Nachfolgend ein Beitrag vom 6.4.2017 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 7/2017 Anm. 3

Leitsatz

Als wiederkehrende Leistung i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist die Nebenkostenzahlung nur dann anzusehen, wenn sie als Nebenkostenpauschale oder als Nebenkostenvorauszahlung zusammen mit der Miete zu den bestimmten Zinsterminen zu erbringen ist.

A. Problemstellung

§ 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB enthält die Voraussetzungen für eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Dabei kommt es auf ein Zusammenspiel zwischen Mietfälligkeiten und Mietrückstand an. Der zentrale Begriff ist in der Norm der der „Entrichtung der Miete“. Da der Mieter regelmäßig ganz unterschiedliche Beträge dem Vermieter schuldet, stellt sich die Frage, welche dieser verschiedenen Beträge hier zu berücksichtigen sind. Unproblematisch sind die monatlich zu zahlende Miete, die Betriebskostenpauschalen und -vorauszahlungen sowie Zuschläge wie Garagenmiete, Untermietzuschlag oder Zuschlag für die teilgewerbliche Nutzung.
Aufgrund der BGH-Entscheidung vom 20.07.2016 (VIII ZR 263/14) ist in der Praxis eine Unsicherheit dahingehend aufgekommen, ob auch Betriebskostennachzahlungen hier mit zu berücksichtigen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das ist nach Ansicht des LG Dessau-Roßlau nicht der Fall.
Im konkreten Fall war der Mieter im Zeitpunkt der Kündigung am 25.08.2015 mit folgenden Zahlungen im Rückstand:
– Vollstreckungsbescheid vom 03.12.2014: 1.147,38 Euro
– Heizkostenabrechnung (2014): 667,21 Euro
– Betriebskostenvorauszahlung (8 x 56,00 Euro): 448,00 Euro
Die Summe dieser Beträge überstieg den Betrag von zwei Monatsmieten i.S.v. § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB. Im Vollstreckungsbescheid waren Nachzahlungsbeträge aus alten Betriebskostenabrechnungen tituliert. Der Vermieter war der Auffassung, dass Rückstände aus Betriebskostennachzahlungen vom Begriff der „Miete“ umfasst seien (LG Berlin, Urt. v. 20.02.2015 – 63 S 202/14; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.11.1987 – 17 U 143/86).
Das Amtsgericht hatte die Klage, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, abgewiesen. Gegen die Abweisung richtete sich der Kläger mit seiner Berufung.
Das LG Dessau-Roßlau hat die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückgewiesen.
Der kündigungsrelevante Rückstand habe nur 448 Euro betragen, da die beiden anderen Positionen als Betriebskostennachzahlungen nicht das Tatbestandsmerkmal „Miete“ i.S.d. § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB erfüllten. Bei einer Monatsmiete von 254 Euro reichte dieser Rückstand nicht, da er über mehr als zwei aufeinanderfolgende Termine (nämlich 8) entstanden sei.
Das Landgericht schließe sich u.a. dem Rechtsentscheid des OLG Koblenz vom 26.07.1984 (4 W-RE 386/84) an, wonach Nachzahlungsbeträge nicht zur Miete i.S.d. Vorschrift gehören. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Unter „Miete“ fielen Nebenkosten, die der Mieter in Form von Geld oder geldwerten Leistungen übernommen habe. Dies gelte jedoch nicht für Betriebskostennachzahlungen. Die Nachzahlung aufgrund der Nebenkostenabrechnung habe nicht den Charakter einer periodisch zu erbringenden Mietrate. Entscheidend sei, dass die geschuldeten Nebenkosten erst nach der jährlichen Abrechnung betragsmäßig feststehen und überdies auch erst fällig werden, wenn dem Mieter eine ordnungsgemäße und nachprüfbare Abrechnung zugegangen und eine angemessene Prüfungsfrist und Überlegungsfrist verstrichen sei. Der Anspruch auf diese Zahlung stehe auch seiner Höhe nach nicht im Voraus fest und sei auch nicht zu genau bestimmten Terminen zu erfüllen. Damit fehle der aufgrund dieses Anspruchs zu erbringenden Zahlung der in § 543 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Charakter einer periodisch wiederkehrenden Leistung, wie sie die Zahlung der eigentlichen Miete darstelle. Das Landgericht will als wiederkehrende Leistung i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB deshalb nur die Nebenkostenpauschale oder die Nebenkostenvorauszahlung anerkennen.
Dafür spreche auch eine am Sinn und Zweck der Vorschrift des § 543 Abs. 2 BGB orientierte Auslegung. Die Vorschrift sei zwar eine besondere Vorschrift für den Zahlungsverzug des Mieters. Sie erfasse jedoch nicht alle Fälle des Zahlungsverzuges. Die Vorschrift verfolge den Zweck, den Vermieter davor zu schützen, dass er über einen längeren Zeitraum seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung nachkomme, aber nicht das Entgelt erhalte, das er im Voraus fest eingeplant habe und das er zur Erfüllung seiner eigenen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen dringend benötige. Der besondere Schutz, den § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gewähre, erstrecke sich deshalb nur auf die im Voraus vereinbarten festen Beträge, die zu den bestimmten Fälligkeitsterminen zu erbringen seien.
§ 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB nenne inhaltlich entweder „zwei aufeinander folgende Termine“ oder aber einen „Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt“. Diese Formulierung sei ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dem Vermieter nur dann eine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung geben wollte, wenn die „laufende“ Miete mit bestimmten Mindestbeträgen nicht gezahlt werde. Vorliegend gehe es aber um die Nichtzahlung eines Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung, d.h. also nicht einer laufenden Miete.
Wollte man die Nichtzahlung einer Betriebskostenabrechnung als Grundlage für eine fristlose Kündigung sehen, so könnte ein Vermieter relativ kurzfristig nach Zugang einer solchen Abrechnung – wenn der Nachzahlungsbetrag entsprechend hoch sei – bei fehlender Zahlung des Mieters sofort eine fristlose Kündigung aussprechen. Denn da die Betriebskostenabrechnung sofort fällig werde, würde nach der Gegenauffassung diese Forderung offenbleiben und dem Vermieter die Möglichkeit sofort offenstehen, fristlos zu kündigen.
Alle diese Schwierigkeiten, die mit der Fälligkeit eines Betriebskostensaldos zusammenhängen, zeigten, dass ein solcher offener Saldo jedenfalls nicht in das Gesamtgefüge der §§ 543 und 569 BGB passe. Weder mit dem Wortlaut („aufeinander folgende Termine“) noch mit dem Sinn und Zweck der §§ 543 und 569 BGB sei es vereinbar, den Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung als offene Miete i.S.v. § 543 BGB anzusehen. Eine analoge Anwendung scheitere daran, dass es sich um eine Sondervorschrift handele, die das Recht zur fristlosen Kündigung an besonders geregelte Tatbestände des Zahlungsverzuges knüpfe.
Möglich sei aber ggf. eine Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift greife als Auffangbestimmung namentlich auch dann ein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien durch mangelhafte Zahlungsmoral des Mieters zerstört sei (BGH, Urt. v. 26.03.1969 – VIII ZR 76/67). Der Vermieter habe es aber selbst in der Hand, sich durch die Vereinbarung angemessener Vorauszahlungen auf die Nebenkosten den Schutz auch des § 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu sichern. Dadurch werde zudem erreicht, dass der Vermieter die Nebenkosten nicht in größerem Umfange vorzufinanzieren brauche und der Mieter nicht plötzlich einen erheblichen Betrag neben dem laufenden Mietzins entrichten müsse.
Im Ergebnis hat das LG Dessau-Roßlau aber wegen der Besonderheiten des Falles kein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB gesehen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist brandaktuell, auch wenn das LG Dessau-Roßlau die aktuellen Bezüge nicht gesehen hat. Es dürfte bisher der absolut herrschenden Auffassung entsprochen haben, dass Betriebskostennachzahlungen nicht bei der Ermittlung des kündigungsrelevanten Rückstands zu berücksichtigen sind. Insofern ist der Rechtsentscheid des OLG Koblenz zum alten Recht immer noch maßgeblich (OLG Koblenz Beschl. v. 26.07.1984 – 4 W-RE 386/84), wonach Nachforderungen aus der jährlichen Nebenkostenabrechnung nicht Mietzins i.S.d. BGB § 554 (a.F.) sind.
Der VIII. Senat des BGH selbst hatte daran aber schon vorher Zweifel geäußert (BGH, Urt. v. 28.05.1975 – VIII ZR 70/74 – WPM 1975, 897). Es hieß in der Entscheidung: „Ob ein Rückstand mit Heiz- und Wasserkosten nicht die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung wegen Pachtzinsrückstandes erfüllt, kann zweifelhaft sein. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass zur Gewährung des Mietgebrauchs jedenfalls im modernen Wohnungsbau gehört, dass Wasser und insbesondere Wärme vom Vermieter zur Verfügung gestellt wird. Es spricht deshalb vieles dafür, das Entgelt hierfür, auch wenn es nur nach dem Prinzip der reinen Kostendeckung erhoben wird, als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung und damit als Teil der Miete anzusehen. Da es sich vor allem bei den Heizkosten häufig um erhebliche Beträge handeln kann, ist es auch rechtspolitisch nicht bedeutungslos, ob derartige Verbindlichkeiten des Mieters dem Mietzins zuzurechnen sind und damit unter die Kündigungsvorschrift des § 554 BGB fallen.“
Diese 42 Jahre alte Argumentation des VIII. Senats des BGH hat durch die Entscheidung des gleichen Senats des BGH vom 20.07.2016 (VIII ZR 263/14 – MietPrax-AK, § 551 BGB Nr. 18 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 17/2016 Anm. 4; Ludley, NZM 2016, 764; Beyer, jurisPR-MietR 22/2016 Anm. 3) wieder größere Bedeutung gewonnen. Im Rahmen des Verjährungsrechts hatte der BGH entschieden, dass Betriebskostennachforderungen aus Jahresabrechnungen des Vermieters wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 216 Abs. 3 BGB seien. Wiederkehrende Leistungen seien solche, die nach Gesetz oder Parteivereinbarung zu von vorneherein bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Terminen erbracht werden müssen. Ob die Leistung in der immer gleichen Summe erbracht werde, ist für die Beurteilung ohne Bedeutung; der zu zahlende Betrag könne schwanken oder auch zu manchen Terminen ganz ausbleiben (BGH, Urt. v. 23.09.1958 – I ZR 106/57 – BGHZ 28, 144, 150 f.; BGH, Urt. v. 06.04.1981 – II ZR 186/80 – BGHZ 80, 357 f.). Genau diese Voraussetzungen hat der VIII. Senat des BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 als gegeben angesehen, wobei er – ohne sich festzulegen – auf das Problem des § 543 BGB und die dazu vertretenen Auffassungen hingewiesen hat. Der BGH argumentierte im Rahmen des § 216 BGB aber weiter dahingehend, dass zu der periodisch zu leistenden Miete nicht nur die Grundmiete, sondern auch die Vorauszahlungen auf die für das jeweilige Jahr zu erwartenden Betriebskosten zählen. Diesen Charakter als wiederkehrende Leistung verlören Betriebskostenzahlungen des Mieters indes nicht dadurch, dass sie als Saldo einer Betriebskostenjahresabrechnung verlangt werden, zumal auch die sich daraus ergebenden Zahlungen regelmäßig wiederkehrend zu erbringen seien, da der Vermieter über die Betriebskosten jährlich abzurechnen habe, § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Auf der anderen Seite hatte der gleiche Senat des BGH mit Beschluss vom 14.06.2016 (VIII ZR 291/15) wenige Wochen vorher im Rahmen der Feststellung der Beschwer bei einer Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass selbst die Betriebskostenvorauszahlungen nicht zum Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gehören. „Deren Vereinbarung regelt vielmehr lediglich die Zahlungsweise für außerhalb des geschuldeten Entgelts anfallende zusätzliche, ganz überwiegend vom jeweiligen Verbrauch abhängige Leistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden.“ Der XII. Senat des BGH hat aber auch schon einmal die Bruttomiete bei der Ermittlung der Beschwer in Ansatz gebracht (BGH, Beschl. v. 26.04.2006 – XII ZR 154/05 – MietPrax-AK § 8 ZPO Nr. 8).
Die gegenteilige Auffassung widerspricht auch der Auffassung beider Mietsenate des BGH (BGH, Urt. v. 06.04.2005 – XII ZR 225/03 – NZM 2005, 455; BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 347/04 – NZM 2005, 699), wonach die Minderung aus der Bruttomiete zu berechnen ist, weil die Betriebskostenvorauszahlungen zum Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gehörten. Bei der Frage, wie die Minderung bei der Betriebskostenabrechnung zur berücksichtigen ist, hat der BGH sogar von einem „Scheinproblem“ gesprochen (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 223/10 – NJW 2011, 1806 = MietPrax-AK, § 556 Nr. 73 m. Anm. Eisenschmid; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 11/2011 Anm. 3; Wall, jurisPR-MietR 13/2011 Anm. 1; Feuerlein, WuM 2011, 401; Doerfer, ZMR 2011, 704; Thoms, ZMR 2012, 7). Unterschiedliche Abrechnungsweisen müssten immer zum gleichen Ergebnis führen. In der Entscheidung hat der BGH die Gesamtjahresmiete als Jahresbetrag der Nettomiete zuzüglich der abgerechneten Betriebskosten abzüglich des in dem betreffenden Jahr insgesamt gerechtfertigten Minderungsbetrages definiert.
Es geht also in jüngster Zeit einiges durcheinander beim BGH hinsichtlich des Verständnisses, was denn nun das Entgelt ist, das der Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu zahlen hat. Mag es bei Minderung und Beschwer noch angehen, hier aus welchen Gründen auch immer zu differenzieren, so sind die Konsequenzen bei der Kündigung doch erheblich. Dem erkennenden Landgericht ist dabei zuzubilligen, dass es die Probleme einer Berücksichtigung von Nachzahlungsbeträgen klar benannt hat. Die Feststellung eines Rückstandes ist bei § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB nur die eine Seite der Medaille. Die Vorschrift enthält eben auch eine Zeitkomponente. Und da liegt das Problem bei den Betriebskostennachzahlungen. Auch wenn es „wiederkehrende Leistungen“ sind, die zudem ein Teil des Entgelts für die Gebrauchsüberlassung darstellen, sind diese Nachzahlungen nicht zu „bestimmten Terminen“ fällig.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Diskussion dürfte gerade erst begonnen haben. Der VIII. Senat des BGH hat, wenn die zugelassene Revision hoffentlich eingelegt wurde, Gelegenheit die Unklarheiten, die er selbst verursacht hat, aufzuklären. Bis dahin ist noch mit einigen divergierenden Entscheidungen zu rechnen. Eine andere Frage ist, ob der Vermieter nicht ggf. wegen der titulierten Rückstände kündigen kann (BGH, Urt. v. 13.04.2016 – VIII ZR 39/15).