum Austeller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalte, was vorliegend der Fall gewesen sei.
Die Berichtigungen im Streitfall seien zutreffend erfolgt, und auch rechtzeitig (Verweis auf Parallelentscheidung BFH, Urt. v. 20.10.2016 – V R 26/15, in welcher der Senat eine Berichtigung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht als ausreichend rechtzeitig angesehen habe). Es könne offenbleiben, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug ggf. auch ohne förmliche Berichtigung bestanden haben könnte (Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-516/14 – MwStR 2016, 796 – UR 2016, 795 „Barlis 06“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2016 Anm. 6, sowie Ausführungen in der Parallelentscheidung), und ebenfalls offenbleiben, ob die Berichtigung für Zwecke der Verzinsung ein rückwirkendes Ereignis (§ 233a Abs. 2a AO) darstelle.

C. Kontext der Entscheidung

Der BFH entscheidet kurz und deutlich zugunsten der rückwirkenden Berichtigungsmöglichkeit für den Rechnungsmangel „unrichtige Steuernummer“. In der zitierten Parallelentscheidung (BFH, Urt. v. 20.10.2016 – V R 26/15) wird sehr ausführlich begründet, dass jedenfalls Rechnungen mit den angeführten Mindestmerkmalen der rückwirkenden Korrektur zugänglich sind, wobei Streitgegenstand dort eine unzureichende Leistungsbeschreibung war.
Die Überlegungen des BFH überzeugen weitgehend, wobei anzumerken ist, dass im konkret vom EuGH entschiedenen Fall lediglich das Merkmal Steuernummer relevant war. Auch hat der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache „Senatex“ (EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – MwStR 2016, 792) deutlich gemacht, dass er den Besitz einer Rechnung mit Steuerausweis als notwendige Bedingung einer rückwirkenden Korrekturmöglichkeit ansieht, denn andernfalls liege ein Fall im Sinne der – negativ ausgefallenen – „Terra Baubedarf“-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – BFH/NV 2004, Beilage 3, 229) vor.
Belege, die an den falschen Empfänger oder durch den falschen Leistenden (nicht im Sinne einer ungenauen Bezeichnung, sondern einer unstreitig falschen Partei) ausgestellt wurden, erfüllen regelmäßig den Sanktionstatbestand des § 14c UStG, so dass sie bereits aus diesem Grund nicht rückwirkend berichtigungsfähig sein sollten. So entschied das FG Münster vor kurzem, dass Rechnungen an die falsche Partei keinen Anwendungsfall von „Senatex“ bildeten (vgl. FG Münster, Urt. v. 01.12.2016 – 5 K 1275/14 U).
Fraglich erscheint allerdings, ob der Ausweis des (Netto-)Entgelts wirklich notwendige Bedingung für die rückwirkende Korrektur sein kann. Der EuGH hat in seiner Auseinandersetzung mit „Terra Baubedarf“ in „Senatex“ deutlich gemacht, dass es ihm bedeutsam war, dass der Leistungsempfänger mit der Mehrwertsteuer belastet war. Von daher sollten gute Argumente bestehen, auch reine Bruttorechnungen (nicht aber Nettorechnungen) rückwirkend berichtigen zu können, und die Ausführungen des BFH in den beiden Urteilen vom 20.10.2016 (V R 64/14, V R 26/15) eher so verstanden werden, dass hier eine Verbindung zu der Grundsatzentscheidung zur Definition einer Falschrechnung i.S.d. § 14c UStG („Mindestmerkmale“, vgl. BFH, Urt. v. 17.02.2011 – V R 39/09 – BStBl II 2011, 734 m. Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 27/2011 Anm. 6) hergestellt werden soll. Dies sollte durch die Verwendung der Formulierung, ein Dokument sei „jedenfalls dann eine Rechnung und (…) berichtigungsfähig“ durch den BFH gestützt werden, d.h. der BFH wollte offenbar gerade keine abschließende Definition einer berichtigungsfähigen Rechnung herbeiführen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BFH hat erfreulich schnell und erfreulich deutlich zu „Senatex“ entschieden, womit für viele Streitfälle die Möglichkeit der rückwirkenden Heilung von formellem Mängeln in Umsatzsteuerrechnungen eröffnet sein sollte. Damit werden in vielen Konstellationen die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO der Vergangenheit angehören. Positiv ist insbesondere die zeitliche Anknüpfung an die entsprechend bereits für die Nachholung von Belegnachweisen geltende Frist (mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht) festzuhalten, d.h. man hat damit die Chance, auch noch nach erfolgter Beanstandung in Betriebs- oder Sonderprüfungen Formmängel zu heilen, und ist nicht gezwungen, bereits vorher tätig zu werden.
Offen bleibt weiter, ob „Barlis06“ (EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-516/14 – MwStR 2016, 796) nicht insgesamt zu einer sehr viel großzügigeren Auslegung des Rechnungsbegriffs führen wird, doch ist dem BFH revisionsrechtlich zuzustimmen, dass diese Frage nicht geklärt werden musste. Ebenso offen ist, ob digitale Rechnungen ohne Signatur (Rechtslage vor dem 01.07.2011) rückwirkend berichtigungsfähig sind, doch ist kein vernünftiger Grund erkennbar, weshalb dieser Formmangel anders zu bewerten sein sollte. Wünschenswert wäre nun ein zeitnahes BMF-Schreiben, das möglichst auch die Zweifelsfragen abdecken sollte.