Nachfolgend ein Beitrag vom 16.1.2018 von Adamus, jurisPR-FamR 1/2018 Anm. 7

Leitsätze

1. Ein Beschwerdeverfahren nach Erteilung eines Erbscheins kann nicht mit der Zielsetzung der Einziehung dieses Erbscheins angestrengt werden, wenn der Beschluss, der die Erteilung des Erbscheins bewilligt hat, bereits in formelle Rechtskraft erwachsen ist.
2. Die Einziehung des Erbscheins stellt insofern einen neuen Verfahrensgegenstand dar, über den zunächst das Nachlassgericht zu entscheiden hat. Funktionell zuständig für die Entscheidung über die Einziehung des Erbscheins ist dann nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter (im Anschluss an OLG München, Beschl. v. 13.09.2016 – 31 Wx 99/16).

A. Problemstellung

Gibt es eine Beschwerdefrist im nichtstreitigen Erbscheinsverfahren und wann beginnt diese zu laufen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beteiligten zu 1 ist der Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist, erteilt worden. Der Beschwerdeführer hatte vor Erteilung des Erbscheins Gelegenheit zur Stellungname erhalten, aber keine Einwände erhoben. Über die Erteilung des Erbscheins erhielt der Beschwerdeführer keine Nachricht. Mit Schreiben vom 03.03.2017 legte er gegen den Feststellungsbeschluss vom 10.06.2015 Beschwerde ein und beantragte die Einziehung des Erbscheins. Der Rechtspfleger hatte der Beschwerde nicht abgeholfen und legte diese dem Oberlandesgericht vor.
Die Beschwerde ist nach Ansicht des OLG München verfristet. Der Beschluss des Nachlassgerichts bedurfte im nicht streitigen Erbscheinverfahren nach § 352 Abs. 1 Satz 3 FamFG a.F. (= § 352e Abs. 1 Satz 4 FamFG n.F.) keiner Bekanntgabe an den Beschwerdeführer. Das Unterlassen der Bekanntgabe des Bewilligungsbeschlusses setze dennoch die Beschwerdefrist i.S.d. § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG in Lauf. Maßgeblich für den Lauf der Frist (Fristbeginn mit Ablauf von fünf Monaten nach Beschlusserlass) sei hier lediglich der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des wirksam erlassenen Beschlusses an den bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, sei ohne Belang. Demgemäß habe die einmonatige Rechtsmittelfrist i.S.d. § 63 Abs. 1 FamFG für den Beschwerdeführer fünf Monate nach wirksamem Erlass des Beschlusses begonnen. Dieser erfolgte gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG mit Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle spätestens am 11.06.2015. Demgemäß sei die von dem Beschwerdeführer bei dem Nachlassgericht am 03.03.2017 eingegangene Beschwerde verfristet. Der Beschluss sei nach Ablauf der Beschwerdefrist formell rechtskräftig geworden. Im Übrigen wäre die Beschwerde gegen den Bewilligungsbeschluss verfahrensrechtlich überholt. Das verfolgte Rechtsschutzziel (Verhinderung der Erteilung des beantragten Erbscheins) könne nicht mehr erreicht werden, da dieser bereits erteilt wurde. Auch § 352e Abs. 3 FamFG (= § 353 Abs. 2 FamFG a.F.) sei vorliegend nicht einschlägig, wonach die Beschwerde nur noch zulässig ist, wenn die Einziehung des Erbscheins beantragt wird. Diese Vorschrift gelte nur, wenn die Beschwerde noch vor Ablauf der Beschwerdefrist i.S.d. § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt wurde. Ein anderes Verständnis der Vorschrift des § 352e Abs. 3 FamFG hätte ansonsten zur Folge, dass eine Beschwerde jederzeit auch nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt werden könnte, was zu einem Unterlaufen der formellen Rechtskraft des Feststellungsbeschlusses führen würde.
Das Einziehungsverfahren stelle daher einen neuen Verfahrensgegenstand dar, über den zunächst das Nachlassgericht zu entscheiden habe. Diese Endentscheidung i.S.d. § 38 Abs. 1 FamFG sei dann anfechtbar. Demgemäß sei vorliegend für eine Abhilfeentscheidung mangels Erlasses einer Endentscheidung kein Raum. Der Vorlagebeschluss des Nachlassgerichts sei deshalb aufzuheben gewesen. Über den Antrag auf Einziehung habe der Richter zu entscheiden, da die „Einziehung des Erbscheins“ gemäß den §§ 16 Abs. 1 Nr. 7, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a Abs. 2 VO zur Änderung der VO zur Aufhebung von Richtervorbehalten streitiges Verfahren sei.

C. Kontext der Entscheidung

Der Beschluss des OLG München ist die erste veröffentlichte Entscheidung zu dem Thema der Beschwerdefrist gegen einen Feststellungsbeschluss im nicht streitigen Erbscheinverfahren gemäß § 352e Abs. 1 FamFG. Der Erteilung des Erbscheins im nichtstreitigen Erbscheinverfahren hat ein Feststellungbeschluss voranzugehen. Der Beschluss wird, anders als im streitigen Verfahren nach § 352e Abs. 2 FamFG, bereits mit Erlass wirksam, so dass Beschlussfassung und Erteilung des Erbscheins zeitnah erfolgen. Der Beschluss ist ein reines Internum und verbleibt in der Akte. Eine Zustellung an Beteiligte ist nicht vorgesehen. Sind Verfahrensbeteiligte vorhanden, erhalten diese regelmäßig nur eine Mitteilung darüber, dass der Erbschein erteilt wurde. Im streitigen Verfahren erfolgt hingegen die Zustellung des Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten, womit die Beschwerdefrist in Gang gesetzt wird.
Da auch der Feststellungsbeschluss im nicht streitigen Verfahren eine Endentscheidung darstellt, ist dieser aber ebenso mit der Beschwerde (§§ 58, 63 FamFG) anfechtbar. Da der Beschluss nicht zugestellt wird, stellt sich die Frage, ob und wann die Beschwerdefrist zu laufen beginnt. Der Gesetzgeber hat sich hierzu nicht geäußert (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 280, 281). Zu § 352 Abs. 3 FamFG a.F wird hier nur ausgeführt, dass nach der Bekanntgabe des Erbscheins gegen den Beschluss nach Abs. 1 nur noch eine Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins möglich ist. Im Übrigen bleiben die geltenden Grundsätze für eine derartige Beschwerde unverändert. Geschlussfolgert kann hieraus werden, dass auch der Feststellungbeschluss im nichtstreitigen Verfahren in formelle Rechtskraft erwächst und dann für die Beteiligten des Verfahrens nicht mehr anfechtbar ist. Das Oberlandesgericht meint zu Recht, dass eine Beschwerdefrist laufen muss. Teilweise wird die Meinung vertreten, wonach keine Rechtsmittelfrist existiert. Danach müsste Beschwerden mit dem Argument des Rechtsmissbrauch begegnet werden, wenn der Beschluss formell rechtskräftig werden soll (vgl. Mayer: in MünchKomm FamFG a.F, 2. Aufl. 2013, § 352 Rn. 44-46 m.w.N.). Das Oberlandesgericht weist darauf hin, dass die unbefristete (einfache) Beschwerde nach dem Willen des Gesetzgebers mit Inkrafttreten des FamFG abgeschafft werden sollte (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 2 und S. 205). Praktikabel und im Sinne des Gesetzgebers ist deshalb die vom Oberlandesgericht vorgeschlagene entsprechende Anwendung des § 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG. Die Rechtsmittelfrist beginnt nach Meinung des Oberlandesgerichts mit dem Erlass des Beschlusses, also mit der Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle. Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist auch nach dem BGH der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses an einen bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, ist ohne Belang. (so BGH, Beschl. v. 11.03.2015 – XII ZB 571/13 Rn. 26 f. – FamRZ 2015, 839). Ist die Beschwerde, die nach Erteilung des Erbscheins nur noch zulässig ist, wenn die Einziehung des Erbscheins beantragt wird (§ 352e Abs. 3 FamFG), verfristet und damit unzulässig, bleibt den Beteiligten der Antrag auf Einziehung des „unrichtigen“ Erbscheins erhalten. Der Unterschied besteht darin, dass der streitige Antrag erneut vom Nachlassgericht – im streitigen Verfahren vom Richter – beschieden werden muss und eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erst nach einer Nichtabhilfeentscheidung erfolgen kann. Der Unterschied besteht also im wesentlichen in zeitlicher Hinsicht darin, dass die Beschwerde gegen den Feststellungsbeschluss nur der Nichtabhilfe bedarf, um zum Beschwerdegericht zu gelangen (hierzu Zimmermann in: Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 352e Rn. 113).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Entscheidung sollte gefolgt werden. Das Gesetz enthält aufgrund der fehlenden Bekanntgabe des Beschlusses im nichtstreitigen Erbscheinsverfahren keinen hinreichenden Anhalt für den Beginn und Lauf der Beschwerdefrist. Auch wenn Beschwerden in diesen Verfahren selten erhoben werden, ist einheitliche Verfahrensweise notwendig um Rechtssicherheit zu schaffen. Der Rückgriff auf § 63 FamFG ist geboten. Die entsprechende Anwendung des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG auf die (bewusst) unterlassene Bekanntgabe des Feststellungsbeschlusses entspricht der Rechtsprechung des BGH. Für den Fristbeginn sollte, wenn keine Benachrichtigung der Beteiligten erfolgt ist, auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses abgestellt werden.

Beschwerde im nichtstreitigen Erbscheinsverfahren
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
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