Nachfolgend ein Beitrag vom 19.12.2018 von Bertlings, jurisPR-StrafR 25/2018 Anm. 5

Orientierungssatz

Die Bezeichnung von Polizeibeamten als „Bullen“ stellt sich lediglich als ein umgangssprachliches Synonym für „Polizeibeamter“ dar und beinhaltet nicht in jedem Fall eine Herabsetzung.

A. Problemstellung

Der Beschluss des AG Bremen befasst sich mit der Frage, ob die Bezeichnung eines Polizisten als „Bullen“ einen ehrverletzenden Charakter hat und mithin eine Beleidigung nach § 185 StGB darstellt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten wurde abgelehnt. Die angefallenen Kosten wurden der Staatskasse auferlegt.
Als Gründe führte das AG Bremen an, dass kein hinreichender Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 StPO in Bezug auf eine Beleidigung nach § 185 StGB bestünde. Die Bezeichnung eines Polizisten als „Bulle“ stelle ein umgangssprachliches Synonym für den Begriff „Polizeibeamter“ dar (so auch schon: LG Regensburg, Urt. v. 06.10.2005 – 3 Ns 134 Js 97458/04; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 185 Rn. 10 a.E.; anders noch: LG Essen, Beschl. v. 17.04.1980 – 23 Qs 151/79). Eine Herabwürdigung sei mit der Benutzung dieses Begriffes nicht notwendigerweise verbunden. Dies werde vor allem durch die umgangssprachliche Nutzung in den Medien deutlich.

C. Kontext der Entscheidung

Das AG Bremen nimmt in seinem Beschluss zu der Frage Stellung, ob der Begriff „Bulle“, wenn dieser gegenüber einem Polizeibeamten geäußert wird, einen ehrverletzenden Inhalt aufweist und damit eine Beleidigung nach § 185 StGB darstellt. Schutzgut des § 185 StGB ist die Ehre (Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, Vor § 185 Rn. 1). Die Rechtsprechung vertritt den sog. normativ-faktischen Ehrbegriff (Valerius in: BeckOK StGB, 39. Edition, Stand: 01.08.2018, § 185 Rn. 2). Danach sind sowohl die innere Ehre, das heißt, der dem Menschen als Träger geistiger und sittlicher Werte zukommende Achtungsanspruch als auch die darauf gründende äußere Ehre, also das Ansehen und der gute Ruf einer Person in der Gesellschaft (grdl. BGH, Beschl. v. 18.11.1957 – GSSt 2/57) geschützt. Vorliegend kommt durch die gewählte Bezeichnung sowohl eine Verletzung des persönlichen Ehrgefühls als auch des öffentlichen Ansehens des Polizeibeamten in Betracht.
Erstmalig äußerte sich das LG Essen zu dieser Frage und entschied, dass der Betitelung eines Polizeibeamten als „Bulle“ ein ehrverletzender Inhalt zukomme (LG Essen, Beschl. v. 17.04.1980 – 23 Qs 151/79). Nach Auffassung des LG Essen sei diese Bezeichnung auch in seiner umgangssprachlichen Benutzung immer abwertend und ehrkränkend. Der Begriff unterstelle, dass Polizisten leicht reizbar und angriffslustig seien und zu unüberlegter, brutaler Gewalt neigten (LG Essen, Beschl. v. 17.04.1980 – 23 Qs 151/79).
Allerdings ist sowohl in der Rechtsprechung, als auch in der Literatur ein Wandel der Bedeutung des Begriffs festzustellen. Mittlerweile benutzt ein großer Teil der Bevölkerung diesen als ein Synonym für Polizeibeamte. Dieser gesellschaftliche Wandel ist auch in der neueren Rechtsprechung wiederzufinden. Bereits im Jahr 2005 entschied das LG Regensburg, dass sich der Begriff von seiner ursprünglich negativen Bedeutung gelöst habe und diesem nicht zwingend eine Herabwürdigung innewohne (LG Regensburg, Urt. v. 06.10.2005 – 3 Ns 134 Js 97458/04). Dieser Ansicht folgt nun auch das AG Bremen. Nach seiner Auffassung sei der Begriff „Bulle“ früher zwar als Schimpfwort gebraucht worden, mittlerweile sei dieser aber umgangssprachlich anerkannt, sodass diese Bezeichnung ohne Hintergedanken als Synonym für Polizisten genutzt werde. Auch in den Medien sei diese Bezeichnung geläufig, was die Namen der Fernsehserien „Der Bulle von Tölz“ und „Der letzte Bulle“ zeigten.
Folglich bestätigt der Beschluss des AG Bremen das Urteil des LG Regensburg. Dadurch wird nun eine Rechtsprechungspraxis etabliert, die gegenläufig zu der Entscheidung des LG Essen aus dem Jahr 1980 verläuft.
Gleichwohl wird die Frage kaum abschließend gelöst werden können, da immer eine konkrete Einzelfallbetrachtung erfolgen muss. Darüber hinaus ist, insbesondere vor dem Hintergrund des stetig abnehmenden Respekts gegenüber Polizeibeamten in der Gesellschaft, eine nicht zu liberale Handhabung solcher Fälle geboten.
D.
Auswirkungen für die Praxis
Der Beschluss des AG Bremen macht deutlich, dass allein die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Bulle“ nicht ausreicht, um eine Strafbarkeit aus § 185 StGB zu begründen. Daraus folgt, dass im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein besonderes Augenmerk auf die Begleitumstände der Tat zu legen ist (so auch: Schulz-Merkel, jurisPR-StrafR 6/2016 Anm. 5). Es muss positiv festgestellt werden, dass dem Begriff ein ehrverletzender Inhalt zuzuschreiben ist.

Beleidigung durch die Bezeichnung von Polizeibeamten als „Bullen“
Andrea KahleRechtsanwältin

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