Nachfolgend ein Beitrag vom 20.6.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 12/2017 Anm. 7
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Die Aufhebung der Nachlassverwaltung kann gemäß § 48 Abs. 1 FamFG auf Antrag erfolgen, wenn sich die der Anordnung zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat. Auch ein Erbe, der nicht Antragsteller des Ausgangsverfahrens war, ist antragsberechtigt.
2. Der Nachlassverwalter führt sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich. Reine Zweckmäßigkeitsfragen sind der rechtlichen Weisung durch gerichtliche Anordnung entzogen.
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Erbe die Aufhebung der Nachlassverwaltung erreichen? Kann der Erbe den Nachlassverwalter mit Hilfe des Gerichts anweisen lassen, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Erblasser hatte ein handschriftliches Testament hinterlassen, dessen Gültigkeit von der Beschwerdeführerin (Beteiligte zu 2) auch im Rahmen des Erbscheinsverfahrens bestritten wird. Das Testament sieht u.a. ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 5), der ein Hausgrundstück erhalten soll, vor. Erben sind die Beteiligten zu 2), 3), 4). Zum Nachlassverwalter wurde der Beteiligte zu 1), auf Antrag des Beteiligten zu 5) als Nachlassgläubiger bestellt. Der Beteiligte zu 1) hat die zur Umsetzung der testamentarischen Verfügungen notwendigen notariellen Verträge mit den Beteiligten geschlossen, die nunmehr dem Amtsgericht zur Genehmigung (§ 1821 BGB) vorliegen. Die Genehmigung des Grundstücksgeschäfts mit dem Beteiligten zu 5) wird seitens des Amtsgerichts davon abhängig gemacht, dass die Gültigkeit des handschriftlichen Testaments im Erbscheinsverfahren geklärt ist.
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Nachlassgericht die Aufhebung der Nachlassverwaltung (1) und den Erlass einer einstweiligen Anordnung (2), mit der dem Nachlassverwalter die Verfügung über die Nachlassgegenstände bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erbscheinsverfahrens untersagt werden sollte. Die Anträge wurden zurückgewiesen.
Das OLG Celle hat die beiden Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Nachlassverwaltung seien nicht gegeben. Der die Nachlassverwaltung anordnende Beschluss des Amtsgerichts sei formell rechtskräftig geworden (OLG Köln, Beschl. v. 03.11.2014 – 2 Wx 315/14 – FamRZ 2015, 788). Es sei nicht mehr zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung bei Beschlussfassung vorgelegen haben. Bei der Anordnung der Nachlassverwaltung handele es sich um eine Entscheidung mit Dauerwirkung, so dass eine Aufhebung auf Antrag nach § 48 Abs. 1 FamFG möglich sei, wenn sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert habe. Die Beschwerdeführerin sei als Erbin berechtigt, die Aufhebung zu beantragen, auch wenn sie nicht der ursprüngliche Antragsteller der Nachlassverwaltung gewesen sei. Eine Beschränkung der Antragsbefugnis auf den ursprünglichen Antragsteller sei (entgegen OLG Köln, a.a.O., Rn. 12) nicht anzunehmen.
Die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage habe sich jedoch nachträglich nicht wesentlich geändert. Die Anordnung der Nachlassverwaltung habe auf § 1981 Abs. 2 BGB beruht; es habe Grund zu der Annahme bestanden, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet werde. Der Vermächtnisanspruch des Beteiligten zu 5) sei weiterhin gefährdet. Der notarielle Vertrag liege zwar dem Gericht zur Genehmigung vor, doch werde die Genehmigung derzeit nicht erteilt, weil zunächst im Erbscheinsverfahren über die Gültigkeit des Testaments entschieden sein soll. Zum anderen sei nicht sichergestellt, dass die Beschwerdeführerin das Vermächtnis erfülle, wenn die Nachlassverwaltung aufgehoben werde, denn sie halte an der erklärten Anfechtung des Testaments fest. Diese könnte zur Folge haben, dass sie eine Erfüllung des Vermächtnisses nicht vornehme.
Der Nachlassverwalter sei auch nicht wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens zu entlassen (§ 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1886 BGB), weil hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vorlägen. Soweit der Nachlassverwalter die Verfügungen des privatschriftlichen Testaments umsetze, sei ihm dies nicht vorzuwerfen. Die Nachlassverwaltung wurde aufgrund des Vermächtnisses aus dem handschriftlichen Testament angeordnet. Bisher liege keine Entscheidung des Nachlassgerichts vor, die von einer Unwirksamkeit des Testaments ausginge, so dass der Nachlassverwalter zunächst von der Gültigkeit des Testaments ausgehen könne.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 49 Abs. 1 FamFG), bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Erteilung eines Erbscheins zu verbieten, über Vermögensgegenstände aus dem Nachlassvermögen zu verfügen, sei unbegründet.
Die Erklärungen des Beteiligten zu 1) in der notariellen Urkunde seien nicht pflichtwidrig gewesen. Die Wirksamkeit der Verfügungen hänge von der beantragten Genehmigung ab, die wiederum von dem Ausgang des Erbscheinsverfahrens abhänge. Im Übrigen habe der Nachlassverwalter hinsichtlich der Verfügung über Vermögensgegenstände aus dem Nachlass zunächst in eigener Verantwortung zu entscheiden, in welcher Weise er vorgehe. Der Nachlassverwalter führe sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich. In reinen Zweckmäßigkeitsfragen unterstehe er keinen rechtlichen Weisungen (Weidlich in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1985 Rn. 2 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1). Ein Bedürfnis zu einer sichernden oder regelnden Maßnahme könne nicht festgestellt werden.
C. Kontext der Entscheidung
Die Nachlassverwaltung bezweckt die Befriedigung der Nachlassgläubiger und die Beschränkung der Haftung der Erben auf den Nachlass (§ 1975 BGB). Die Nachlassverwaltung wird auf Antrag des Erben (§ 1981 Abs. 1 BGB) oder eines Nachlassgläubigers (§ 1981 Abs. 2 BGB) angeordnet. Der Beschluss, mit dem die Nachlassverwaltung angeordnet wird, wird mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig. An dem Verfahren können neben Antragsteller und Nachlassverwalter alle Übrigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird, als Beteiligte hinzugezogen werden (§ 345 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Die Nachlassverwaltung endet, außer durch die Eröffnung der Nachlassinsolvenz (§ 1988 Abs. 1 BGB), durch Aufhebungsbeschluss. Die Aufhebung erfolgt auf Antrag, wenn sich die der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat (Weidlich in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1988 Rn. 2), insbesondere auch, wenn der Grund für die Anordnung weggefallen ist, weil der Zweck erreicht ist (§§ 1986, 1919 BGB).
Entgegen der Entscheidung des OLG Köln vom 03.11.2014 (2 Wx 315/14 Rn. 12 – FamRZ 2015, 788) ist das OLG Celle aus naheliegenden Gründen der Ansicht, dass auch der Erbe, der nicht Antragsteller des Ausgangsverfahrens ist, den Antrag nach § 48 Abs. 1 FamFG stellen kann. Das OLG Köln hatte auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen (BT-Drs. 16/6308, S. 198). Dort heißt es, dass § 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG bestimme, dass eine Abänderung in Antragsverfahren nur auf Antrag des ursprünglichen Antragstellers erfolgen könne. Unberücksichtigt blieb jedoch, dass der Gesetzeswortlaut diese Einschränkung auf den „ursprünglichen“ Antragsteller nicht enthält. In § 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG heißt es nur, dass die Aufhebung „auf Antrag“ erfolgt. Im Zweifel dürfte der eindeutige Wortlaut des Gesetzes maßgeblich sein, zumal der Erbe in dem Ausgangsverfahren beschwerdeberechtigt gewesen wäre. Er hätte überprüfen lassen können, ob die Voraussetzungen für die Nachlassverwaltung vorlagen. Wenn der Erbe aber ursprünglich keinen Grund sah, der Anordnung der Nachlassverwaltung zu widersprechen, aber sich nachträglich die „zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat“ und die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung entfallen sind, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum ein unmittelbar Betroffener keinen Antrag stellen können soll (so auch Abramenko in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2013, § 48 Rn. 11; Oberheim in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Aufl. 2014, § 48 Rn. 18; Elzer in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 48 Rn. 21; Ulrici in: MünchKomm FamFG, 3.Aufl. 2010 § 48 Rn. 11; a.A. Engelhardt in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 48 Rn. 16).
Mit der Einführung des FamFG gibt es mit den §§ 49 bis 57 FamFG Vorschriften, die auch einstweilige Anordnungen in Nachlassangelegenheiten ermöglichen, wenn ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist und ein dringendes Bedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts besteht. Ob dem Nachlassverwalter per einstweiliger Anordnung ein bestimmtes Handeln im Rahmen seiner Amtsführung geboten oder verboten werden kann, erscheint fraglich. Der Nachlassverwalter hat gemäß § 1985 Abs. 1 BGB den Nachlass zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Die Erhaltung und Mehrung des Nachlasses ist dabei nicht vorrangig. Der Verwalter ist deshalb auch nicht an Wünsche der Erben oder Gläubiger gebunden. Bei Pflichtwidrigkeiten kann das Nachlassgericht angerufen werden, das die Aufsicht führt und ggf. erforderliche Genehmigungen erteilt. Die Amtsführung erfolgt jedoch unabhängig und eigenverantwortlich. Bei der Auswahl und der Beurteilung der Zweckmäßigkeit seiner Vorgehensweise ist der Verwalter an keine Weisungen gebunden (Weidlich in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1985 Rn. 2). Handelt der Nachlassverwalter pflichtwidrig und schuldhaft, kann er ggf. haftbar gemacht werden.
Anderes kann beim Testamentsvollstrecker gelten, dessen Tätigkeit auf Dauer angelegt ist und der gemäß § 2216 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet ist, wenn er z.B. gegen bestimmte Weisungen des Erblassers zuwider handelt (OLG Schleswig, Beschl. v. 09.03.2010 – 3 W 29/10 – mit Anm. Zimmermann, ZEV 2010, 368) Der Eingriff in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers wird aber wegen fehlender Rechtsgrundlage abgelehnt. Einzelne Maßnahmen sollen auch dem Testamentsvollstrecker nicht untersagt werden können (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.08.2012 – 11 Wx 88/12 – ZEV 2013, 205 mit Anm. Reimann u.w.N.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Entgegen der Entscheidung des OLG Köln ist mit dem OLG Celle richtigerweise anzunehmen, dass jeder, der gemäß § 345 Abs. 4 Satz 2 und 3 FamFG als unmittelbar Betroffener anzusehen ist, nicht nur auf Antrag an dem Verfahren zu beteiligen ist, sondern auch selbst den Antrag nach § 48 Abs. 1 Satz 2 FamFG stellen kann. Die Amtsführung des Nachlassverwalters kann nicht durch einstweilige Anordnung des Gläubigers oder des Erben gesteuert werden. Der Nachlassverwalter handelt eigenverantwortlich und unterliegt nur der Aufsicht des Nachlassgerichts.