In einem Gerichtsverfahren fallen manchmal deutliche Worte, teilweise sogar in Schriftsätzen. Der Verfasser hatte einem gegnerischen Rechtsanwalt, den er auftragsgemäß auf Rückzahlung von Honoraren in nennenswert 5-stelliger Höhe verklagt hat, Betrug vorgeworfen. Anspruchsgrundlage neben anderen war auch diejenige aus sog. unerlaubter Handlung. Zwischenzeitlich wurde auch Anklage gegen diesen Rechtsanwalt eben wegen Betruges vor dem zuständigen Gericht erhoben. Gleichwohl beschwerte sich der beklagte Rechtsanwalt und warf dem Verfasser einen Verstoß gegen das sog. Sachlichkeitsgebot vor.

Hier ein Auszug aus dem Antwortschriftsatz:

„Selbstverständlich beachtet der Unterzeichner stets das sog. Sachlichkeitsgebot. Ebenso selbstverständlich ist es jedoch auch Ausfluss der Berufspflichten, das Verhalten des Beklagten XY als das zu bezeichnen, was es ist, nämlich als Betrug. Insoweit muss sich das der Beklagte XY auch gefallen lassen.

Nach § 43a Absatz 3 BRAO ist ein Verhalten unsachlich, bei dem es sich um herabsetzende Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben. Diese Regelung entspricht dem, was zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege unerlässlich ist und ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

vgl. BVerfGE 76, 171 [193] = NJW 1988, 191

Die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht zieht, sind weit und lassen auch scharfe Äußerungen im Rahmen der Auseinandersetzung und dem „Kampf um das Recht“ zu. Ein Verhalten, selbst wenn es einen Beleidigungstatbestand – wie vorliegend nicht – erfüllt, kann daher nur dann als Verletzung beruflicher Pflichten beanstandet werden, wenn es nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt ist.

BVerfG NJW 1988, 191

Im Rahmen der Prüfung der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist eine fallbezogene Abwägung zwischen den Grundrechten der Berufsfreiheit – gegebenenfalls unter Einbeziehung auch der Meinungsfreiheit – und den Rechtsgütern, deren Schutz die einschränkende Norm bezweckt, verfassungsrechtlich geboten.

vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], NJW 2000, 3413 [3415]

Für das Strafrecht wird eine solche Abwägung durch § 193 StGB ermöglicht, wonach Äußerungen, die zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, nur insofern strafbar sind, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Eine herabsetzende Äußerung nimmt dann den Charakter einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person, die gleichsam an den Pranger gestellt wird, bestehen.

Bei den beanstandeten Aussagen handelt es sich nicht um sog. Schmähkritik, bei der es keiner Abwägung der betroffenen Interessen bedarf. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.

BVerfG, GRUR 2013, 1266 Rn. 15 – Winkeladvokat

Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

BVerfG, GRUR 2013, 1266 Rn. 15 – Winkeladvokat

Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

BVerfG, BeckRS 2013, 54173 Rn. 21

Davon kann hier offenkundig keine Rede sein.

Selbst wenn man den Vorwurf betrügerischen Handelns, der sich im Übrigen ausschließlich auf den Beklagten XY bezog, als strafrechtlich bedeutsam ansieht, wäre dies eine Rechtsmeinung im außerstrafrechtlichen Bereich, die zunächst nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden zum Ausdruck bringt.

vgl. BVerfG, NJW 2009, 1872, 1874 Rn. 15″

Das war schon wesentlich mehr, als man dazu eigentlich sagen musste. Andererseits war es angezeigt, gerade dem beklagten Rechtsanwalt, der sich nach außen stets als berufsrechtlich einwandfreier Saubermann präsentierte, der keine Gelegenheit ausließ, Berufskollegen über ihre vermeintlichen Berufspflichten zu belehren,  einmal selbst zu belehren. Das Verfahren gegen den beklagten Rechtsanwalt dauert in zivil- und strafrechtlicher Hinsicht an.