Finanzgericht Baden-Württemberg, 11-K-370/15
Pressemitteilung vom 30.06.2017
Der Kläger und seine zum Verfahren beigeladene (Ex-)Frau leben seit Juni 2011 getrennt und sind seit Februar 2013 geschieden. Beide Eheleute erzielten im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Zusammenveranlagung stellte der Kläger mit Zustimmung der Beigeladenen einen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO). Die Gesamtschuld aus der Einkommensteuerfestsetzung 2010 teilte das beklagte FA mit Aufteilungsbescheid nach dem Verhältnis der Beträge auf, die sich bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer ergeben hätten. Dies führte dazu, dass die Steuerschuld in voller Höhe auf den Kläger entfiel. Gegen den Aufteilungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein und erklärte, er nehme mit Zustimmung der Beigeladenen seinen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld zurück. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück, da die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO die Möglichkeit, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknehme, nicht vorsähen. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Das Finanzgericht verneinte die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob ein einmal gestellter Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld im Sinne des § 268 AO bis zum Eintritt der Bestandskraft des Aufteilungsbescheids vom Steuerpflichtigen wieder zurückgenommen werden könne. Es folgte damit der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts in dessen Urteil vom 5. November 2013 (15 K 14/13, EFG 2014, 106). Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld (§§ 268 bis 280 AO) würden die Möglichkeit, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknimmt, nicht vorsehen. Unter welchen Voraussetzungen ein Aufteilungsbescheid geändert werden könne, sei abschließend in § 280 Abs. 1 AO geregelt, der vorliegend unstreitig nicht erfüllt sei. § 280 AO sei eine für den Bereich der Aufteilungsbescheide insgesamt abschließende Korrekturnorm, die als einzige Ausnahme Änderungen wegen offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO), nicht jedoch die Rücknahme des Antrags auf Aufteilung vorsehe. Der Anwendungsbereich des § 280 AO sei dabei nicht auf bestandskräftige Aufteilungsbescheide beschränkt. Bei dem Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld nach § 268 AO handele es sich zudem um die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts, das sich ebenso wie die Ausübung schuldrechtlicher Gestaltungsrechte unmittelbar rechtsgestaltend auf das Steuerschuldverhältnis auswirke, was es rechtfertige, wie bei diesen (z. B. der Aufrechnung nach § 226 AO) von einer Unwiderruflichkeit und Unwiederholbarkeit der Gestaltungserklärung auszugehen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (VI R 14/17).