Nachfolgend ein Beitrag vom 16.2.2018 von Spitz, jurisPR-ITR 3/2018 Anm. 3
Orientierungssatz zur Anmerkung
Der Inhalt privater Chats fällt unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und unterliegt einem Beweisverwertungsverbot.
A. Problemstellung
Erlangt ein Arbeitgeber Kenntnis von einer schwerwiegenden Verfehlung seines Arbeitnehmers, so berechtigt dies nicht immer zum Ausspruch einer Kündigung. Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, des Datenschutzes und Fragen eines Beweisverwertungsverbots können einer an sich materiell-rechtlich begründeten Kündigung im Wege stehen. Einen solchen Fall hatte das ArbG Mainz zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war bei der beklagten Stadt als Mitarbeiter des gemeindlichen Kontroll- und Vollzugsdienstes beschäftigt. Im Rahmen seiner beruflichen Aufgaben war er unter anderem an Abschiebungen beteiligt. Der Kläger war Teilnehmer einer aus sechs Personen bestehenden Chatgruppe mit dem Namen „Die Souveränen“. Die Chatmitglieder tauschten auf ihren privaten Smartphones per WhatsApp Nachrichten und aus dem Internet heruntergeladene Bilder aus. Am 31.07.2017 wurden der Beklagten anhand eines ihr übergebenen Chat-Protokolls des Instant-Messenger-Dienstes WhatsApp Informationen bekannt, welche den Vorwurf der Verwendung und Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes in Form von rechtsextremistischen Bildern zum Nachteil ausländischer Mitbürger und Mitbürgerinnen rechtfertigen. Im Rahmen dieses Gruppen-Chats wurden jedoch sowohl private als auch dienstliche Belange zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern geteilt. Die Beklagte kündigte daraufhin das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.
Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage war vor dem ArbG Mainz erfolgreich.
Das Arbeitsgericht stellt zunächst fest, dass zuzunsten der beklagten Stadt davon ausgegangen werden könne, dass die klägerische Teilnahme an dem streitgegenständlichen Chat einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellt und somit an sich geeignet ist, sogar die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Der Wirksamkeit der Kündigungen stehe jedoch die Vertraulichkeit des Chats entgegen. Das Arbeitsgericht beruft sich hierbei auf ein Urteil des BAG vom 10.12.2009 (2 AZR 534/08). Dieser Entscheidung lag ein Sechs-Augen-Gespräch von Mitarbeitern zugrunde, in der grobe Beleidigungen zulasten des Arbeitgebers getätigt worden waren. Der Arbeitgeber erfuhr davon und kündigte fristlos. Das BAG hielt die Kündigung für rechtswidrig, da die dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entspringende Vertraulichkeit des privat gesprochenen Wortes einer Verwertbarkeit des Gesprächsinhalts entgegenstehe (BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08). Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass diese Grundsätze auf die vorliegende WhatsApp-Kommunikation zu übertragen sind. Denn durch den geschlossenen Teilnehmerkreis des Chats durfte jeder der Teilnehmer davon ausgehen, dass Äußerungen nur von den fünf anderen gelesen werden. Dass die Äußerung gegenüber fünf und nicht nur – wie in dem Fall des BAG – gegenüber zwei Personen vorgenommen wurde, vermag nach Ansicht des Arbeitsgerichts qualitativ keinen Unterschied zu machen.
Die Chat-Kommunikation sei auch privat gewesen. Denn sie erfolgte ausschließlich auf den privaten Smartphones der Teilnehmer. Die Privatheit und damit Vertraulichkeit dieser Kommunikation würde auch nicht dadurch aufgehoben, dass vereinzelt dienstliche Belange wie etwa Krankmeldungen oder Diensteinteilungen erörtert wurden. Es komme nicht auf den Chatverlauf im Ganzen, sondern auf die jeweilige Äußerung an, denn sonst könnten sich Arbeitnehmer in einem Betrieb nie auf die Vertraulichkeit einer Äußerung berufen, weil der Arbeitgeber einwenden könnte, allein durch die Anwesenheit im Betrieb sei das Gespräch kein rein privates.
Mit der Rechtsprechung des BAG könne auch von einem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass angreifbare Bemerkungen über Vorgesetzte, sofern sie im Kollegenkreis erfolgten, in der sicheren Erwartung geäußert werden, sie würden nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen. Nichts anderes gelte für Äußerungen bzw. das Versenden von Bilddateien, die erkennbar nicht den Erwartungen entsprechen, die der Dienstherr an seine Mitarbeiter stellte.
C. Kontext der Entscheidung
Die vom ArbG Mainz vorgenommene Übertragung der Grundsätze der Vertraulichkeit des gesprächsweise gesprochenen Wortes auf den privaten Chat per Internet erscheint überzeugend. Denn beiden Fällen ist gemeinsam, dass – ähnlich wie auch bei einer privaten Kommunikation per Telefon oder Brief – die Teilnehmer davon ausgehen dürfen, dass ihre Äußerungen nicht entgegen ihrem Willen nach außen dringen und rechtlich ungewollte Konsequenzen nach sich ziehen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil ist bedeutsam für die Praxis. Denn bislang gab es – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung zur Frage der Beweisverwertbarkeit von privaten Chatinhalten.
Anmerkung: Es mag zwar sein, dass ein Beweisverwertungsverbot in arbeitsrechtlicher Hinsicht anzunehmen ist. In strafrechtlicher Hinsicht ist dies allerdings ausdrücklich nicht der Fall.
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