Nachfolgend ein Beitrag vom 08.08.2016 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 32/2016 Anm. 4

Leitsätze

1. Gemäß § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO kann zur Begründung der Revision auch auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden, wenn die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung genügen.
2. Es genügt den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 lit. a FGO nicht, eine Verletzung materiellen Bundesrechts ausschließlich mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts zu begründen, es sei denn, es werden Umstände bezeichnet, aus denen sich schlüssig ergibt, dass die vom Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen mit den Denkgesetzen oder mit allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind.

A. Problemstellung

Zu entscheiden war, wann der Verweis auf die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen an die Begründung einer Revision genügt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin streitet mit dem beklagten Finanzamt im vorliegenden Revisionsverfahren für die Streitjahre 2008 und 2009 um die Anerkennung diverser Aufwendungen als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit. Einspruchs- und Klageverfahren blieben erfolglos. Der Senat hat die Revision auf die von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde für beide Streitjahre zugelassen. Zur Begründung der Revision nahm die Klägerin Bezug auf einen Schriftsatz vom 09.09.2013, der zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde diente. Der Senat hat die Revision als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte er aus:
I. Die Revision ist für beide Streitjahre innerhalb der gesetzlichen Frist nicht in der gebotenen Weise begründet worden (§§ 120 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 lit. a, 124 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Die in Bezug genommene Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde genügte nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung. In dem zur Begründung der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz vom 09.09.2013 hat sich die Klägerin lediglich damit auseinandergesetzt, dass das Finanzgericht Reisekosten und andere Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Englandreise im Streitjahr 2009 nicht anerkannt habe.
Auf den zweiten, fristgerecht im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.09.2013 hat sich die Klägerin zur Begründung der Revision hingegen nicht gestützt. In diesem Schriftsatz war für beide Streitjahre geltend gemacht worden, dass die Frage, ob die Klägerin Mietaufwendungen für einen durch Raumteiler abgetrennten Arbeitsbereich in ihrem Appartement als Betriebsausgaben abziehen könne, grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO habe. Im Hinblick auf diese Rüge hatte der Senat die Revision für beide Streitjahre unter ausdrücklicher Bezugnahme in den Gründen des Zulassungsbeschlusses auf die damals zu dieser Frage beim BFH anhängigen Verfahren GrS 1/14 und X R 32/11 zugelassen. Auf diesen zweiten Schriftsatz hat die Klägerin zur Begründung der Revision aber nicht Bezug genommen. Für das Streitjahr 2008 wurde damit innerhalb der Frist zur Begründung der Revision nicht dargelegt, worin die Rechtsverletzung der Klägerin durch das angefochtene Urteil liegen soll.
Für das Streitjahr 2009 ist die Revision ebenfalls unzulässig. Zwar liegt insofern eine fristgerechte Bezugnahme auf den Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor. Die im Schriftsatz vom 09.09.2013 enthaltene Rüge der Fehlerhaftigkeit der Tatsachenfeststellung des Finanzgerichts genügt nicht den inhaltlichen Anforderungen an die zulässige Rüge einer Rechtsverletzung. Hier hat die Klägerin ausgeführt, das Finanzgericht habe den Zweck der Reise nach England nicht zutreffend festgestellt. Es habe verkannt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit habe Marktforschung und Kontaktpflege betreiben wollen und die Reise damit betrieblich veranlasst gewesen sei. Das Finanzgericht habe aufgrund des Nebenzwecks der Reise, dass die Klägerin in London eine englische Limited gegründet habe, rechtsfehlerhaft eine betriebliche Veranlassung der Reisekosten insgesamt verneint.
Die Rüge einer fehlerhaften Tatsachen- und Beweiswürdigung des Finanzgerichts ist zwar dem materiellen Recht zuzuordnen. Es genügt aber den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 lit. a FGO nicht, eine Verletzung materiellen Bundesrechts ausschließlich mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts zu begründen, es sei denn, es werden Umstände bezeichnet, aus denen sich schlüssig ergibt, dass die vom Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen mit den Denkgesetzen oder mit allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind (st. Rspr., vgl. z.B. BFH, Beschl. v. 20.06.2011 – VII R 10/11 – BFH/NV 2011, 2074, m.w.N.; BFH, Beschl. v. 28.07.2015 – VI R 1/15 – BFH/NV 2015, 1591). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, dass und warum das Finanzgericht die ihm gezogenen Grenzen bei der Würdigung des Sachverhalts in diesem Sinne überschritten habe, dass sie mit Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sei, sich in Widersprüche verwickle oder nach den festgestellten Tatsachen das Ergebnis einer nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerung des Finanzgerichts sei.
Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 02.03.2016, die Entscheidung des Großen Senats des BFH im Beschluss vom 27.07.2015 (GrS 1/14 – BStBl II 2016, 265) stehe dem Abzug der Aufwendungen für die Arbeitsecke als Betriebsausgabe in beiden Streitjahren nicht entgegen, kann nicht mehr berücksichtigt werden. Nach Ablauf der Begründungsfrist ist nur noch die Ergänzung einer innerhalb dieser Frist an sich schon ausreichend begründeten Revision möglich (BFH, Beschl. v. 11.10.2013 – III R 69/11 – BFH/NV 2014, 67 Rn. 21).

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 FGO ist die Revision im hier vorliegenden Fall der Zulassung gemäß § 116 Abs. 7 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründung muss u.a. gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 lit. a FGO die Angabe der Revisionsgründe, und zwar die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil ergibt. Gemäß § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der gemäß § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Revisionsverfahren gilt, kann zur Begründung der Revision auch auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden, wenn die Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung genügt (BFH, Urt. v. 19.02.2009 – II R 61/07 – BFH/NV 2009, 1586, m.w.N.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Bezugnahme auf die Begründung der vorangegangenen Nichtzulassungsbeschwerde entbindet nicht von der Wahrung der inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung.