Nachfolgend ein Beitrag vom 29.6.2017 von Mummenhoff, jurisPR-MietR 13/2017 Anm. 4

Leitsatz

Im Falle der Mieterhöhung bestimmt sich der kündigungsrelevante Betrag der Miete i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB nicht nach dem Betrag, der jeweils zu dem Zeitpunkt geschuldet war, in dem Zahlungsverzug eingetreten ist, sondern einheitlich nach dem Betrag, der zu dem Zeitpunkt geschuldet war, in dem das Kündigungsrecht entstanden wäre.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Summe aus zwei Monatsmieten i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB ist das Doppelte der vertraglich vereinbarten Miete im Zeitpunkt der Kündigung.

A. Problemstellung

Das AG Lübeck hat sich mit der Frage befasst, welcher Betrag von zwei Monatsmieten i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB zu berücksichtigen ist: Die Summe von zwei Monatsmieten im Zeitpunkt der Kündigung oder die Summe aus zwei Monatsmieten, in denen der Rückstand bestand.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach übereinstimmender Erledigterklärung hatte das AG Lübeck in seinem Beschluss nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Die Klägerin, Vermieterin der Beklagten von Wohnraum, begehrte die Räumung der streitgegenständlichen Wohnung. Die Bruttomiete betrug bis Juni 2016 monatlich 449,90 Euro und erhöhte sich ab Juli 2016 um 3,14 Euro auf monatlich 453,04 Euro. Die Beklagten zahlten die Miete für Juni 2016 (449,90 Euro) und August 2016 (453,04 Euro) nicht. Wegen des Mietrückstands von 902,94 Euro kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und erhob Räumungsklage. Nach Rechtshängigkeit beglichen die Beklagten den Mietrückstand.
Nach § 91a ZPO hatte das AG Lübeck noch über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Das AG Lübeck hat der Klägerin die Kosten auferlegt.
Die Klage sei von Anfang an unbegründet gewesen. Die Klägerin habe die Räumung nicht fordern können, da ein die Kündigung rechtfertigender Rückstand nicht bestanden habe. Maßgeblicher Betrag nach § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB sei nicht die Summe aus zwei Monatsmieten, in denen Verzug eingetreten ist, sondern das Doppelte der ungeminderten Monatsmiete, die zum Zeitpunkt der Kündigung geschuldet sei. Da zu diesem Zeitpunkt eine Miete von 453,04 Euro geschuldet war, sei der Kündigungsbetrag von 906,08 Euro (= 2 x 453,04 Euro) durch den tatsächlichen Mietrückstand (= 449,90 Euro + 453,04 Euro = 902,94 Euro) nicht erreicht.
Nach Ansicht des AG Lübeck ergibt sich diese Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, welcher auf zwei unbestimmte Monate Bezug nimmt („für zwei Monate“) und eben nicht auf Monate, in denen der Rückstand entstanden ist. Auch entspreche eine derartige Auslegung dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Gesetz dem Fall der Mietrückstand würde sich aus mehreren kleineren Mietrückständen ergeben, welche sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, in dem eine unterschiedliche Miethöhe geschuldet war, so wäre – die Rechtsansicht der Klägerin zugrunde gelegt – nicht klar, welcher Kündigungsbetrag letztendlich maßgeblich sei. Zur Rechtsklarheit sei daher auf die geschuldete Miete im Zeitpunkt der Kündigung abzustellen. Dies entspreche zudem dem allgemeinen Grundsatz des Kündigungsrechts, wonach das Recht zur Kündigung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 543 BGB gegeben seien; so müsse dann auch auf die zu diesem Zeitpunkt geschuldete Miete abzustellen sein.
Zwar wurde hier die Miete zum Juli 2016 erhöht, doch teilte das AG Lübeck die Ansicht der Klägerin nicht, welche einen Vergleich zu § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zieht und meint, dass es nach dieser Norm für den Kündigungsbetrag auf die ursprünglich geschuldete Miete ankäme. Denn nach Ansicht des AG Lübeck ist für den Kündigungsbetrag der nach der Mieterhöhung geschuldete Betrag maßgeblich. Überdies sei die Norm wegen unterschiedlicher Interessenlage nicht auf § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB übertragbar. § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB diene dem Mieterschutz. Doch nach der klägerischen Rechtsansicht wäre eine Übertragung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf den hiesigen Fall für den Mieter schädlich, da ein geringerer Betrag für die Kündigung ausreichen würde.

C. Kontext der Entscheidung

Das AG Lübeck schließt sich damit der Entscheidung des LG Osnabrück an, welches bereits 1988 die Rechtsansicht vertrat, dass sich aus Gründen der Rechtssicherheit die Höhe des Mietzinses für zwei Monate nach der Höhe der geschuldeten Miete im Kündigungszeitpunkt zu berechnen habe (so LG Osnabrück, Urt. v. 13.05.1988 – 11 S 102/88 Leitsatz 1). Die Höhe der maßgeblichen Miete bestimmt sich mithin nach dem zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungserklärung geschuldeten Betrag (so auch Mössner in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 569 BGB Rn. 147 m.w.N.). Diese Berechnungsgrundlage wird in der Rechtsprechung auch so gelebt – ohne dies näher zu begründen (vgl. LG Bonn, Urt. v. 12.11.2015 – 6 S 79/15 Rn. 61; LG Magdeburg, Urt. v. 12.02.2013 – 11 O 895/12 Rn. 29).
Soweit das AG Lübeck die Rechtsauffassung der Klägerin, die einen Vergleich zu § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB zieht und meint, die ursprüngliche Miete sei maßgebend, nicht teilt, steht dies im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Norm. § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist eine Ausnahmeregelung, die zugunsten des Mieters eine „Kündigungssperrfrist“ für den Fall vorsieht, in welchem der Mieter aus legitimen Gründen eine Rechtsverteidigung gegen die Verurteilung zur Zahlung einer erhöhten Miete vornimmt und dabei mit dem Risiko behaftet ist, bei Prozessverlust, infolge der bis dahin angelaufenen Mietrückstände, seine Wohnung einbüßen zu müssen (vgl. Mössner in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 569 BGB Rn. 209). Zwar soll gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 3 HS. 2 BGB dem Vermieter in dieser „Kündigungssperrfrist“ nicht die Möglichkeit genommen werden, dem Mieter ohne Berücksichtigung der Mieterhöhung – also wegen der bisher geschuldeten Miete – zu kündigen, doch ist diese Regelung einzig Ausdruck dafür, dass die zweimonatige „Kündigungssperrfrist“ nur gilt, soweit der Zahlungsverzug auf der Mieterhöhung beruht.
Die Ausnahmeregelung, wonach die ursprüngliche Miete für den Kündigungsbetrag maßgebend ist, gilt jedoch nur für diese spezifische Fallkonstruktion und ist nicht auf Fälle des § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB übertragbar. Ansonsten würde – wie das AG Lübeck zutreffend feststellte – der Schutzweck des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB genau in das Gegenteil verkehrt werden, wenn nun ein geringerer Betrag zum Kündigungsausspruch berechtigten könnte.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das AG Lübeck hat mit seiner Begründung eine nachvollziehbare – wenn auch für die betroffene Klägerin nicht unbedingt eine befriedigende – Entscheidung getroffen. In Fällen einer fristlosen Kündigung wird man wohl Vermietern anraten müssen, abzuwarten, bis der Rückstand einer weiteren (dritten) Miete eingetreten ist.